Mörder oder seine Familie dem Häuptling ein Schwert, ein Stück
Zeug und einige Hühner übergeben haben und diese mit dem Schwerte
getötet worden sind, fürchtet man sich nicht mehr, durch eine Begegnung
mit dem Mörder den Zorn der Geister zu erregen.
Bevor die Hühner geopfert werden, suchen so viele Leute als möglich
die Tiere zu beissen, damit die Geister an dem auf die Tiere übertragenen
Geruch die Teilnahme aller am Opfer erkennen können und
die Blutschuld ihres Stammesgenossen nicht auch an ihnen zu rächen
suchen.
Darauf legte K w in g I r a n g in einer Zusammenkunft den Eltern des
Mörders eine Busse von xooo Reichstalern auf. Den gleichen Betrag
hatte er dem R ä d j a von Sörawak bezahlen müssen, nachdem er selbst
einen Chinesen getötet hatte, auch hatte er einst von einigen Murun-
gern für den Tod dreier seiner Stammesgenossen die gleiche Summe
gefordert. Um diese Busse zu entrichten, war T e m e n g g u n g I t jo t damals
mit einem Sklaven und allerhand Waren nach dem oberen Mahakam
gezogen.
Viel später erst kamen wir zur Ueberzeugung, dass die Sache sich
so zugetragen haben musste, dass L a s a dem U t a s , als dieser sich lange
vor unserer Ankunft nach dem Murung begab, aufgetragen hatte, ihm
für das Geld oder die Artikel, welche er ihm mitgab, einen Sklaven
oder eine Sklavin zu kaufen. Als Häuptlingssohn fühlte sich nämlich
L a s a , um für voll angesehen zu werden, verpflichtet, einen Menschen zu
töten. Da bei den Bahau selbst Sklaven nicht verkauft werden und ihm
zu einer Kopfjagd Lust oder Gelegenheit fehlte, ergriff er dieses Mittel,
um den Anforderungen seiner männlichen Ehre zu genügen; denn, wie
an anderem Ort bereits gesagt ist, gilt selbst das Töten einer alten Sklavin
bei den Bahau als Zeichen von Mut. Augenscheinlich wollte er sein Geld
nicht verlieren und tötete daher die Sklavin, trotzdem wir uns bei
K w in g I r a n g aufhielten. Dabei beging er die Unvorsichtigkeit, die
Sklavin zu töten, nachdem sie sich bei den Kajan bereits niedergelassen
und gegessen hatte. Aus Furcht, dass wir den Malaien U t a s ,
der in dieser Angelegenheit eine zweifelhafte Rolle gespielt hatte, zur
Verantwortung ziehen würden, hielt man uns den wahren Sachverhalt
so lange verborgen; vielleicht war er auch nur wenigen bekannt.
Auch L a s a schien sich nicht sicher zu fühlen, denn er war sofort
nach den Reisfeldern der Ma-Suling, die hoch oben am Mörase lagen,
geflohen.
Kaum hatte sich die Aufregung über diesen Mord etwas gelegt,
als Berichte aus Long Töpai eintrafen, welche die Bevölkerung noch
weit mehr beunruhigten. Bald nach unserer Rückkehr vom Batu L6-
song war H a d j i U m a r nämlich in Handelsangelegenheiten nach Long
Töpai gezogen und kehrte am 7. Februar 'mit der Nachricht zurück,
dass er die Bewohner von Long Töpai in grösser Aufregung verlassen
habe, weil sechs Siäng vom Murung, die am oberen Töpai Guttapercha
suchten, auf Batang-Lupar Dajak gestossen waren, die den
Wald unberechtigter Weise ausbeuteten. Die Siäng wären mit Erlaubnis
des Häuptlings Bo L e a von Long Töpai den Fluss bis zu seinem
Ursprung hinaufgefahren und hatten in dem für gewöhnlich gänzlich
unbewohnten Gebiete hacken gehört. Als sie vorsichtig heranschlichen,
sahen sie zwei Männer, die im Begriff waren, eine Sagopalme zu fällen.
Durch einen kleinen Hund, der fortlief, aufmerksam gemacht begannen
die Männer, dem Berichte nach, mit vergifteten Pfeilen auf die Siang
zu schiessen, ohne sie zu treffen, worauf diese mit Gewehrschüssen
antworteten. Die beiden Männer ergriffen die Flucht, wurden aber
von den Siang verfolgt, die schliesslich auf eine nach Art der Batang-
Lupar gebaute Hütte stiessen, die mindestens 30 Personen beherbergen
konnte.
Die Bande schien in grösser Eile geflohen zu sein, denn sie hatte
Schwerter, Kochtöpfe und eine grosse Menge Guttapercha zurückge-
lassen. Die Siäng, die sich in dieser Umgebung nicht sicher fühlten,
kehrten nach Long Töpai zurück und nahmen als Beweis für ihr
Erlebnis Guttapercha und allerhand Gegenstände mit: Die zweifellose
Nähe der Batang-Lupar, vor denen man am oberen Mahakam stets
Furcht empfindet, rief bei den Bewohnern von Long Tgpai einen
solchen Schrecken hervor, dass sie sich sofort rüsteten, um auf den
Feind loszugehen. Man beschloss jedoch, bevor man zur Tat schritt;
?ei es auf Anraten H a d j i U m a r s , sei es, weil die Häuptlinge selbst es
für sicherer hielten, die Angelegenheit erst mir und B a r t h vorzulegen.
Daher kam U m a r uns melden, dass am folgenden Tage Bo T i jü N G j
der älteste, vornehmste und einflussreichste Mann von Long Tgpai,
zu uns kommen werde, um die Sache mit uns zu beraten. Dieser
Vertrauensbeweis der Long-Glat, deren Gesinnung uns gegenüber bisher
stets zweifelhaft gewesen war, gewährte uns eine grosse Genugtuung,
auch freuten wir uns, den Bahau beweisen zu können, dass wir
ihnen bei gegebener Gelegenheit ernstlich beistehen wollten. Wir über-
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