K A P I T E L V I I I .
Rolle des Ackerbaus bei den Bahau und Könja — Religiöse Vorstellungen beim Ackerbau —
Legende von der Entstehung der Ackerbauprodukte — Art der Feldbewirtschaftung — Vorzeichensuchen
bei der Wahl der Felder — Bestimmung der Saatzeit — Perioden des Reisbaus — Bedeutung
der Ackerbaufeste — Saatfest: religiöse Zeremonien5 Masken- und Kreiselspiel —■ Neujahrsfest —
Festgebräuche —I Zweite Namengebung der Kinder — Darbietung der Opfer — Tänze der Prieste-
rinnen — Ringkampf — aron uting = Festtag des Schweinefleischessens — aron kcrtap = Festtag
des Klebreisessens — nangeian = Rundtanz der Priesterinnen und Laien — Schlusszeremöjiien beim
Neujahrsfest.
Die Bahau und Könja sind Ackerbauer; sie widmen sich hauptsächlich
dem Bau ihres wichtigsten Nahrungsmittels, des Reises; alle
übrigen Bodenerzeugnisse spielen daneben eine untergeordnete Rolle.
Der Ackerbau beherrscht im Grunde das ganze Leben dieser Stämme:
ihr Jahr ist das Jahr des Reisbaues, das sie in die verschiedenen
Perioden einteilen, welche die Bearbeitung des Reisfeldes und die
Behandlung des Reises selbst bedingen.
Die Herstellung von Wohnung, Kleidung und sonstigen Artikeln
nehmen die Kajan in der Zeit vor, die der Reisbau ihnen gerade
übrig lässt, vor allem nach dem Jäten der neuangelegten Felder und
in der letzten Ernteperiode. Dinge, die sie jetzt nicht mehr selbst verfertigen
oder gewinnen, wie Salz und einige Arten Zeug, werden den
malaiischen Händlern mit Bodenprodukten bezahlt.
Bei Stämmen, deren Denken so stark vom Ackerbau in Anspruch
genommen wird, nimmt es nicht Wunder, dass sie ihre Vorstellungen
von den ihr Wohl und Wehe beherrschenden Mächten mit diesem in
engen Zusammenhang bringen. Die Geisterwelt steht mit dem Ackerbau
der Bahau in inniger Verbindung, ohne ihre Zustimmung kann
eine Feldarbeit überhaupt nicht vorgenommen werden. Auch fallen alle
grossen Volksfeste mit den verschiedenen Perioden des Reisbaus zusammen.
Da nach der Ernte ein besonderer Wohlstand herrscht, werden,
schon aus praktischen Gründen, auch alle Familienfeste, die einen grossen
Aufwand erfordern, auf das Neujahrsfest am Schluss der Ernte verlegt.
Die beiden mächtigen Geister, Am ei A w i, und dessen Gattin, B u r in g
Um, die nach der Ueberzeugung der Kajan in einer Welt leben, die
unter dem Erdboden liegt, beherrschen den ganzen Ackerbau und lassen
den Ausfall der Ernte grösstenteils vom Benehmen des Feldeigentümers
abhängen, und zwar nicht nur von dessen sittlichem Betragen,
sondern vor allem davon, ob er alle ihnen zukommenden Opfer und
ihre Warnzeichen genügend beachtet hat.
Dem Häuptling fällt eine wichtige Rolle beim Ackerbau zu : er
muss bei den Festen im Namen des ganzen Stammes die vorgeschriebenen
Beschwörungen durch die Priesterinnen ausführen lassen.
Alle religiösen Zeremonien, die der Ackerbau erfordert, finden auf
einem kleinen, besonders zu diesem Zweck angelegten Reisfeld (luma
lu li) statt; hier leitet auch die Häuptlingsfamilie jedes neue Verfahren
des Reisbaus, wie das Säen, Jäten, Ernten ein; die feierlichen Handlungen,
die dabei vorgenommen werden, haben symbolische Bedeutung.
Die Geister walten nicht nur über dem Gelingen oder Misslingen
der ganzen Ernte, sondern sie haben auch die angebauten Produkte:
Reis, Mais, süsse Erdäpfel, Tabak u. s. w. besonders für die Bahau
auf Erden entstehen lassen.
Nach der Ueberlieferung der Mendalam Kajan lebte nämlich in alten
Zeiten, als sie noch das Stammland Apu Kajan bewohnten, ein Ehepaar:
B a t a n g T im o n g N a n g e i und seine Frau U n i a n g B u l a n B a t a n g N g a u i
I n g a n (ihre Namen stehen mit dem Ackerbau in Verbindung, denn
nangei bedeutet das Feiern des neuen Jahres am Ende der Reisernte,
ingan ist ein Reiskorb u. s. f.). Das Ehepaar hatte zu seinem
Kummer keine Kinder und, um sie zu erlangen, ging der Mann, auf
Anraten der Geister, darauf aus, eine bestimmte Art Rotang zu suchen.
Nach mehr als einem Jahr kehrte der Mann ohne Erfolg und völlig
erschöpft heim. Seine Gattin U n i a n g war aber inzwischen gestorben, weil
sie während einer Verbotszeit des Säens genäht und hierdurch den Zorn
der Geister erregt hatte. Ihr Tod hatte sich folgendermassen zugetragen
: Als U n i a n g einmal wieder zu verbotener Zeit bei der Arbeit
sass, fiel durch das Dach eine Nadel vom Himmel gerade auf ihren
kleinen Finger, der zu bluten begann. Die Blutung war nicht zu stillen und
so musste die Frau allmählich verbluten; aus ihrem hervorquellenden
Blute entstand aber Reis (p a r e i) und nach ihrem Tode aus dem Rumpf
Bananen (pule), aus ihren Haaren Zuckerrohr (Igwoj, aus ihren Oberarmen
k la d i, aus ihren übrigen Körperteilen andere mit dem Reis zugleich