einen unvergesslichen Eindruck von ihm erhalten. Damals machte ich
die Fährt mit einem ausgedienten Regierungsdampfer; infolge der
starken Anspannung brach eine Maschinenstange,- so dass wir lange
liegen bleiben und mit einer kleinen, an Bord befindlichen Schmiede
den Bruch zu heilen suchen mussten. Als die Schmiede an Land gebracht
wurde, bekam ich, durch den Vergleich mit den am Ufer arbeitenden
Menschen, einen Begriff von den riesenhaften Dimensionen
der Urwaldbäume. Für gewöhnlich verliert man in der Beurteilung der
Tropennatur gar bald jeden Massstab.
Die Landschaftsbilder, die sich auf der weiteren Fahrt vor uns
entrollten, hatten viel Europäisches an sich; mit der Nipa waren
nämlich die charakteristischsten Repräsentanten des Pflanzenreichs im
indischen Archipel, die Palmen, verschwunden; sie zeigen sich in den
aequatorialen Wäldern Borneos, mit wenigen Ausnahmen, nur da, wo
der Mensch sie hinpflanzte. Gewöhnlich geben ihre Federkronen den
Ort an, an dem Menschen wohnen oder gewohnt haben. Erblickt man
daher einen Tropenwald aus der Ferne, von oben oder von der Seite,
so sieht man nur Laubbäume; aus der Nähe betrachtet verschwindet
jedoch dieses europäische Aeussere; das einfarbige Bild löst sich nach
der grossen Verschiedenheit der tropischen Baumarten, die hier neben,
über und durch einander wachsen, in eine unendliche Mannigfaltigkeit
grüner Schattierungen auf.
Während der beinahe zwei mal 24 Stunden dauernden Fahrt nach
Sintang verändert sich die Gegend nur wenig; der Strom wird breiter
und breiter, bis bei Tajan, dem Wohnplatz eines Kontrolleurs, die
Ufer 1500 m von einander entfernt sind, so weit, dass man die Bäume
der gegenüberliegenden Seite schwer unterscheiden kann. Der Dampfer
hielt0 nicht an, um dem Beamten Nachrichten von der Aussenwelt
zukommen zu lassen, die ihm in seinem Einsiedlerleben, als einzigem
europäischen Repräsentanten der Regierung, einige Abwechslung gebracht
hätten. Der Kontrolleur verwaltet ein Gebiet von der Grösse
einer Provinz seines Vaterlandes, auf dem sich jedoch nur hie und
' da eine ..-Niederlassung von Dajak oder Malaien unter dem patum-
bahan (Fürst) von Meliau befindet.
Endlich brachten einige Hügelreihen mit unregelmässigen Formen
etwas Abwechslung in das Bild; sie waren aber nicht hoch genug,
um die majestätische Wasserfläche zu beherrschen. In der ersten Nacht
passierten wir Sanggau, an dem wir vorbei dampften, um so schnell
als möglich Sintang zu erreichen. Am 26. Mai erwachten wir dort;
um unsere Nachtruhe nicht zu stören, hatte der Kapitän kein Signal
mit der Dampfpfeife ertönen lassen.
An der Mündung der Mölawie erbaut, hat Sintang, wie alle grossen
malaiischen Wohnplätze, eine vorzügliche Lage, um auf den Handel
der im Gebiet der Mölawie wohnenden Dajak einen beherrschenden
Einfluss auszuüben, d. h., nach malaiischer Auffassung, so viel Steuern
als möglich zu erpressen. Diesem erhebenden Streben der malaiischen
Fürsten ist nun durch die indische Regierung Zaum und Zügel angelegt
worden; aber sie haben doch stets eine starke Festung mit 150 Mann
Besatzung vor Augen nötig, um sich in ihre Beschränkung zu fügen.
Zu meiner Freude konnte ich in Sintang verschiedene alte Bekannte
begrüssen ; im übrigen hatte ich aber keinen Grund, mich hier lange
aufzuhalten, denn auf dem Markt fand ich nur einen einzigen für den
oberen Kapuas brauchbaren Artikel. Ich setzte jetzt alle Hoffnung
auf den Markt von Bunut und auf die Chinesen, die von dort aus
in grossen, verdeckten Magazinböten ihre Handelsartikel nach Putus
Sibau hinaufrudern.
Nachdem wir in Sömitau, einer Station auf unserer ersten Expedition
im Jahre 1894, den Kontrolleur besucht hatten, ging es schnell
den Fluss aufwärts bis nach Bunut, das wir am 28. Mai abends
erreichten. Weiter aufwärts wurde die Fahrt nachts gefährlich wegen
der grossen abwärts treibenden Baumstämme und der im Fluss versunkenen
Stämme (einige Eisenholzarten haben ein sp. Gewicht von
etwa 1.2),. die bei Hochwasser durch den starken Ström immer weiter
verschoben werden.
Oberhalb Sömitau trugen die Ufer des Kapuas einen anderen Charakter;
die ununterbrochene Buschvegetation war verschwunden, man
sah nur niedriges Strauchwerk, das auf den von Malaien und Dajak
verlassenen Izdang (trockenen Reisfeldern) aufgeschossen war.
Der chinesische Markt in Bunut enttäuschte mich, was seinen Vorrat
an Perlen und seidenen Tüchern betraf, zum Glück nicht; wir waren
aber doch schon um 8 Uhr morgens mit unseren Einkäufen fertie
und konnten sogleich weiter nach Putus Sibau hinauf fahren.
Unterwegs hatte ich aufs neue Gelegenheit, mich davon zu überzeugen,
mit welcher enormen Schnelligkeit sich das Pflanzenreich eines verlassenen
Kulturbodens wieder bemächtigt. Vor zwei Jahren hatte ich
mich über die grosse Zahl der am linken Ufer angelegten Reisfelder