B ü t t ik o f e r und der Botaniker Dr. H. H a l l i e r sich im Urwalde nieder-
Hessen, durchzog der Geologe Prof. G. A. F. M o l e n g r a a f f ausgedehnte
Landstrecken, um deren Formation kennen zu lernen und beendete
seine Reise durch einen gelungenen Zug von Bunut südlich nach
Bandjarmasin. Indessen jeder auf diese Weise die nötige Forschungsfreiheit
genoss, lag mir, als dem Expeditionsarzte, die Verwaltung des
Ganzen ob. Da meine ärztliche Hilfe von den Teilnehmern der Expedition
selten beansprucht wurde, konnte ich in den Dörfern der Eingeborenen
wohnen bleiben und von dort aus für die Zufuhr neuer
Vorräte und die Anwerbung von Kuli Sorge tragen.
Teils aus Neugier, teils um ärztlichen Beistand zu erbitten, kamen
bald ununterbrochen Eingeborene in meine Nähe, so dass ich Gelegenheit
hatte, die Bevölkerung eingehend zu studieren und Ethno-
graphica zu sammeln.
Nach zweimonatlichem Aufenthalt am Mandai, südlich vom oberen
Kapuas, machten der Geologe, Prof. M o l e n g r a a f f , und ich den Versuch,
in das Gebiet des oberen Mahakam vorzudringen; wir mussten
jedoch, obgleich wir bereits die Wasserscheide zwischen Kapuas und
Mahakam überschritten hatten, auf Grund von Gerüchten, die der uns
begleitende Kontrolleur über ernstliche feindliche Rüstungen seitens der
Eingeborenen vernommen hatte, den Rückzug antreten. Auf dieser
letzten sechswöchentlichen Expedition hatten die am Mendalam wohnenden
Kajan, ein bis dahin so gut wie unbekannter Stamm, die Träger
und Ruderer geliefert. Die Kajan am Mendalam sind nämlich mit
denen am Mahakam verwandt und in ständigem Verkehr, daher sind
sie auch die besten Kenner dieser dunklen Gebiete von Mittel-Borneo.
Ich war somit, um zuverlässige Auskunft über die Verhältnisse am
oberen Mahakam zu gewinnen, hauptsächlich auf diesen Stamm der
Kajan angewiesen. Zwar hatte schon im Jahre 1825 ein Europäer,
G e o r g M ü l l e r , von der Ostküste aus den oberen Mahakam erreicht,
aber sein Geleite von Pnihing und Kajan ermordete ihn nach dem
Ueberschreiten der Wasserscheide im Flussbett des Bungan ; mit dem
kühnen Forscher gingen auch seine Aufzeichnungen zu Grunde, und
die innersten Gebiete Borneos blieben unbekannt wie zuvor.
Während Prof. M o l e n g r a a f f seine Reise nach Bandjarmasin antrat,
Hess ich mich also für zwei Monate bei diesem Stamm der Kajan am Mendalam
in Tandjong. Karang nieder und zwar mit demselben Resultat,
wie sonst überall, dass ärztliche Hülfe, das Einkäufen von Ethnograp'hica
und viel Geduld mit ihrer Eigenart mir alles Vertrauen ge-
wanden, das eingeborene Stämme einem Fremden überhaupt schenken
können. Als wichtigsten Vertrauensbeweis betrachtete ich ihre Erklärung,
mich in das Gebiet des oberen Mahakam begleiten zu wollen,
falls ich auf ihre Bedingungen zur Unternehmung der Reise eingehen
wollte. Eine der für beide Teile wichtigsten war, dass ich, um nicht
das Misstrauen ihrer Verwandten am Mahakam zu erregen, ohne bewaffnetes
Geleite gehen sollte, was für mich so viel bedeutete, als
dass ich mich ihnen vollständig ausliefern sollte. Ich fand eine teilweise
Erklärung für diese Bedingung in dem Gefühl, das alle Eingeborenen
in Mittel-Borneo bei der Begegnung mit etwas Neuem und
Fremdem beherrscht, nämlich: der Angst. Da ich ausserdem wusste,
dass es im eigenen Interesse der Dajak lag, der niederländisch-indischen
Regierung keinen Anlass zur Unzufriedenheit zu geben, indem
sie. mir ein Leid zufügten, so beunruhigte mich ..-.diese Bedingung
durchaus nicht.
Unter den interessanten Beobachtungen, die ich in dieser Zeit über
den Charakter der Stämme von Mittel-Borneo machte, ist diejenige
sicher die bedeutendste, dass die blutgierigen, wilden, Köpfe jagenden
Dajak im Grunde zu den sanftesten, friedliebendsten und ängstlichsten
Bewohnern dieser Erde gehören. Meine Erfahrungen’ stehen in dieser
Hinsicht nicht nur in schroffem Gegensatz zu der allgemein, verbreiteten
Auffassung über die Dajak seitens der Europäer an den Küsten
Borneös, sondern seltsamer Weise auch aller Reisenden, die bis jetzt
Gelegenheit hatten, mit den mehr im Innern der Insel wohnenden
Stämmen in Berührung zu kommen.
Da meine neuen Kajanfreunde mir allmählich auch zu verstehen
gaben, dass es mit der feindlichen Gesinnung der Mahakambewohner
nicht so schlimm bestellt sei, fasste ich auf meiner Rückreise nach
Batavia den Plan, wenn irgend möglich, aufs neue den Versuch zu
wagen,. in das Gebiet des oberen Mahakam einzudringen und den
Fluss bis zur Ostküste hinabzufahren.
In Batavia angelangt wurde ich jedoch sogleich als Arzt nach
Lombok abkommandiert, wo die Bestürmung von. Tjakra Neo-ara
(1894) und alle traurigen Folgen dieses entsetzlichen Kriegszuges uns
Aerzte bald alle eigenen Pläne vergessen Hessen.
Auch im Anfang des folgenden Jahres fanden wir selten Zeit, an
etwas anderes, als an unsere Kranken zu denken, bis endlich der West