Patienten, den ich bereits 1894 behandelt hatte. Man hatte ihn mir
damals nach Tandjong Karang gebracht, weil er sich durch einen
Fall eine scharfe, hölzerne Pfahlspitze in die Seite, 20 cm weit unter
die Haut, getrieben hatte. Mit Hilfe einiger Schnitte und einer Zange
gelang es mir, das Holzstück zu entfernen. Die Blutung war nicht
heftig, grosse Gefässe waren also nicht verletzt und die Pleurahöhle
nicht erreicht; bei der grossen Widerstandsfähigkeit der Dajak sah
der Fall also nicht so schlimm aus. Obgleich auch das Fieber abnahm,
entwickelte sich doch, einige Tage vor meiner Abreise, eine schwere
Pleuritis. Von einer gründlichen Behandlung konnte keine Rede mehr
sein und so überliess ich den Kranken, nach Erteilung einiger Vorschriften
wegen der Behandlung der Wunde und sonstigen Verpflegung, den
Seinen und der Natur. Glücklicher Weise gelang es beiden, die Krankheit
zu überwinden. Als ich den Patienten jedoch 1896 wiedersah,
litt er so hochgradig unter ständigen Malariaanfällen, dass seine Milz
durch die Bauchwand hindurch als dicke Geschwulst fühlbar war. Ich
hinterliess ihm daher eine grosse Dosis Chinin mit ausführlicher Gebrauchsanweisung.
Mit grossem Eifer musste er den Vorschriften gefolgt
sein, denn er kam mir jetzt als kräftiger Mann entgegen und brachte
mir als Zeichen seiner Dankbarkeit einige Früchte, ■ allerdings mit der
Bitte um eine weitere Dosis Chinin. Bei einer Untersuchung ergab
es sich, dass die pleurae an der verwundeten Seite noch verwachsen
waren, von einer Hypertrophie der Milz oder Leber war aber nicht
mehr viel zu merken.
Allmählich strömten so viele Männer und Frauen herbei, die alle
um Heilmittel baten, dass mein Junge mich durch die Ankündigung,
dass das Essen bereit sei, aus grösser Verlegenheit rettete. Der
Beginn einer Mahlzeit macht nämlich auf alle Dajak grossen Eindruck,
sie wagen es daher nur sehr selten, einen beim Essen zu stören,
dagegen kommen sie nie auf den Gedanken, dass einem auch beim
Ankleiden und Zubettegehn ein allzu grosses Interesse der Umgebung
unliebsam sein könnte.
Nach dem Essen stellte es sich heraus, dass der Tag nicht ganz
ohne Unfall verlaufen war; denn der Jäger D o r i s kam mit der Meldung,
dass einer unserer Hunde während der Fahrt von einem Krokodil
aufgefressen worden war. D o r i s , der mit einigen anderen Halbblutfreunden
in Batavia für die Wildschweinjagd eine grosse Koppel
Hunde hielt, hatte zwei der besten Exemplare mitgenommen; es waren
kleine, kurzhaarige Tiere mit spitzem K opf und spitzen, aufrechtstehenden
Ohren, die für Treibjagden sehr geeignet zu sein schienen. D o r i s hatte
die Hunde, weil sie an das Fahren in Böten nicht gewöhnt waren,
längs dem Ufer laufen lassen. Da wir aber der Strömungen wegen
öfters die Ufer wechseln mussten und D o r i s den Dajak ausserdem
zeigen wollte, dass seine Hunde ebensogut schwimmen konnten als
die ihrigen, hatte er sie mehrmals den Fluss durchqueren lassen. Bei
dieser Gelegenheit kam neben einem der Hunde plötzlich der Kopf
eines Krokodils zum Vorschein, der sich dem erschreckten und bellenden
Tiere bedächtig näherte und es unter Wasser zog, bevor man
den fiechen Räuber durch einen Gewehrschuss verjagen konnte.
Um meinen Vorrat an Arzneien, der tatsächlich für die Mahakam-
bewohner bestimmt war, nicht zu sehr anzügreifen und um den niederen
Wasserstand noch auszunützen, fuhren wir gleich nach Sonnenaufgang
weiter; wir frühstückten auf einer Geröllbank in der Nähe
von Lunsa, machten jedoch weder bei dieser Niederlassung, noch bei
Lunsa Ra, einem kleinen Pnihinghause, dem letzten am oberen Kapuas,
Halt. Auch diese Dörfer waren bereits, aus der Ferne an ihren Bananenanpflanzungen
erkennbar. A uf unserem Zuge 1894 hatte ich in
einem Punanhause an der Mündung des Era übernachtet, jetzt war
von dem ganzen Gebäude nichts als ein einziger aufrechtstehender
Pfahl bemerkbar. Bis auf 50 m Abstand vom Ufer hatten Bäume
und Sträucher den ganzen Platz, auf dem das Haus gestanden, eingenommen
und waren dabei so von Lianen überwuchert worden, dass
man sich nur mit Hilfe eines Beiles einen Durchgang hätte verschaffen
können.
Im Laufe des Tages fuhren wir an einer Reihe kleiner Inseln, wald- -
bedeckten Geröllbänken, vorüber, die hie und da das Flussbett sehr
verengten, bei diesem niedrigen Wasserstande jedoch keine Schwierigkeiten
verursachten. Wir erreichten noch am selben Tage Liu (-= Insel)
d angkilu, eine am linken Ufer des Kapuas in . einer Bucht gelegene
Geröllbank, die unseren zahlreichen Böten einen vorzüglichen Schlupf-
winkek für die Nacht lieferte. Hir fanden wir noch Spuren der kleinen
Reisfelder der Punan aus dem verlassenen Hause van Nanga Era
und befanden uns somit an der Grenze des sogenannten Punangebietes,
wo feste Niederlassungen nicht mehr Vorkommen und wo nur
die nomadisierenden Stämme der Punan und Bukat die ständigen Bewohner
der Urwälder bilden.