hat dieser Glaube den Bahau die eigenartigsten Motive für die Verzierung
ihrer Häuser, Waffen und Gerätschaften geliefert. Aus der
Schöpfungsgeschichte der Kajan geht hervor, dass ihre Götter und
Geister vor geschlechtlichen Beziehungen ein Grauen empfinden; hieraus
erklärt sich die abschreckende Wirkung, die der Anblick von Genitalien
auf die bösen Geister übt.
Dass auch das Pflanzenreich zur Abwehr böser Geister vielerlei
Mittel liefert, ist bereits im vorhergehenden Kapitel gezeigt worden,
ebenso dass die Zähne von Hunden, Wildkatzen, Bären und Panthern,
besonders geformte Steine u. s. w. als Schreckmittel benutzt werden.
Die bösen sowie die guten Geister besitzen einen viel weiteren Blick
als die Menschen und sind, wie wir gesehen haben, auch viel mächtiger
als diese; sie bilden für die meisten Bahau das religiöse Element,
mit dem sie sich bei ihrem Gottesdienst hauptsächlich befassen.
Da die guten Geister nicht nur an sich ungefährlich sind, sondern
den Menschen auch alles erdenkliche Gute anzutun bestrebt sind,
die bösen Geister dagegen demMenschen, als Strafe für ihre Missetaten,
alles Unglück übermitteln, haben diese für die Bahau begreiflicher
Weise mehr Interesse als jene. Man hört sie daher viel häufiger von
den gefürchteten bösen als von den harmlosen guten io sprechen.
Obgleich die Bahau an eine wenn auch beschränkte Unsterblichkeit
der Seele glauben, sind sie doch der Ueberzeugung,- dass Tamei
T ing ei ihnen durch seine Diener schon hier auf Erden das Los zuerteilt,
das sie sich durch ihre Lebensweise selbst verdient haben. Diejenigen,
welche die menschliche oder göttliche adat übertreten, erleiden Missgeschick
oder werden krank | sind die Geister sehr erzürnt, so lassen sie
die Schuldigen im Kampfe fallen, verunglücken, sich selbst töten oder,
wenn es Frauen betrifft, bei der Geburt sterben. Alle auf diese Weise
Umgekommenen sind mätei djä-äk, d. h. eines schlechten Todes gestorben.
E s wird ihnen kein ehrenvolles Begräbnis zu T e il; auch gelangen
ihre Seelen nicht in den Himmel A p u Kgsio, sondern an einen
anderen Ort; aber von einer weiteren Vergeltung ihrer auf Erden
begangenen Missetaten im künftigen Leben ist keine Rede.
Den guten Menschen sendet Allvater Glück und Wohlergehen; auch
lässt er sie durch Krankheit eines schönen Todes (mätei saju) sterben.
Ihre Seelen gelangen nach A p u Kgsio, wo sie in einem Ueberfluss an
Nahrungsmitteln schwelgen und nicht zu arbeiten brauchen.
Im Anfang dieses Kapitell ist bereits gesagt worden, dass die
Bahau nicht nur sich selbst, sondern auch allen belebten und unbelebten
Wesen auf Erden den Besitz von Seelen zuschreiben; sie glauben,
dass die Menschen und deren Haustiere: Schweine, Hunde und Hühner,
ferner die Hirsche, grauen Affen und Wildschweine von zwei Seelen,
die übrigen Tiere, Pflanzen und toten Gegenstände dagegen nur von
e i n e r Seele bewohnt werden.
Betrachten wir zuerst die Seelen der Menschen, ihren Charakter
und ihr Schicksal.
Alle Leiden, von Angstgefühlen und quälenden Träumen an bis zu
Missgeschicken und Krankheiten, schreibt der Bahau dem Umstande
zu, dass ein Teil seiner Persönlichkeit zeitweise seinen Körper verlässt;
er nennt diesen nur locker mit seinem Körper verbundenen Teil: bruwa
(malaiisch : mata kanan = rechtes Auge). Einen zweiten Teil seiner Persönlichkeit,
der zeitlebens mit seinem Körper verbunden bleibt, nennt
der Bahau: ton luwci (malaiisch: mata kiba — linkes Auge). Diese
beiden geistigen Teile des Bahau, seine beiden Seelen, spielen sowohl
in seinem Leben als nach seinem Tode eine wichtige Rolle.
Die stets unruhige bruwa entflieht dem menschlichen Körper, nach
Aussagen der Priesterinnen, in Gestalt eines Tie res: eines Fisches,
Vogels oder einer Schlange. Die Fischform verspricht ein langes, die
Schlangenform ein kurzes Erdenleben. Der wichtigste Wohnsitz der
bruwa liegt im Haupte des Menschen, sie verlässt den Leib durch
den Scheitel. Schlägt man ein Kind daher aufs Haupt, so entflieht
seine bruwa leicht.
Eine der wichtigsten Aufgaben der Priesterinnen besteht darin, die
bruwa, die den Menschen schon bei geringen Anlässen, wie Schreck
und Verstimmung, besonders aber bei Krankheit, verlässt, wieder in
den Körper zurückzulocken. Sie tun dies mit Hilfe der Geister aus
dem A p u Lagan und zwar auf sehr verschiedene Weise. Bisweilen
lässt sich die. bruwa schon dadurch besänftigen, dass ein schönes Stück
Zeug auf das Haupt des Patienten gelegt wird; sonst spaltet die
Priesterin in der Dunkelheit das Haupt zum Schein und lässt die
entflohene Seele wieder in ihren alten WTohnsitz zurückkehren.
Bei dem Tode des Menschen verlässt die bruwa den Körper für
immer und zieht nach A p u Kqsio. So viel ich habe erfahren können,
verweilt die Seele auch hier nicht ewig, sondern begiebt sich
später an einen anderen Ort, L a n g it Mengun, und wird erst dort zu
einem wirklichen, ewig fortlebenden Geiste.