Ihrer Schöpfungsgeschichte (pag. 129) zufolge sind die Bahau aus
unbelebter Materie und zwar aus Baumrinde hervorgegangen. Das
Leben wird erst durch die beiden Seelen „bruwa” und „ton luw a" in
den Körper gebracht (Näheres Kap. V).
Alles, was die bruwa zum Entfliehen bringt, verursacht Krankheit.
Da die bruwa auf die gleiche Weise wie der Mensch denkt und empfindet,
kann sie durch alles, was diesen erschreckt, vertrieben werden,
wodurch der Körper krank wird. Die Priester suchen daher, um einen
Kranken zu heilen, dessen entflohene Seele in den Körper zurückzulocken.
A u f dieser Vorstellung basieren im Grunde alle Heilmethoden
der Priester. Das Einfangen der Seele geschieht mit Hilfe der guten
Geister aus dem A p u L a g an, der Vermittler zwischen Hauptgöttern
und Menschen.
Zum Glück sind sie in ihrem Vertrauen auf die Hilfe der Geister
nicht so blind gewesen, dass sie den günstigen oder ungünstigen Einfluss
einiger Faktoren auf den Verlauf einer Krankheit nicht selbst bemerkten.
Hieraus hat sich bei ihnen ein sehr kompliziertes diätetisches System
entwickelt, das neben den Beschwörungen der däjung bei jeder Krankheit
angewandt wird.
Im allgemeinen sucht man die Krankheit dadurch zu bekämpfen,
dass man sich verschiedener Speisen, des Badens, schwerer Arbeit
etc. enthält. Für die verschiedenen Leiden bestehen auch verschiedene
Vorschriften, die man gegenwärtig unmöglich als Bussen auffassen
kann; sie sind teilweise auch so treffend gewählt, dass sie auf persönlichen
Beobachtungen und Erfahrungen beruhen 0 o müssen. Bei den
Kajan am Mendalam gelten folgende Vorschriften:
Verboten ist bei Diarrhoe: harter Reis, Zuckerrohrsaft, Bananen,
Klebreis, gekochte Bananen, kaltes Wasser, einige Arten Fische, Baden
bei hohem d. h. kaltem Wasser; erlaubt sind: weich gekochter Reis
und gute Fische.
Verboten ist bei Fieber: kaltes. Wasser, Zuckerrohrsaft, Zucker,
Gebäck und Baden bei Hochwasser.
Verboten ist bei Husten: k$ladi, Zucker, Zuckerrohrsaft, gerösteter
Klebreis, Gurken, Rauchen, Betelkauen und. schwere Arbeit.
Bei einer Knieentzündung verbietet man: Laufen, Treppensteigen,
trockenen und hart gekochten Reis, gedörrten Fisch, Schweinefleisch,
Eier, Salz und essbare Baumblätter.
Berücksichtigt man, dass derartige Verordnungen bei den Malaien
auf Borneo nur in sehr rudimentärer Form vorhanden und dass ein grösser
Teil dieser Vorschriften auch nach der Auffassung europäischer Aerzte
wirklich zweckmässig sind, so erscheinen sie uns für die Bahau um so
anerkennenswerter. Ueberdies sind diese diätetischen Vorschriften in
den Verhältnissen, in welchen die Dajak leben, beim Fehlen eigentlicher
Heilmittel und bei der kräftigeren Konstitution ihrer Kranken
viel wichtiger als bei den Europäern und deren günstigeren Lebensumständen.
Auch für Hautkrankheiten werden zahlreiche Verhaltungsmassregeln
an0ge0g eben und,' da man für diese auch noch wirksame Arzneien besitzt,
sind die Bahau ebensogut als europäische Aerzte im Stande, ihre
parasitären Hautkrankheiten zu kurieren. Bei einer derartigen Kur darf
nicht gebadet, nicht transpiriert und nicht gekratzt werden; auch darf
der Patient keine Süssigkeiten, keinen jungen Bambus, kqladi, Farren-
spitzen, Salz, Schweinefleisch, spanischen Pfeffer und Mehl geniessen.
Da die Heilmittel in Lösung auf die Hautggestrichen werden, sind
die 3 ersten Vorschriften rationell; das Verbot der Speisen jedoch ist
nachteilig, da es die ohnehin schon lästige Kur so sehr erschwert,
dass nur sehr wenige sich ihr mit genügender Ausdauer unterwerfen.
Der Erfolg ihrer Heilmittel ist häufig nur ein zeitweiliger, weil sie von
der kontagiösen Natur dieser Krankheiten keinen Begriff haben und
sich mit ihren eigenen Kleidern, Liegmatten etc. immer wieder von
neuem infizieren.
Die Verbotsbestimmungen bei Krankheiten kommen den Eingeborenen
so selbstverständlich vor, dass sie mich, wenn ich ihnen eine
Arznei gab, sogleich fragten, was la li, verboten, sei. Meine Vorschriften,
welcher Art sie auch waren, wurden stets treu befolgt. Oft verbot
ich das eine oder aridere nur, um das Vertrauen in meine Arzneien
nicht wankend zu machen. Von besonderer Bedeutung war dies in
einigen Fällen, wo die Befolgung diätetischer Vorschriften von grösserer
Wichtigkeit als das Einnehmen von Arzneien w a r; bei sehr kleinen
Kindern konnte ich oft nur auf diese Weise eingreifen.
Während meines zweiten Aufenthaltes am Mendalam kamen dort
innerhalb dreier Tage 3 Fälle sehr akuter choleraähnlicher Bauchkrankheit
vor. Der erste, in Tandjong Kuda, verlief tötlich, ohne dass ich
den Kranken sah. Am folgenden Tage erkrankte in meiner Nachbarschaft
eine Frau mit allen Choleraerscheinungen, doch half ich ihr
mit einer starken Dosis Landanum den Anfall überstehen. Ein oder