66 Standesunterschiede.
legenheit, sich durch persönliche Eigenschaften eine einflussreiche Stellung
zu verschaffen ; sie können sogar in die Priesterschaft aufgenommen
werden und sich durch ihr Amt ein bedeutendes Einkommen erwerben
; auch können sie es im Kriege bis zum Anführer bringen.
In der Häuptlingswohnung essen die Leibeigenen gesondert, auch
schlafen sie in besonderen Abteilungen.
Die Sklaven heiraten meist unter einander, aber eine Verbindung
mit freien Kajan gehört nicht zu den Seltenheiten. Die Freien übernehmen
durch eine Heirat mit Sklaven deren Verpflichtungen, sie
„heiraten in die grosse Wohnung” = „ngahawa halam amin a ja ,” wie
der offizielle Ausdruck lautet. In Wirklichkeit aber zieht das junge
Paar nur selten in die Häuptlingswohnung, meist erhält es eine selbständige
Wohnung im grossen Hause.
Erfolgt Scheidung, so tritt der Freie in seinen früheren Stand zurück
und die Kinder folgen teils dem Vater teils der Mutter; eine
besondere Bestimmung hierüber habe ich nicht ausfindig machen können.
Als allgemeines Eigentum des Stammes dürfen die Sklaven nie
verkauft, bei Erbschaft verteilt oder bei der Heirat eines Häuptlings
von ihm in eine andere Niederlassung mitgeführt werden. Den Sklaven
wird nur selten gestattet, in ein anderes Dorf zu heiraten.
Man sollte nicht erwarten, dass in einem Staate, in welchem, dank
seiner freien Organisation, der niederste Sklave durch persönliche
Eigenschaften zu Einfluss und Ansehen gelangen kann, das Gefühl für
Standesunterschiede sehr ausgeprägt ist — und doch ist dies bei den
Kajan in hohem Masse der Fall. Sie unterscheiden in ihrem Gemeinwesen
nicht nur Häuptlinge, Freie und Sklaven, sondern zwischen
diesen noch verschiedene Uebergangsstufen und zwar in der Art, dass
eine bestimmte Stellung ihren Familien zwar rechtlich, aber nicht gesellschaftlich,
zukommt. Dem Häuptling wird z. B. nachgerechnet, ob
unter seinen Vorfahren Freie Vorkommen und wie viele, ob Fremde
oder nur Glieder verwandter Stämme in seine Familie hineingeheiratet
haben; von allen diesen Verhältnissen ist sein Ansehen abhängig.
Unter den p a n jin wiederum giebt es Familien, die seit alters zum
Stamme gehören, in die womöglich Glieder der Häuptlingsfamilie durch
Heirat aufgenommen worden sind, die sich nicht mit Fremden oder
Sklaven vermischten und die überdies reich sind; man nennt sie
p an jm saji&fc schöne Freie. Ihre ältesten Glieder üben einen besonderen
Einfluss im Staate. Dagegen giebt es andere p a n jin , denen alle
diese günstigen Umstände fehlen und die daher eine viel tiefere gesellschaftliche
Stufe einnehmen. Sind diese Familien lange arm gewesen
oder haben sie öfters Sklaven oder Glieder fremder Stämme durch
Heirat aufgenommen, so geniessen sie unter ihren Dorfgenossen oft
viel weniger Ansehen als wohlhabende Sklavenfamilien, die kluge und
einflussreiche Glieder zu den Ihrigen zählen.
Die Kajan dichten ihren Häuptlingen gern eine besonders hohe
Herkunft an, so lassen sie A k a m I g a u , dessen Vater vom Mahakam
gebürtig war, von den guten Geistern des Apu Lagan abstammen.
Die Legende lautet folgendermassen:
In alten Zeiten feierte das Haus der Uma-Aging am oberen Kajan
einst das Saatfest (tugal). Nachdem der Häuptling L e d jo A g i n g mit
den Priesterinnen auf dem heiligen Reisfelde (luma la li) alle Zeremonien
ausgeführt und einen p glale (Opfergerüst mit Opferspeisen) errichtet
hatte, bemerkte er beim Nachhausekommen, dass er sein Messer, das
er bei der Arbeit gebraucht hatte, auf dem Opferplatze hatte liegen
lassen. Als L e d jo allein auf das Feld zurückkehrte, fand er dort zu seinem
Erstaunen eine Schar weiblicher Geister aus dem A p u Lagan (Aufenthaltsort
der guten Geister), die die Aufforderungen der Priesterinnen er
hört hatten und sich an den auf dem p ela le niedergelegten Opferspeisen
gütlich taten. Bei L e d jo s Kommen entflohen die Jungfrauen bis auf eine,
die mit ihrem langen, prachtvollen Haar am Opfergerüst hängen blieb
und so dem Häuptling in die Hände fiel. L e d jo nahm das schöne Mädchen
mit der heller Hautfarbe nach Hause und überredete es, als
seine Gattin bei ihm zu bleiben. In damaliger Zeit war es aber im
Kajanlande immer hell, daher schämte sich Jungfrau M a n g vor innigeren
Beziehungen und stieg zu ihrem Himmel hinauf, um von dort
den Schutz des nächtlichen Dunkels in ihre neue irdische Heimat
herniederzubringen. M a n g brachte die Finsternis in einem samit (Palmblattsack)
mit, den sie, zu Hause angekommen, im Gemache niederlegte,
worauf sie sich nach der langen Reise etwas Erholung und
Erfrischung gönnte. Ein neugieriges Kind, das wissen wollte,' was sich
m dem Sacke befand, schnitt ein Loch hinein; da entfloh die Finsternis
und breitete sich zum Schrecken des Stammes über das ganze Land
aus. Die Kajan wussten in ihrer Angst nicht, was sie beginnen sollten
und entwarfen allerhand Pläne, um dem Unglück zu wehren, als die
Hähne zu krähen anfingen und es wieder Licht wurde. Seit der Zeit
kehren Nacht und T a g regelmässig zu den Menschen zurück.