Von dieser Stelle an fiel der Pfad so steil ab, dass man bis in das
Tal hinunter mehr gleiten als gehen musste. Im Tal lagen grosse
Mengen scharfkantigen Gesteins, das sich durch seine leuchtende Weisse
lebhaft von der dunkelgrünen Umgebung abhob; es waren die Reste
einer Goldmine, welche die Pnihing hier früher angelegt, jetzt aber
verlassen hatten. Der Howong hatte so viel von diesem Gestein mitgeführt,
dass es noch in einer Entfernung von vielen Kilometern im
Flussbette Bänke bildete. Für unsere beschuhten Füsse war das,Gehen
auf den spitzen Steinen angenehmer als auf dem runden Geschiebe
des Bötjai, unsere barfüssigen Träger dachten allerdings anders und
waren froh, als wir weiter unten im Flussbett wieder die gewöhnlichen,
runden Geröllsteine antrafen.
Bereits bei Beginn unserer Wanderung war unser Führer U d ja n
sehr schweigsam gewesen und hatte uns weder über den Weg noch
über die Möglichkeit, noch am gleichen Tage die Niederlassung der
Pnihing zu erreichen, viel mitgeteilt. Er hatte in den letzten Tagen an
Fieber gelitten; jetzt blieb er ständig zurück und klagte über unseren
schnellen Gang. Als er endlich merkte, dass Eile dringend notwendig
war, raffte er sich auf. Mittags erreichten wir das Nebenflüsschen, das
U d ja n uns als geeigneten Platz zum Uebernachten angegeben hatte;
unter den gegenwärtigen Umständen konnte -davon aber keine Rede
sein. Zwar wartete ich hier alle meine zurückgebliebenen Träger ab,
erklärte diesen aber sogleich, dass ich in der Hoffnung, das Pnihing-
haus zu erreichen, bis zum Einbruch der Nacht den Marsch fortsetzen
wolle; vom Lökudjang aus gesehen, war mir nämlich der Abstand
nicht . sehr gross vorgekommen. Meine Erklärung wurde von allen,
hauptsächlich von T ig a n g , mit verdrossener Miene aufgenommen. Ich
machte jedoch T i g a n g darauf aufmerksam, dass ihm jetzt, wo er mich
zum ersten Mal begleitete, sein Ehrgefühl gebieten müsse, nicht zurückzubleiben.
Das sah er auch ein und zeigte sich zum Weitergehen
bereit. Noch einige Stunden ging es im Bette des Howong abwärts,
dann trafen wir auf frühere Reisfelder, die wir, um grosse Windungen
des Flusses abzuschneiden, durchquerten.
Gegen 3 Uhr erreichten wir die neuen Reisfelder der Pnihing. Die
freie Aussicht, die wir hier wieder einmal genossen, und die Gewissheit,
in der Nähe menschlicher Wohnungen zu sein, die wir seit 40 Tagen
nicht gesehen hatten, belebten meine Kräfte. Um 4 Uhr befand ich
mich endlich mit U d ja n und einem Malaien vor dem eingekerbten
Baumstamm, der als Treppe zum hohen Pnihinghause hinaufführte;
es kostete mich aber einige Mühe, meine erschlafften Glieder noch
diese letzten 4 Meter hinaufzubefördern. Zwei Stunden darauf langten
auch meine Träger an.
Das Haus erschien fast leer; auf der Galerie befanden sich nur eine
alte Frau und ein Kind,die mit Erstaunen den erstenWeissen betrachteten,
der sich bei ihnen zeigte. Am u n L i r u n g Vater von L i r u n g ) kam
mir aber sogleich vor seiner Wohnung entgegen. E r schien sich bereits
über die Begrässungsform der Weissen unterrichtet zu haben, denn
er reichte mir die Hand; auch- erzählte er, dass beinahe niemand im
Hause anwesend war, da fast alle Familien augenblicklich auf den
Reisfeldern wohnten. Hierauf verschwand er eiligst o in seiner Wohnunog ,*
aus der er sehr bald mit einer Sklavin und einigen Rotangmatten
wieder zum Vorschein kam. Die Matten breitete er für mich und mein
Gepäck auf dem Boden der Galerie aus. Nachdem wir uns niedergelassen
hatten, begann die Unterhaltung. Mein Gastherr zeigte sich
als lebhafte, gesprächige Natur, machte mir aber im übrigen: einen
so wenig vertrauenerweckenden Eindruck, dass ich mir die Geringschätzung,
mit der die weiter unten am Flusse wohnenden Pnihing-
und Kajanhäuptlinge mir aui meiner vorigen Reise von ihm gesprochen
hatten,, sehr wohl erklären konnte. Seine Frau H in a n L i r u n g
fits Mutter von L i r u n g ) blieb vorläufig noch verborgen, ich suchte sie
aber, auf Anraten T i g a n g s , später in ihrem Wohngemache auf. Sie
empfand über unsere Ankunft weder Angst noch Unwillen, sondern
schien ganz von den Vorbereitungen für unseren Empfang in Anspruch
genommen zu sein. Bei meinem Eintritt kniete sie gerade vor einem
grossen Topf mit Reis und Bataten. Sie hatte mit ihrer Fürsorge das
Richtige für unseren Empfang getroffen und besass, wie ich später
bemerkte, in der ganzen Häuptlingsfamilie am meisten Verstand,
den sie auch in wichtigen Angelegenheiten des Stammes gut zu gebrauchen
wusste. Meinem Diener übergab sie für mich eine Portion
Reis und ein Ei und versprach auch etwas Früchte.
Als ich draussen auf der Galerie an die Aussenwand gelehnt in
dem herrlichen Gefühl sass, -wieder ein festes Dach über mir und
einen trockenen, ebenen Boden unter mir zu haben, bemerkte ich einige
Malaien, die von der Mahakamseite aus den Howong durchwateten
und bald darauf vor uns erschienen. Sie erzählten, dass K w in g I r aN g ,
der Kajanhäuptling vom Blu-u, der mir bis an die Mündung des Howong