Während unser Gepäck und unsere Schlafstätte geordnet wurden,
begab ich mich zur Häuptlingsfamilie, deren Kinder alle fieberkrank
waren. Die Aeltesten standen dermassen unter dem Eindruck des
weissen Doktors, dass sie das bittere Chinin ohne viel Widerstreben
hinunterwürgten ; einem kleinen Knaben dagegen konnte ich die Arznei
nur in Pillen mit etwas Zuckerrohrsaft beibringen.
Am jenseitigen Ufer lag ein freistehender Hügel von 180 m Höhe,
der Batu Marong, der uns einen schönen Ueberblick über die Umgebung
versprach; ich bestieg ihn daher noch am selben Abend, um
von dort aus mit B i e r über die Aufnahme des Mßrase zu beraten.
Ein steiler, halb wieder verwachsener Pfad führte uns auf den Gipfel,
auf dem nur zwei Bäume und einige Sträucher standen, so dass wir
bald eine Aussicht auf die von der Abendsonne beleuchtete Landschaft
erhielten.
Wir fanden für die Hartnäckigkeit, mit der die Ma-Suling am Mgrase
wohnen bleiben, darin eine Erklärung, dass der Fluss durch ein besonders
breites und ebenes Tal strömt, das für den Reisbau sehr
geeignet sein muss. Hiervon zeugte der Pflanzenwuchs, denn das
dunkle, wellige Grün des Urwaldes war erst in einigem Abstand an
den Bergabhängen zu sehen, während die helleren, ebeneren grünen
Massen des jungen Waldes und der Strauchvegetation die Stellen andeuteten,
welche die Ma-Suling einst bereits bebaut hatten. Von alang-
alang und Gras, die an anderen Orten so bald auf kultiviertem Boden
auftreten, bemerkten wir nichts.
Die Landschaft entzückte uns so sehr, dass es einige Zeit dauerte,
bis wir über die topographische Aufnahme ernstlich zu beraten anfingen.
Nach Norden hin, wo sich das hohe, steile Kalkgebirge, in
dem der Sörata, Mgrase, TSpai und Nijän ihren Ursprung nehmen, mit
seinen malerischen Formen erhob, war der Blick besonders anziehend.
Die mächtigen, hellen Wände sind ihrer Steilheit wegen nicht bewachsen
und heben sich daher von dem Grün ringsherum schön ab. Wir waren
hier von den höchsten, spitzen Gipfeln des Kalkgebirges, dem Batu
Matjan Und Batu Brok, die nach beiden Seiten hin nur allmählich in
vielgipflige Rücken auslaufen, nicht weit entfernt.
Ausser von diesen Bergen wurde die Aussicht nicht beeinträchtigt,
s o dass sich dieser Hügel für B i e r als Beobachtungspunkt, von dem
er die nächste Umgebung und verschiedene Berge anvisieren konnte,
ausgezeichnet eignete. Von dem Quellgebiet des Mahakam, das im
Norden liegen musste, konnten wir uns von hier aus keine Vorstellung
machen, doch schien dies uns von einem alleinstehenden, hohen Berge
am oberen Mgrase aus möglich zu sein, daher beschlossen wir, ihn
zu besteigen. Vielleicht konnten wir von diesem aus auch den Batu
Tibang entdecken, auf dessen Abhängen die Hauptflüsse des Stammlandes
der Bahau und KSnja entspringen und der daher als der Mittelpunkt
der Welt angesehen wird. Wir hatten uns bereits vom Lgkudjang
und Batu Mili aus vergeblich nach dem Batu Tibang umgesehen, der
uns auch als Grenzzeichen zwischen englischem und niederländischem
Gebiet von Wichtigkeit erschien; ebenso hatten wir vergeblich versucht,
B e l a r e z u einem Zuge nach dem ersehnten Berge zu bewegen.
Auf eine zuverlässige Auskunft seitens der Mä-Suling konnten wir nicht
rechnen, da diese selbst für die ins Auge fallenden Gipfel des hohen
Kalkgebirges, das sie täglich vor sich sehen, keine besonderen Namen
besitzen und sich von dem Verhältnis dieser Berge zu denen am oberen
Sörata, Töpai u. s. w. keine Vorstellung machen können. Sie wussten
nur, dass der Berg, den wir besteigen wollten, Situn heisst und, wie
beinahe alle alleinstehenden Berge, von gefürchteten Geistern bewohnt
wird. Während wir uns abends in weitem Kreise sitzend unterhielten,
erzählten uns einige Siang Dajak vom Barito, die hier für die Zeit, wo
sie im Tal des Mürase Guttapercha suchten, verheiratet waren, etwas
Näheres über das Gebiet am oberen Mörase, in dem sie an äusserst
steilen Bergabhängen gearbeitet hatten. Eine genauere Vorstellung von o o ö ö O
den Flusstälern in dieser Gegend hatten jedoch auch sie nicht.
Die Ma-Suling kannten zwar einen Weg, der auf den Situn führte,
aber dieser begann am Tasan, einem kleinen Nebenfluss des Mörase,
den L e d ju L i wegen des Todes seines Vaters für buling oder lä li
erklärt hatte; somit hatten wir wenig Hoffnung, diesen günstigen Aussichtspunkt
zu erreichen.
Am folgenden Tag traf K w in g I r a n g mit den Seinen bei uns ein'
und versprach, mit L e d ju , sobald dieser nach Lulu Siräng kommen
würde, über die Angelegenheit zu reden. Nach einigem Zögern war
auch O b e t . D e w o n g bereit, uns zu begleiten, und K w i n g I r a n g wollte
uns für den Zug seinen besten Ratgeber S o r o n g und acht Kajan
zur Verfügung stellen.
Die Häuptlinge hatten noch ein besonderes Interesse an dieser
Exkursion; nach der Ueberlieferung stammen nämlich alle Pflanzen,
die man bei religiösen Zeremonien auf dem Reisfelde gebraucht und