10 Aufbruch nach Pontianak.
Einen Teil des Proviantes und der Tauschartikel sandte ich von
Batavia .aus direkt an die Ostküste von Borneo an den Residenten
von Samarinda zur Aufbewahrung; ich hatte mir nämlich vorgenommen,
wenn unser Zug von West nach Ost glücklich beendet sein würde,
nochmals ins Innere der Insel zurückzukehren, um in das nordöstlich
gelegene gänzlich unbekannte Stämmland aller Bahau und Könja, das
Quellgebiet des Bulungan, vorzudringen.
Zu meinem Verdruss musste ich, wegen der zu langen Dauer der
Reisevorbereitungen, die beste Reisezeit verstreichen lassen. Die kleinen
Quellflüsse des Kapuas sind nämlich nur in der Trockenzeit, der Zeit
nach der Ernte, befahrbar und so kann man die Kajan auch nur
zwischen Juni und September zur Teilnahme an einer Expedition bewegen.
Endlich, am 18. Mai, schiffte ich mich in einem kleinen Dampfer
der „Paketfahrtgesellschaft” in Batavia nach Pontianak ein.
Am folgenden Tage fand meine Reiseungeduld einige Ablenkung
durch den Aufenthalt unseres Dampfers in Billiton; das Aus- und
Einladen von Gütern mit Hilfe von Fähren der sehr eigenartigen Seka
(schwärmende Fischerbevölkerung) bot manches interessante Bild. Von
ihren schwimmenden und lebhaft bewegten Wohnungen aus tauchten
die Seka ins kristallklare Wasser nach Geldstücken, die wir hineinwarfen,
und schienen sich in der blau-grünen Tiefe ebenso sicher zu
fühlen, wie andere auf dem Festlande. Jedoch, trotz allem Schönen,
was ich sah, und allem Interessanten, was mir der Steuermann über
das Leben dieser Fischerbevölkerung erzählte, war es für mich doch
eine Erlösung, als Borneo beim Erwachen am anderen Morgen in
Sicht war und das Schiff bereits kehrte, um sich zwischen dem für
Uneingeweihte unentwirrbaren Labyrinth von Grün, das in Form von
Inseln und weit ins, Meer hineinragenden Landzungen buchstäblich
aus dem Wasser hervorstieg, hindurchzuwinden. Auch zur Ebbezeit ist
hier kein festes Land zu sehen, die hie und da braune Farbe des
Wassers deutet nur auf ausgedehnte Moderbänke. Der höchsten E r hebungen
dieser Bänke hat sich eine eigentümliche Vegetation bemächtigt,
die, mit Hilfe eines mächtigen Gerüstes von zahllosen Luft- und
Stützwurzeln, nicht wenig dazu beiträgt, die vorhandenen Untiefen zu
befestigen und weitere Anschwemmungen zu befördern.
Nur sehr langsam näherten wir uns diesen trügerischen grünen Streifen,
die mit zweifelhaftem Recht den Namen Küste führten; als Verkünder
des weit in der Ferne in einzelnen undeutlichen Bergspitzen sichtbaren
Fahrt nach Pontianak.
Festlandes begrüssten wir sie aber doch mit Freuden. Still glitt unser
Fahrzeug über die spiegelglatte dunkle Wasserfläche, während die strahlende,
aber noch nicht lästig warme Sonne mit ihrem leuchtenden
Glanz das ernste Bild in eintönig grüner Umrahmung zu beleben trachtete.
Weder Mensch noch Tier waren anwesend, um den ersten überwältigenden
Eindruck dieses grossen aequatorialen Landes in seiner
beklemmenden Majestät zu brechen.
Zwischen der! vielen, aus dem Wasser emporsteigenden Wäldchen
steuerte der Kapitän sein Schiff, nach einigen nur ihm bekannten
Kennzeichen, in der Richtung der Kubu, der südlichsten und schiffbarsten
Mündung des Kapuas. Auch diese Einfahrt liess viel zu wünschen
übrig; denn wir mussten einige Zeit warten, bis. die Flut so hoch
gestiegen war, dass sie uns über die Moderbank in die noch immer
durch eine grüne Mauer verborgene Flussmündung tragen konnte.
Mehr die Zeit, als die Tiefe des Wassers, gaben endlich das Zeichen
zum Weiterdampfen; als wir uns nach einer scharfen Biegung vor der
ungefähr 4 ® m breiten Oeffnung in der grünen Mauer befanden, sah
das aufgewühlte Wasser verdächtig moderfarbig aus. Da es sich aber
darum handelte, ob wir hier noch zwölf Stunden warten sollten, oder
nicht, wollten wir doch lieber p r o b i e r e n , ob unser Dampfer nicht ebenso
gut durch den Moder als durch das Wasser dringen konnte. Mit vollem
Dampf wurde die Schraube durch das braune Wasser getrieben,
aber gleich darauf fühlten wir den Kiel durch eine teigige Masse gleiten,
die Schnelligkeit verminderte sich, und plötzlich befand sich der ganze
Vorderteil des Dampfers in einem Wald von Nipapalmen.
Zum Glück war dieser unbeabsichtigte Abstecher nicht verhängnisvoll,
denn von einem festen Ufer war auch hier keine Rede, so dass
da s’völlig auf die Moderbank geschobene Schiff, nach eigenen Drehungen
der Schraube in umgekehrter Richtung, bald wieder mitten in der
Kubu schwamm und seine Fahrt wieder aufnehmen konnte. Bald begann
sich zu beiden Uferseiten der Reichtum der tropischen Vegetation
zu entfalten; die federförmigen Blätter der Nipapalmen (Nipa
fruticans Thb..) bildeten dabei stets einen lichtgrünen Saum um den
dunkleren Urwald.
Das Fahrwasser machte viele Krümmungen und wurde hie und da
so eng, dass es nur für einen kleinen Dampfer mit kräftigem Steuerruder
passierbar war. Bisweilen fuhren wir, um besser wenden zu
können, so dicht unter den Bäumen hindurch, dass wir vor ihren über