Die Pubertät tritt bei den Mädchen ungefähr mit zwölf Jahren,
bei den Knaben etwas später ein und bringt in ihre Lebensverhältnisse
wichtige Veränderungen. Vor allem sind sie nun den Vorschriften,
welche die adat den Erwachsenen auferlegt, hauptsächlich Verbotsbestimmungen
bezüglich des Essens verschiedener Speisen, unterworfen.
Ferner beginnen sie sich in diesem Lebensalter mit eigenartigen Verzierungen
und Verbildungen des Körpers zu schmücken.
Beide Geschlechter lassen sich 'die Schneidezähne vorn hohl ausfeilen
; einige treiben sich ausserdem, nach Sitte einiger Punan, goldene
Stifte durch die Zähne. Die meisten fangen jetzt auch mit dem
Schwärzen der Zähne und dem Betelkauen an.
Mit eintretender Geschlechtsreife wird an Knaben und Mädchen die
eigentliche Tätowierung vorgenommen, jene lassen sich anfangs nur
einen Stern auf der Schulter oder eine einfache Figur auf dem Arm
ausführen; die übrigen Verzierungen erhalten sie erst, wenn sie durch
wgite Reisen oder durch Teilnahme an einer Kopfjagd Beweise ihrer
Tapferkeit geliefert haben.
Für die Frauen bildet die Tätowiersitte eine wahre Marter, der sie
sich aber mit staunenswerter Opferwilligkeit unterwerfen. Die Kajan-
frauen am Mendalam lassen sich den unteren Teil des Unterarms,
die Hand, den ganzen Schenkel bis unterhalb des Knies und den
Fussrücken mit prachtvollen Tätowiermustern bedecken. Die tätowierten
Teile erscheinen wie mit einem dichten, dunkel blauen Netz überzogen.
in der Entfernung verschwinden die Einzelheiten der oft künstlerisch
schönen Muster, man erhält dann den Eindruck, als trügen die Frauen
blaue Trikots. Bei Frauen mit lichtgelber Hautfarbe treten die Figuren
auf den der Sonne weniger ausgesetzten und daher helleren Schenkeln
besonders schön hervor.
Die jungen Männer haben zwar durch die Tätowierung, weil sie
bei ihnen nur in beschränktem Masse ausgeführt wird, viel weniger
als die Frauen zu leiden, dafür müssen sie sich aber, um ihre volle
Männlichkeit zu erlangen, einer anderen Prüfung unterwerfen, nämlich
der Durchbohrung der glans penis. Bei dieser Operation wird folgen-
dermassen verfahren: Zuerst wird die glans durch Pressen zwischen
den beiden Armen eines umgeknickten Bambusstreifens blutleer gemacht.
An jedem dieser Arme befinden sich einander gegenüber an
den erforderlichen Stellen Oeffnungen, durch welche man, nachdem die
glans weniger empfindlich geworden, einen spitzen kupfernen Stift
hindurchpresst; früher benutzte man hierfür ein zugespitztes Bambushölzchen.
Die Bambusklemme wird entfernt und der mittelst einer
Schnur befestigte Stift in der Oeffnung gelassen, bis der Kanal verheilt
ist. Später wird der -kupferne Stift (utang) durch einen anderen,
meist durch einen zinnernen, ersetzt, der ständig getragen wird; nur
in schwerer Arbeitszeit oder bei anstrengenden Unternehmungen macht
der metallene Stift einem hölzernen Platz.
Besonders tapfere Männer geniessen mit dem Häuptling das Vorrecht,
um den penis einen Ring tragen zu dürfen, der aus den Schuppen
des Schuppentieres geschnitten und mit stumpfen Zacken besetzt
ist; bisweilen lassen sie sich auch, gekreuzt mit dem ersten Kanal,
einen zweiten durch die glans bohren.
Ausser den Kajan selbst, üben auch viele Malaien vom oberen
Kapuas diese Kunst aus. Die Schmerzen bei der Operation scheinen
keine sehr heftigen zu sein, auch hat sie nur selten schlimme Folgen,
obgleich bis zur Genesung oft ein Monat vergeht.
Mit den Genitalien der Frauen werden keine Veränderungen vorgenommen.
Die jungen Männer lassen sich ferner, um ihre Unempfindlichkeit
gegen Schmerz zu beweisen, Stückchen Damaraharz auf der Haut
verbrennen. Diese Feuerproben hinterlassen eigentümliche runde Narben
; sie werden in der Regel in einer Reihe angebracht und betragen
im Durchmesser bis zu i cm.
Die jungen Leute beginnen zu dieser Zeit auch mehr Sorgfalt auf
ihre Kleidung und auf ihr sonstiges Aeussere zu verwenden ; die jungen
Mädchen ziehen sich bis auf das Kopfhaar alle Haare am Körper
aus; die jungen Männer entfernen Wimpern, Augenbrauen und Bart
(Siehe Kap. VII).
Auch mit dem Erlernen der Künste fangen Männer und Frauen
erst nach der Pubertät an; diese legen sich auf das Flechten von
Matten und das Ausführen von Perlenarbeiten; jene erlernen die Holz-
und Knochenschnitzerei, das Entwerfen von Mustern für Verzierungen
aller Art u. s. w.
Gleichzeitig mit den körperlichen Veränderungen, welche mit beiden
heranwachsenden Geschlechtern vor sich gehen, wächst auch ihr Streben,
das gegenseitige Wohlgefallen zu erregen. Das Verfertigen von Geschenken
nimmt einen grossen Teil der freien Zeit der jungen Leuten
in Anspruch; die Mädchen arbeiten aus Perlen Halsketten,. Schwert