Generationen begreifen lassen. Diese Eigentümlichkeiten äussern sich
in der Art und Weise, wie sie auf verschiedene Arzneien reagieren,
ferner in der grossen Vitalität ihrer Gewebe bei Verwundungen. Die
Behandlung von Malariakranken zeigte mir, dass Chinin eine sehr
schnelle Wirkung bei ihnen hervorruft. Auch in den ernstesten Fällen
bin ich nur selten gezwungen gewesen, mehr als i gr Chinin per Tag
und per Mal zu erteilen und selbst bei stark chronischen Malariakranken
rief diese Dosis in wenigen Tagen eine Besserung hervor.
A u f meiner ersten Reise beschränkte ich mich vorsichtshalber auf 1/1
bis 3/„ gr per Tag, als ich aber später keine nachteiligen Folgen bemerkte,
gab ich Erwachsenen stets i gr per Tag. Um den -gleichen
Effekt bei Europäern zu erzielen fand ich während des Feldzuges auf
der Insel Lombok selbst 3 gr per Mal nicht immer genügend.
Hieraus ei sieht man, dass die Konstitution der Dajak bei der Bekämpfung
einer Infektion viel stärker mitwirkt als bei Europäern. Die
Beobachtung von Prof. R. K o c h auf Neu-Guinea, dass erwachsene Eingeborene
gegen eine Malariainfektion immun werden und dass diese
nur auf Kinder einwirke, stimmt mit der meinigen also teilweise überein.
Das Verhalten der Dajak spricht gegen eine vo l lk ommene Immunität
der Erwachsenen gegen Malariainfektion. Wie weiter unten
ausgeführt werden wird, konnte ich mich bereits in Sambas davon
überzeugen, dass beinahe sämtliche Kinder unter 10 Jahren eine geschwollene
Malariamilz zeigten, welche bei Erwachsenen zwar seltener
aber ebenfalls zu finden war. Schon das häufige Vorkommen akuter
und chronischer Malaria bei Erwachsenen spricht gegen vollständige
Immunität. Dass bei den Dajak in akuten und chronischen Fällen
eine geringe Dosis Chinin bereits eine so starke Wirkung erzielt, weist
jedoch auf eine p a r t i e l l e Immunität, die sie sich vielleicht durch die
in der Kindheit bestandenen Malariaanfälle erworben haben. Hierauf
deutet auch die Tatsache, dass ich unter mehreren Tausend Patienten
keinen einzigen mit perniziösen Erscheinungen, wie Coma, schweren
Icterus, Nervenanfällen u. s. w. auf Malariaanfälle reagieren sah.
Die Wundheilung tritt bei den Bahau, wie schon erwähnt, schneller
und vollkommener als bei Europäern ein; hiervon konnte ich mich
häufig überzeugen:
Einst brachte man mir einen Dajak, dem von einem Dorfgenossen,
der ihn auf der Jagd für ein Wildschwein angesehen hatte, die
Tibia auf 4 cm Länge in Splitter zerschossen worden war. Als man
mir den Mann am achten Tage nach dem Unfall brachte, war die
ganze grosse Wunde in eine septisch infizierte Eiterhöhle verwandelt,
in welche die zersplitterten Enden der Tibia hineinragten; die Kugel,
die ich unter der Haut an der anderen Seite hindurchfühlte, entfernte
ich mittelst eines Hautschnittes. Eine gründliche Desinfektion, die Fort-
nahme der losen Knochensplitter, eine Drainage und Applikation von
Schienen zur Immobilisierung genügten, um den Mann innerhalb kurzer
Zeit körperlich wieder herzustellen und das Bein, mit Verkürzung um
1 cm, durch Bildung eines grossen Callus, wieder brauchbar zu machen.
Nach einem Jahr war von einer Funktionsstörung nichts mehr zu spüren.
Bei meinem ersten Besuch in Tandjong Karang hinterliess ich dort
eine zwölfjährige Patientin, die, nach einem syphilitischen Ulcus an der
Kniekehle, der einen Durchschnitt von 10 cm und 2 cm Tiefe zeigte,
eine gut granulierte Wunde zurückbehalten hatte. Ich hatte dem Mädchen
eine Jodkalilösung zu weiterem Gebrauch übergeben und glaubte
sie, als ich mich bei meinem zweiten Besuch, i-’/L Jahre später, nach
ihr erkundigte, als ein Mädchen mit einem krummen Bein charakterisieren
zu müssen. Keiner kannte jedoch ein solches Mädchen. Zu meinem
Erstaunen sah ich die Kleine später mit einem ganz geraden,
gut beweglichen Bein umhergehen, obgleich die ganze Kniekehle mit
Narben bedeckt war. Bei einem europäischen Kinde wäre das Resultat
ein ganz anderes gewesen, die Narbenbildung hätte zweifellos eine
Kontraktur zur Folge gehabt.
Bald nach Beginn einer Praxis unter den Stämmen von Mittel-Borneo
wird man gewahr, dass einzelne Krankheitsgruppen bei ihnen alle
übrigen in den Hintergrund drängen| es sind dies: Malaria, venerische
Krankheiten (Syphilis und Gonorrhoe) und parasitäre Hautkrankheiten,
welch letztere auch auf den anderen Inseln des indischen Archipels
verbreitet sind. Eingeschleppte Infektionskrankheiten, wie Pocken und
asiatische Cholera, treten bei diesen in grösser Abgeschiedenheit wohnenden
Stämmen nur selten in das allgemeine Krankheitsbild.
Unter den Bahau, die ein 250 m ü. d. M. gelegenes Bergland
bewohnen, bestehen weitaus die meisten Patienten, die einem täglich
zur Behandlung zugeführt werden, aus Malariakranken. Diese Erscheinung
erklärt sich daraus, dass streng genommen alle auf den Körper
einwirkenden schädlichen Einflüsse das labile Gleichgewicht, in welchem
sich viele Personen zeitweilig oder dauernd der Malariainfektion u oo- ebcren