Den Udang zu passieren war unmöglich, denn in seiner engen
Schlucht schlugen die zusammengepressten Wassermassen in hohen
Wellen empor, während halbuntergetauchte Felsen unregelmässige Strömungen
verursachten. Dreihundert Meter weiter aufwärts befand sich
aber am linken Ufer eine kleine, von Felsen eingeschlossene Bucht, in
der bei normalem Wasserstande Sand und Aeste blosslagen, jetzt aber
zwei Meter tiefes Wasser stand, das zum Unterbringen unserer Böte
gerade genügte. N jo k begab sich zu Lande nach Long Döho zurück
und zwar schweren Herzens, da er mich nicht dazu bewegen konnte,
mit ihm zu gehen, und uns allein mit unseren Malaien und Javanern
zurücklassen musste. Wir litten jedoch weniger durch den Gedanken
an irgend welche Gefahren als durch den A e rg e r' über das Steigen
des Wassers und verbrachten im übrigen in unseren Böten eine sehr
ruhige Nacht.
Das Wasser war morgens noch nicht gefallen:o o " ich liess daher auf
dem hohen Uferwall einen Platz aushauen, auf dem S e k a r a n g die
Pflanzen der frischen Luft aussetzen konnte. Kurz darauf erschienen
fünf Long-Glat, die N jo k in seiner Besorgnis geschickt hatte, um auf
uns und unsere Böte zu achten. Sie erzählten, dass N jo k am vorigen
Abend vor Erregung nicht hatte essen können. In unserem feuchtkalten
Schlupfwinkel, in wenigen Metern Abstand vom brausenden Fluss, verbrachten
wir drei Tage, während welcher das Wasser abwechselnd 6 m
stieg und dann um öbensoviel wieder fiel. Da der Wald sehr steil
anstieg, konnten wir uns keine Bewegung verschaffen, doch gewährte
das wilde Tosen der Wasser im Kiham Udang einen prachtvollen
Anblick.
Am 16. Mai, als das Wasser zwar etwas gefallen war, aber doch
noch mit grösser Schnelligkeit an unserem Schlupfwinkel vorüberschoss,
äusserten des Morgens vier unserer Long-Glat den Wunsch, mit ihrem
Boot bis nach Uma Wak zurückzufahren, um dort ihren Vorrat an
Sirihblättern zum Betelkauen zu erneuern. Obgleich ich das Unternehmen
sehr gewagt und mit dem Anlass in keinem Verhältnis fand,
war ich doch zu sehr daran gewöhnt, mich in derartigen Angelegenheiten
der Meinung der Bahau zu fügen, die vom Befahren dieser
Flüsse so viel mehr als die Weissen verstehen, als dass ich mich
ernsthaft ihrem Wunsch widersetzt hätte.
Eine Stunde darauf, als wir neben einander auf dem Uferwall sassen,
bemerkten wir ein Boot mit Schilden, das an uns vorüber trieb, als
IW B
Ertrinken zweier Long-Glat. 483
hätte es sich eben vom Ufer gelöst. Wir beunruhigten uns daher
keineswegs, fanden es aber schade, dass die Strömung zu heftig war,
um das Boot durch Schwimmen vom Untergang im Udang zu retten.
Wir mussten ruhigo: zusehen,' wie es dort von den Wellen einigote Male
emporgehoben, mit Wasser gefüllt und in die Tiefe gezogen wurde.
Zu unserer Verwunderung erschien ungefähr eine Stunde darauf einer
der vier Long-Glat, L u g a t , mit einigen Bewohnern von Uma Wak
und fragte uns, ob sein Bruder A d jXn g und I b a u nicht bei uns seien.
So viel wir aus seiner verworrenen Erzählung begriffen, waren sie in
ihrem Boot hinaufgefahren, aber bald von einem Strudel erfasst worden,
wobei L u g a t aus dem Boote geschleudert wurde. Nachdem dieser,
nach längerem Kampf mit dem Wasser, die Oberfläche erreichte hatte,
rettete er sich schwimmend ans Ufer. Dort fand er den einen Gefährten,
D j a -X n g , dem es ebenso ergangen war. Von den beiden anderen
wussten sie nichts. Da sie an diesem Tage nicht zurückkehrten, waren
sie augenscheinlich ertrunken. Den Leuten von Uma Wak traten die
Tränen in die Augen, als sie hörten, dass die beiden nicht bei uns
waren, und L u g a t brach in heftiges Weinen aus, rief nach A d jX n g
und I b a u und machte sich Vorwürfe, dass er nicht besser für sie g e sorgt
hatte.
D e m m e n i und ich standen selbst noch so sehr unter dem Eindruck
des plötzlichen Todes der beiden tüchtigen jungen Leute, mit denen
wir kurz zuvor gescherzt hatten, dass wir keine Trostworte fänden. In
-unserer unglücklichen Lage und in dieser wilden, finsteren Umgebung
fühlten wir uns durch das Geschehene doppelt niedergeschlagen. Schwere
Wolken hinog en über uns und ununterbrochen fiel ein feiner. Stau0bregen.
Im Lauf des Tages traf N jo k tief betrübt bei uns ein. Obgleich
ich indirekt an dem Unglück die Schuld trug, indem ich zu früh von
Long Döho aufgebrochen war, hörte ich kein Wort des Vorwurfs;
nur betrauerten alle den Verlust der Ihrigen und L u g a t quälte sich
unaufhörlich mit Selbstvorwürfen.
Die Leute von Long Döho und Uma Wak kehrten mit N jo k nach
Hause zurück und Hessen andere Dorfgenossen bei uns. Am anderen
Morgen kam N jo k z u uns und sagte, er habe abends mit anderen beschlossen,
hier neun Tage zu verbringen, da die Leichen, die er gern
begraben wollte, in dieser Zeit an die Oberfläche kommen würden.
Die Bewohner der anderen Niederlassungen sollten ihm helfen. Ich
war überzeugt, dass die heftige Strömung die Leichen abwärts getrie