Obgleich es erst Mittag war, behaupteten die Leute doch, an dem
Tage nicht mehr weiter zu können; augenscheinlich hatten sie überlegt,
dass die folgenden von ihnen gebauten Hütten sehr hoch am
Bütjai lagen und dass sie diese doch nicht mehr erreichen konnten.
Auch die malaiischen Schutzsoldaten und mein Junge M id a n , die alle
an ihrem Gepäck zu tragen hatten, erklärten, vor Ermüdung nicht
weiter gehen zu können.
Bei dem herrschenden Nahrungsmangel bedeutete aber ein Aufenthalt
ein Aufgeben der ganzen topographischen Aufnahme und so
musste ich denn trotz allem versuchen, mit B i e r weiter zu kommen.
Dieser war zwar sehr ermüdet, wollte aber, als erprobter Topograph
und weil es sich um sein Amt handelte, doch nicht Zurückbleiben.
Ju n g war, wie immer, zu allem bereit und nahm die topographischen
Instrumente, den Theodolit und die kleinen Massstäbe auf seine Rechnung
; sein Bruder belud sich mit meinem Bettzeug und einem Drei-
fuss, und zwei andere, kräftige junge Leute trugen das Bettzeug von
B i e r und die notwendigsten Nahrungsmittel, und so machten wir sechs
uns auf den Weg.
Als man uns im letzten Augenblick noch' einige o 0 heisse Bataten zu
verspeisen gab, wurden in der Ferne die ersten schwer beladenen
Träger sichtbar. Ich fürchtete jedoch, sie könnten meine Getreuen wankend
machen, brach daher eiligst auf und begann mit steifen Beinen weiter
zu marschieren. Zum Glück wanderten wir jetzt längs des Leja durch
ein Längstal, das zwar nicht so wild romantisch war wie das Quertal
des Bungan, dafür aber viel breiter und ebener; auch folgten wir
einem für diese Gegenden guten Pfade.
Das Strauchwerk benahm uns nicht gänzlich das Sonnenlicht, daher
konnten wir uns in unseren nassen Kleidern, in denen es uns während
der Rast gefröstelt hatte, etwas erwärmen. Nach s/4 Stunden ver-
liess der Pfad den Leja und führte uns dessen Nebenfluss, den
Betjai, aufwärts, der uns in östlicher Richtung direkt zur Wasserscheide
bringen sollte. Der Pfad lief hier wieder durch den Wald, verursachte
uns aber keine Schwierigkeiten, nur mussten wir öfters die Uferseiten
wechseln und daher den nur 20 m breiten, wenig tiefen Fluss durchqueren;
bisweilen wateten wir auch 100 m weit im Flussbette selbst.
Das Wasser reichte zwar nur bis an die Kniee, war aber sehr kalt,
so dass wir wiederum fröstelten; zudem war der Grund auch hier ganz
mit glattem, rundem Geröll bedeckt und- nötigte bei der heftigen Strömung
auch den mit einem Stocke versehenen zu vorsichtigem Gehen.
Treu blieben unsere Wachthunde uns zür Seite; war das Wasser
tief, so schwammen sie, war die Strömung zu heftig, so liefen sie
am Ufer entlang. A uf solchen Expeditionen waren sie stets viel zu
müde, um mit einander zu kämpfen, was sie sonst mit Vorliebe taten,
auch wagten sie es, aus Furcht vor der neuen Umgebung, nicht, sich
von uns zu entfernen.
;Eine Stunde nach der anderen verging, während welcher wir im
Wasser gegen Strömung und Geröll und auf dem Lande gegen Baumwurzeln
und Felsblöcke ankämpften. Jeder Schritt verlangte so viel
Aufmerksamkeit, dass wir für unsere Umgebung kein Auge hatten.
Begreiflicher Weise wurde auch kein Wort unnütz gesprochen. Da
wir über den noch zurückzulegenden Weg unsicher waren, begann
unsere Lage gegen drei Uhr, unserer grossen Ermüdung wegen, kritisch
zu werden. Indem ich mit J u n g stets voran marschierte, schleppte ich
die anderen mit; um Vs 4 Uhr musste ich jedoch Halt machen, da
B i e r vor Erschöpfung, am Flussufer niedergefallen war. E r erklärte
zwar, dass etwas Ruhe und Nahrung ihn bald wieder hersteilen würden;
aber es war mir doch eine grosse Beruhigung, als der hinterste Träger
erklärte, die gesuchten Hütten seien ganz in der Nähe. Ju n g s Bruder
brachte aus seinem Tragkorbe kgrtap zum Vorschein und.:reichte ihn
mit Wasser dem Erschöpften als Magenstärkung. Nun merkten Ju n g
und ich, dass auch wir eine Erfrischung sehr nötig hatten, setzten
uns daher auf eine Sandbank im Flusse und teilten brüderlich den
übrigen k$rtap. Die Rast gab auch mir den letzten StosS; nur mit
Mühe schleppte ich mich die 300 m bis zu den Hütten weiter und
legte mich dort auf einer zum Lagerplatz für die Nacht bestimmten
Bank nieder.
Auch jetzt wieder kam uns unsere Gewohnheit, zwischen unserer
Matratze stets einen Reserveanzug einzupacken, sehr zu statten. Als
wir unsere durch und durch nassen : und von der Kletterei über halb
verkohlte Baumstämme geschwärzten Kleider gegen trockene vertauschten,
durchzog uns das erste Gefühl von Wohlbehagen. Die
Kajan zündeten schnell ein Feuer an und- kochten Wasser, das uns,
mit etwas kondensierter Milch vermischt, einen herrlichen, heissen
Trank lieferte. Bei unserer Uebermüdung waren wir aber nicht im
Stande, von dem primitiv zubereiteten Reis etwas zu gemessen. So
war es uns eine angenehme Ueberraschung, als einer der Kajan mit
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