nicht oft im Stich liessen, machten sie während des Verlaufs der Krankheit
einen sehr erwünschten Effekt.
Die Konstitution meiner Patienten kam mir oft zu Hilfe; aus-
serdem achtete ich darauf, keine zu weit vorgeschrittene Krankheit
anders als mit der Vorausbemerkung, dass meine Hilfe vielleicht nicht
mehr ausreichend sein würde, zu behandeln. Nachdem ich g;emerkt
hatte, dass auch weit vorgeschrittene Krankheiten bei vorsichtiger Behandlung
eine gute Wendung nehmen konnten, stieg mein Selbstvertrauen
und später brauchte ich nur selten einen Kranken für unheilbar
zu erklären.
Betrachten wir nun, was die Bahau selbst über ihren Körper denken
und wie sie ihre Krankheiten bekämpfen, so stossen wir auf die seltsamsten
Vorstellungen. Dass .diese mehr auf Phantasie ö als Beobachtunog
beruhen, sehen wir daraus, dass sie auch von dem, was sie äusserlich
an ihrem Körper wahrnehmen, nur unklare Begriffe haben. Bei meiner
Ankunft waren ihnen Herz- und Pulsschlag noch nicht bekannt, erst
nachdem ich einige Monate unter ihnen praktiziert hatte, erfuhren sie,
dass sie einen Puls hatten, an dem ich häufig den Grad ihrer Krankheit
beurteilen konnte. Da sie im übrigen gut zu beobachten im Stande
sind, kann man hieraus schliessen, dass Herzleiden nur selten bei ihnen
Vorkommen. Ausser einigen auf Beriberi beruhenden Fällen von Herzleiden
erinnere ich mich tatsächlich keine anderen konstatiert zu haben.
Die Schläge der Arteria abdominalis, die sie beim Betasten ihres
Leibes im Fall von Bauchschmerz fühlten, wirkten auf sie sehr beunruhigend.
Immer und immer wieder wurde ich gefragt, ob das Klopfen
nicht die Ursache des Leidens sei. Als ich die Gesunden sich auf den
Rücken legen und auch sie das Klopfen der Arteria abdominalis fühlen
liess, gerieten sie in grosses Erstaunen. Dagegen wissen alle Stämme, dass
sie als Folge der Malaria eine harte Geschwulst an der linken Seite
besitzen. Daher nennen die Dajak von Sambas die Malaria: dgmom
batu == Fieber mit dem Stein; die Kajan am Mendalam nennen die
geschwollene Milz: kälong p r ä — Krankheitszeichen; die Kajan am
Mahakam bezeichnen die Milz als ong erärn = Krankheitskörper.
Von der Dauer einer normalen Schwangerschaft haben die Bahau
nur eine sehr mangelhafte Vorstellung; sie nehmen an, dass sie nur
4^-5 Monate dauert, d. h. so lange,, als sie die äusseren Veränderungen
an der Frau wahrnehmen können. Da mir diese Unwissenheit
kaum glaublich erschien, stellte ich in verschiedenen Gegenden hierüber
Nachforschungen an, aus denen ich merkte, dass die vielen Fehlund
Frühgeburten sowie die sehr verbreiteten Geschlechtskrankheiten
der Frauen das ihre zu dieser falschen Auffassung beigetragen haben.
Dass zur Zeugung Testikel erforderlich sind, wissen die Eingeborenen
ebenfalls nicht, denn sie halten ihre kastrierten Jagdhunde, denen die
Weibchen nicht vollständig gleichgültig sind, für zeugungsfähig.
Alles Weisse, was sie am toten Körper bemerken, wie Nerven,
Sehnen und Blutgefässe, nennen die Bahau ^huwat" , auch nehmen
sie an, dass in diesen die Kraft sitzt. Dass die Arterien der lebenden
Menschen Blut enthalten, ist ihnen nicht bekannt.
Von dem Verstände und dessen Sitz machen sich die Bahau eigenartige
Vorstellungen, die ich ganz zufällig kennen lernte.
Als ich mich auf meiner zweiten Reise einige Tage in Long Tdpai
auf halten musste, suchte ich morgens nach meiner Ankunft einen alten
Patienten, den Häuptling Bo Ibau auf. Der dürre Sonderling mit der
Habichtsnase sass in seiner Kammer und schnitzte einen Schwertgriff
aus Hirschhorn. E r war in früheren Jahren der beste Schnitzkünstler
im Dorfe gewesen, hatte aber seiner Augen wegen die Arbeit lange
Zeit ruhen lassen müssen. Ich traf ihn in guter Stimmung; da er mit
Hilfe der Brille, die ich ihm geschenkt hatte, wieder in der Nähe
sehen und daher die geliebte Schnitzarbeit wieder aufnehmen konnte.
Ibau klagte, dass die jungen Leute heutzutage nur schlechte Arbeit
lieferten und fügte hinzu: „sie haben nichts in ihrem Bauche (djian
hipun nun nun halcini bu tif)." Ich glaubte ihn anfangs nicht gut zu
verstehen und liess ihn die Worte wiederholen; allmählich merkte ich
aber, dass mein alter Freund in der Tat mit dem Bauche zu denken
glaubte. Auch erfuhr Ich später, dass alle Bahau und Könja derselben
Meinung sind.
Den Schlaf fassen die Bahau als den Zustand auf, in dem eine ihrer
beiden Seelen, die bruwa, den Körper zeitlich verlässt. Der Traum
entsteht entweder dadurch, dass die Seele das Geträumte wirklich
erlebt, oder dass die Geister dem Schläfer etwas zuflüstern. Die Träume
der Priester sind besonders bedeutungsvoll. Von der Wohltat eines
erquickenden Schlafes für Kranke haben sie keine Ahnung; wenn einer
ernstlich krank ist, verhindern sie ihn durch Schreien und Schütteln am
Einschlafen, selbst wenn der Kranke den Schlaf sehnlichst wünscht
(Siehe pag. 333).