nicht mehr sicher fühlte. Der Mann hatte sein kleines Boot hinter das
grosse von N jo k L e a gebunden, wurde aber vom Strudel losgerissen und
verschwand in der Tiefe. Nach einiger Zeit kam er aber, zur grossen
Belustigung der Long-Glat, mit seinem Boote wieder nach oben und
wurde von ihnen für den Verlust seiner Sachen so reichlich entschädigt,
dass er sein Untertauchen kaum zu bereuen hatte. Des mit enormer
Schnelligkeit steigenden Wassers wegen machten sich die Leute um
die Rotangbündel, die oberhalb der letzten Fälle angebunden waren,
Sorgen. Nach einiger Zeit wurden auch die ersten Bündel heruntergetrieben
und bei Hait Aja, wo das Wasser stiller wurde, mit vieler Mühe
ans Land gezogen. Einige Männer begaben sich zu Fuss wieder nach
oben, um auch die übrigen Bündel zu lösen, damit sie nicht hoch auf
den Felsen liegen blieben, von wo man sie bei niedrigem Wasserstande
nur schwer in den Fluss hätte schaffen können. Viele wurden auf dem
Wege nach unten zwischen Felsblöcken und Baumstämmen eingeklemmt
und mussten befreit werden. Glücklicher Weise blieben die Bündel
heil und kamen, nachdem man auch noch den folgenden T a g mit
ihnen zu tun gehabt hatte, wohlbehalten an.
Eine Gesellschaft Buschproduktensucher, Kahäjan Dajak, die uns
entgegen kam, berichtete, dass sie dem Kontrolleur unterhalb des
Kiham Halo, wo er sein Lager aufgeschlagen hatte, begegnet war.
Da das Wasser ebenso schnell fiel als es gestiegen war, konnten wir
am 7. Mai ruhig nach Long Döho weiterfahren.
Bei unserer Ankunft trafen wir nur den alten Häuptling Bo A d j ä n g
L e d jü mit einer grossen Anzahl weiblicher Familienglieder zu Hause.
Wir wurden in dem verlassenen Hause des Malaien I n o i empfangen, der
aus Bandjarmasin gebürtig und’ hier einige Jahre als Schreiber und Berater
B a n g J o k s tätig gewesen war. E r hatte mit vielen seiner Stammesgenossen
in einer der Schulen, welche die Rheinische Mission in der
„Zuider-Afdeeling” errichtet hat, seine Bildung genossen. Auch B a r t h
hatte in seinem Hause gewohnt. Nachdem wir uns eingerichtet hatten,
begannen wir Umschau zu halten und die alten Bekannten zu be-
grüssen.
Obgleich Long Döho ein sehr grosses Dorf ist, eine zahlreiche Bevölkerung
enthält und von Händlern von der Küste, die hier vor
allem in Buschprodukten Handel treiben, viel besucht wird, sieht es
doch baufälliger und vernachlässigter als die Niederlassungen weiter
oben am Flusse aus. Dies ist zum Teil der geringen Energie der
Bewohner zuzuschreiben, die in Uebereinstimmung hiermit unter allen
Mahakamstämmen am meisten an Nahrungsmangel leiden.
Der greise Bo Adjäng, der mich vor zwei Jahren noch humpelnd in
meiner Wohnung besucht hatte, war inzwischen so zusammengefallen, dass
er abgezehrt und mit geschwollenen Gelenken bewegungslos auf seiner
Matratze sass und sich von seinen zahlreichen Töchtern und Frauen
pflegen liess. E r musste ungefähr 90 Jahre alt sein, denn er erinnerte
sich noch, mit etwa 15 Jahren, G e o r g M ü l l e r 1825 bei seinem Vater
gesehen zu haben. A d j ä n g war nämlich der jüngste Sohn des berühmten
Long-Glat-Häuptlings Bo L e d jü A j a , der seiner siegreichen Kriegszüge
wegen als der N a p o l e o n von Borneo bezeichnet worden ist. Da die
Bahau in bezug auf alles, was die Ermordung von G e o r g M ü l l e r
betrifft, sehr verschlossen sind, hatte ich mit A d j ä n g , als einem Augenzeugen,
Bekanntschaft geschlossen. E r erzählte, dass G e o r g M ü l l e r ein
Mann mit einem grossen Bart gewesen se i; auch zeigte er mir M ü l l e r s
Feuersteingewehr, das ich ihm abkaufte. A d j a n g war infolge seines
Alters minder zurückhaltend als die anderen und berichtete mir einiges
über M ü l l e r s trauriges Ende (pag. 281).
Wie ich mich bei Bo A d j ä n g überzeugen konnte, wird die Vielweiberei
bei den Long-Glat-Häuptlingen unter malaiischem Einfluss
in weit höherem Grade als oberhalb der Wasserfälle betrieben. Von
A d j ä n g s zahlreichen Frauen lebten noch fünf, von denen zwei zur
Arbeit bereits zu alt waren, drei aber alle Dienste verrichteten, die
anderswo den Sklavinnen zufallen. Eine der Frauen war so jung, dass
sie erst seit wenigen Jahren seine Gattin sein konnte. Ferner waren vier
verheiratete Töchter anwesend, weil der Tod des kranken Vaters
jeden Augenblick erwartet wurde.
A d j ä n g s ältester Sohn, I b a u A d j ä n g , und zwei Sklavinnen vervollständigten
die Familie, deren Zusammenleben durch Zwistigkeiten aller
Art so unangenehm geworden war, dass man seit meinem vorigen Besuch
ein grosses Wohngemach angebaut hatte, in dem nun zwei Frauen
mit ihren Kindern getrennt lebten-. In dem gleichen Gemache hatten
auch I b a u A d j ä n g und seine' Schwester D e w A d j ä n g ihre eigenen
Kammern, in denen sie schliefen und ihr Privateigentum bewahrten.
Am folgenden Morgen hatte ich meine Toilette noch kaum beendet,
als vier vpn A d j ä n g s Frauen bei mir eintraten und meine Tauschartikel,
von denen ihnen der Kontrolleur viel erzählt hatte, besichtigen
wollten. B a r t h selbst hatte seinen Vorrat bereits in Long Töpai