selbständig mit Allvater in Verbindung treten können, halten sie
unter Umständen doch noch eine besondere Vermittlung durch berufene
Personen für notwendig. Durch die Erfahrung belehrt, dass auch eine
gewissenhafte Beobachtung der Vorzeichen und Verbotsbestimmungen
nicht im Stande ist, sie vor Krankheit und Unglück zu schützen,
wenden sie sich in schwierigen Fällen lieber an Menschen, die ihrer
Meinung nach der Geisterwelt näher stehen als sie selbst, um Rat
und Hilfe.
Eine eigentliche Priesterkaste existiert bei den Bahau nicht; die
Personen, die eine Vermittlung zwischen Volk und Geisterwelt übernehmen,
behalten ihre sonstigen Berufe als Ackerbauer, Hausfrauen
u. s. w. stets bei. Die Zahl der weiblichen Priester ist eine weit grössere
als die der männlichen; sie alle werden däjung (singen = däjung) genannt.
Die Pflichten der dajung sind sehr mannigfaltig; ihre Hilfe wird
bei bösen Träumen, Krankheit, Tod und Unglücksfällen von ihren
Stammesgenossen beansprucht; eine wichtige Rolle spielen sie auch,
wie wir später sehen werden, bei den Ackerbaufesten. Die däjung
sind zugleich auch die Gebildeten und Weisen des; Stammes; denn
sie sind es hauptsächlich, welche die Ueberlieferungen des Stammes
bewahren, ausser der göttlichen auch die weltliche adat kennen, sich
stets auf der Höhe der medizinischen Wissenschaft erhalten und diese
auch praktisch anwenden.
Die däjung halten Versammlungen und Lehrstunden, in welchen
die Jüngeren zwei Jahre lang unterwiesen werden. Die jungen Priester
haben eine Probezeit zu überstehen, in welcher sie allerhand unangenehme
Dinge tun müssen, wie z. B. Erde essen. Während der
Lehrzeit tragen die Priesterinnen bei Festen Röckchen mit weissem
Mittelfelde.
Trotzdem ich alle Ackerbaufeste bei den Mendalam Kajan mitmachte,
beobachtete ich exaltierte Zustände der däjung nur in rudimentärer
Form. E s war beim Neujahrsfeste, als eine der Haupt-
priesterinnen, T ip o n g I g a ü , den Geistern die auf einem Opfergerüst
(lasa) ausgebreiteten Geschenke als Opfer anbot. Sie umkreiste in
immer schneller werdendem Tanze das Opfergerüst, bis sie zuletzt an
ihm emporkletterte und es schüttelte, als wollte sie die Opfer gen
Himmel steigen lassen. (Siehe Kap. VIII).
Um ihr priesterliches Amt antreten zu können muss die junge
däjung zuvor durch einen guten Geist beseelt werden. Der Vorgang
der Beseelung wurde mir erst bei den Mahakamstämmen klar; ich
beobachtete indessen bereits bei den Mendalam Kajan, dass einer
jungen Priesterin eine am Opfergerüst befestigte Schnur in die Hand
gegeben wurde, längs welcher der Geist sich auf sie herablassen sollte;
eine ältere Priesterin weihte sie unterdessen in die Geheimnisse der
priesterlichen Wissenschaft ein.
Bei den Bahau fehlt es zwar nicht an Frauen mit allerhand Nervenkrankheiten
wie Epilepsie, sie gehörten aber nie zu den däjung, die
alle als brave Hausmütter und -väter ihren Pflichten auf ruhiee Weise
nachkamen.
Die däjung geniessen seitens des Volkes grosse Achtung; selbst
wenn die Ungeschickteren unter ihnen bei den religiösen Tänzen oft
unverständliche und komische Sprünge und Bewegungen ausführen,
erregen sie doch nie die Heiterkeit der Zuschauer.
In sexueller Hinsicht spielen die däjung auch durchaus nicht die
Rolle der blian (Priesterin) und des basir (Priester) • am Barito, ihr
sittliches Leben ist untadelhaft.
Das Priesteramt verschafft an und für sich keine besonderen Vorrechte
und Vorteile. Die eifrigen und gewandten däjung können allerdings,
trotzdem sie einen Teil ihrer Einnahmen den sie beseelenden
Geistern un'd höheren Göttern opfern müssen, sich durch ihr Amt
eine reiche Erwerbsquelle erschliessen.
Die Priesterinnen sind verpflichtet, den Verbotsbestimmungen strenger
als die Laien nachzukommen.
Aeusserlich unterscheiden sich die däjung von den Laien nur, wenn
sie ihres Amtes walten, durch ein bis mehrere besondere Armbänder
und bei festlichen Gelegenheiten durch schöne, auf besondere Weise
geschlungene Schale.
Jede Niederlassung am Mendalam besitzt ihre eigenen däjung, die
mit einander in keiner Verbindung stehen; auch sind die religiösen
Gebräuche selbst bei benachbarten, verwandten Stämmen von einander
etwas verschieden.
Die däjung bedienen sich während ihrer Amtshandlungen einer besonderen,
älteren Sprache, die von der gegenwärtigen verschieden ist
und dahaun to (Geistersprache) genannt wird.
Ausser durch die Sprache treten die däjung mit den Geistern auch
durch Herstellung verschiedener Gegenstände in Verbindung, die sie
selbst teils als Ausdruck ihrer Wünsche, teils als Opfergäben betrachten.