'54 Legende vom Feuer und Wasser.
der Stamm der Uma-Bom hat jetzt den Plan, in das Tal des Boh
zu ziehen und sich dort niederzulassen. Im Lauf der Zeit wandert ein
solcher Stamm immer weiter flussabwärts, den Weg der meisten Bahau-
stämme, die jetzt am Mahakam wohnen, Folgend.
Obgleich die Geschichte ihrer Auswanderung den Stämmen sehr
wohl bekannt ist, hat doch auch die Legende die Tatsache, dass alle
vom Apu Kajan gebürtigen Stämme jetzt nach allen Himmelsgegenden
zerstreut wohnen, zu erklären versucht:
In alten Zeiten, heisst es, entstand zwischen dem Feuer (apui) und
dem Wasser (ata) ein Zwist, der sich so steigerte, dass beide im
-Kampfe die Kräfte aufs äusserste anspannten. Wind und Regen kamen
dem Wasser zu Hilfe, welches infolgedessen so sehr stieg, dass
es alles Land mit Wäldern und allem überflutete. Dadurch erlosch das
Feuer, aber auch alle Menschen bis zum Apu Kajan hinauf kamen
um. Nur einige wenige* die in Böten sassen, blieben am Leben.
Diese sahen keine andere Möglichkeit, das Wasser zum Sinken zu
bringen, als eine der Ihren, H i l lo , die Tochter eines Häuptlings,
zu töten, indem sie ihr die Schulter durchhieben. Da fiel das Wasser
plötzlich vom hohen Bergland hinunter und führte zugleich die in
den Böten überlebenden Menschen nach verschiedenen Seiten auseinander.
So wurden die Bewohner von Apu Kajan in alle Himmelsrichtungen
zerstreut und sprechen heute so viele verschiedene
Sprachen.
Wenn irgend möglich, wohnen die Stämme im Mahakam- und Ka-
jangebiete am Hauptfluss selbst; nur wenn der Wohnplatz für unsicher
gehalten wird, wie nach dem Einfall der Batang-Lupar im Jahr 1885
am Mahakam, oder wenn eine starke Zunahme der BevölkerungO' es
gebietet, wie am Kajan, lassen sich Bahau und Könja auch an Nebenflüssen,
häufig hoch im Gebirge, nieder. Das Gleiche sehen wir am
oberen Barito oder Murung, wo sich die Dajak vor den am Hauptfluss
sich ansiedelnden Malaien an die Ufer der Nebenflüsse zurückgezogen
haben.
Eine Eigentümlichkeit aller Bahau besteht darin, dass sich ihre
selbständigea Stämme, obgleich sie einander nicht bekriegen, doch
auch nur wenig vermischen. Heiraten zwischen Pnihing, Kajan und
Long-Glat kommen, beispielsweise, nur selten vor, noch viel seltener
sind Verbindungen zwischen Bahau und Könja. Demnach müssen Heiraten
zwischen Gliedern von Stämmen, die verschiedenen Gruppen
angehören, wie Bahau und Ot-Danum, früher eine grosse Seltenheit
gewesen sein. Man sollte daher erwarten, dass sich das Blut der
Stämme von Mittel-Borneo sehr rein erhalten habe, aber das Gegenteil
ist der Fall. Die Bahau haben nämlich alle ihre gegenwärtigen
Wohnplätze erst erobern müssen; am Mahakam fanden sie Stämme
vor, die mit den Ot-Danum vom Kahäjan und Mölawie und den Siang
vom oberen Barito verwandt waren. Die Bewohner wurden teils vertrieben,
teils zu Sklaven gemacht und den Häuptlingen der Stämme
zugeteilt. Diese Sklaven lebten anfangs in Familien, getrennt von den
freien Gliedern des Stammes, aber allmählich wurden sie durch Heirat
in den Stamm selbst aufgenommen, bei den Long-Glat z. B. beinahe
vollständig. Daher bestehen die Bahaustämme am Mahakam gegenwärtig
aus einer Mischung der dolichozephalen Ot-Danum mit den
ursprünglichen Bahau, die -wahrscheinlich brachyzephal waren.
Aehnlich verhält es sich mit den Kajan am Mendalam.
Die Könjastämme im Apu Kajan jedoch müssen den ursprünglichen
Charakter der Bewohner dieses Stammlandes noch sehr rein
erhalten haben, und dürften daher für künftige anthropologische Untersuchungen
einen ausgezeichneten Ausgangspunkt bilden.
Noch ein anderer Faktor zwingt uns bei der Beurteilung der Reinheit
eines Stammes zur Vorsicht und» zwar folgender : in Anbetracht,
dass die Zahl seiner Glieder für die Macht und den Einfluss eines
Stammes auf die anderen von grösster Wichtigkeit ist, streben die
meisten Häuptlinge danach, diese Zahl nach Möglichkeit zu vergrössern.
Vor allem suchen sie Heiraten ihrer Stammesgenossen in fremde
Stämme zu verhindern; sobald sie sich aber stark genug dazu fühlen,
wie die Long-Glat im Anfang des 19. Jahrhunderts, bekriegen sie
schwächere Stämme und zwingen sie, mit ihnen zusammen zu wohnen
und zwar als ihre Untergebenen, nicht als Sklaven. E s leben jetzt
noch unter den bereits getrennten Long-Glat die Stämme der Ma-Tuwan,
Manok-Kwe, Uma-Tepai, Uma-Wak und Batu-Pala, die wahrscheinlich
auch vom Apu Kajan gebürtig sind. Merkwürdiger Weise haben diese
oft nur 100 Individuen zählenden Stämme sich ihre eigenen Sprachen
und Sitten erhalten; Heiraten mit den Long-Glat kommen jedoch häufig
vor. So kann auch auf diesem Wege Vermischung stattfinden.
In letzter Zeit ist in Borneo ein neues Moment entstanden, das die
scharfen Gegensätze zwischen den verschiedenen Völkergruppen und
die grosse Feindschaft, die früher zwischen ihnen herrschte, zum Ver