führt werden mussten. War der Gipfel sehr klein oder nur mit Ge-
strüpp bewachsen, wie wir es jedoch nur einmal trafen, so wurden auf
das Fällen der Bäume einige Tage verwandt. Für gewöhnlich war
dieses Verfahren aber wegen der grossen Oberfläche des Gipfels und
wegen der grossen Härte der Gebirgsbäume nicht möglich. Wir wählten
dann den höchsten Baum aus, Hessen die meisten Aeste entfernen und
auf den übriggebliebenen eine feste Plattform bauen, auf der man mit
Sicherheit visieren konnte. Der Auf- und Abstieg auf der primitiven
Leiter war aber sowohl für B i e r als für mich ein Wagstück. In unmittelbarer
Nähe unseres Beobachtungspostens musste ausserdem stets
eine grössere Anzahl Bäume gefällt werden, weil deren Kronen die
Aussicht zu sehr beeinträchtigten.
Wegen der Abreise des Topographen B i e r vor dem Beginn unserer
Expedition ins Quellgebiet des Kajan konnte von einer sorgfältigen
Aufnahme dieser Gegend keine Rede sein. Dafür übernahm
es der Photograph D e m m e n i , den Weg mittelst Handbussole und Schätzung
des Abstandes zu messen, wie er es bereits während der ersten
Reise 1896- 1897 Mahakam mit gutem Erfolg getan hatte.
Auch für unsere topographischen Arbeiten hatten die Eingeborenen
bald eine Erklärung gefunden oder von den Malaien übernommen,
sie glaubten nämlich, dass es uns darum zu tun sei, ihre Schlupfwinkel
zu Kriegszwecken - kennen zu lernen. Wir konnten sie von ihrer
Ueberzeugung nicht abbringen, trotzdem wir darauf hinwiesen, dass wir
uns doch nur an die Häuptflüsse und wichtigsten Berge hielten und
dass B i e r seine Karte ausarbeitete, ohne ihre nächste Umgebung viel
zu beachten. Trotzdem sind wir am oberen und mittleren Mahakam
nie auf Widerstand seitens der Bahau gestossen; diese unternahmen
unserer Arbeit wegen häufig weite Reisen in ihnen selbst unbekannte
Gegenden.
Anfangs hatte es allerdings den Anschein, als arbeite man uns entg
e g e n ; denn nur selten erhielten wir über die Namen kleinerer Flüsse
oder etwas abgelegenerer Berge richtige Auskunft. Entweder behauptete
man, nichts zu wissen, oder man gab falsche Namen an. Zu unserem
Erstaunen stellte es sich aber später heraus, dass mit geringen Aus:
nahmen wirkliche Unwissenheit in bezug auf alles, was sich nicht in
unmittelbarer Nähe des Stammesgebietes befand, vorlag. Selbst hohe,
die ganze Landschaft beherrschende Berge trugen nur bei den in
nächster Nähe wohnenden Stämmen einen Namen. Nur diejenigen,
die zu wiederholten Malen längs des gleichen Flusses gereist waren,
konnten mit einiger Sicherheit dessen Namen angeben.
Die meisten kamen übrigens ihr Leben lang nicht aus ihrer Umgebung
heraus und hatten für alles, was im Gebiet des benachbarten
Stammes lag, kein Interesse. Da wir uns mit Hilfe eines Bahau von
einer Bergspitze aus absolut nicht orientieren konnten, lernten wir bald,
unsere eigenen Erfahrungen und Beobachtungen zu Rate zu ziehen,
sowohl wenn e s 'g a lt, die Identität eines Berges festzustellen, als auch
wenn ein Plan zur Erreichung eines bestimmten Punktes als Beobachtungspunkt
gefasst werden musste.
Sollten unbekannte oder gefürchtete Gegenden besucht werden, so
bildete für die Bahau nicht nur Unwissenheit, sondern auch Angst
um ihre eigene und unsere Sicherheit einen Hinderungsgrund. Unserer
topographischen Arbeit wegen mussten wir immer wieder Bergspitzen
zu erklimmen suchen und gerade vor diesen fürchten sich die Eingeborenen
so sehr, weil die Berghöhlen von bösen Geistern, hauptsächlich
von den Donnergeistern, bewohnt werden. Um die gefürchteten Unternehmungen
zu verhindern, nahmen die Bahau häufig zu falscher oder
entsetzlich übertriebener Auskunft -ihre Zuflucht; den Kern von Wahrheit
mussten wir selbst herauszufinden suchen. Sobald ich aber den
Zug mit einigen ihrer Männer wirklich antrat, taten sie alles, um ihm
einen guten Erfolg zu sichern.
Wenige Hilfsmittel für Untersuchungen aller Art gewähren einem
auf der Reise so viel Befriedigung als die Photographie; sie erfordert
jedoch, je nach dem Ziel, das man verfolgt, und dem Land, das man
bereisen will, eine besondere und sorgfältig gewählte Ausrüstung. Für
ein sehr feuchtes Tropenklima, wie dasjenige von Borneo, sind Apparate
von besonderer Widerstandsfähigkeit erforderlich. Obgleich wir
bei der Zusammenstellung der Ausrüstung die verschiedensten Punkte
eingehend berücksichtigten, wäre es uns ohne die besondere Geschicklichkeit
D e m m e n i s als Mechaniker, der im Stande war, bald dieses, bald
jenes an der Kamera und vor allem an den Wechse 1 k; 1 sse11en zu reparieren,
nicht geglückt, länger als einige Monate zu photographieren.
Hauptsächlich erforderten die neu aus Europa empfangenen Gegenstände,
obgleich sie aus sehr gutem Material verfertigt waren, eine ständige
Ausbesserung; bald krümmten sie sich vor Feuchtigkeit und Hitze,
bald löste sich der Leim und musste durch Schrauben ersetzt werden.