Ankunft in Pontianak.
das Verdeck streichenden Aesten flüchten mussten. In einigen Stunden
befanden wir uns endlich in einer breiten Flussverzweigunm « O O ' an deren
Ufern festes Land und Spuren von Kultur sichtbar waren. Kokospalmen
erhoben ihre hohen Federkronen über die niederen Uferbäume, und
für Eingeweihte wurde ein Fusspfad zu den malaiischen Wohnungen,
die nach alter Gewohnheit sorgfältig hinter dem schützenden Wall
von Uferbäumen verborgen lagen, sichtbar. Erst später erschienen
auch einige Malaien in langen, schmalen, kaum über die Wasserfläche
hervorragenden Böten; sie ruderten, um die Strömung zu vermeiden,
unter dem Ufergebüsch.
Je weiter wir fuhren, desto zahlreicher wurden die den Reichtum
dieser Gegenden bildenden Kokosnusspflanzungen. Die Eingeborenen
waren hier weniger scheu; die Kinderschar geriet sogar beim Erblicken
des Dampfbootes in fröhliche Erregung.
In wenigen Augenblicken waren alle Nachen mit kleinen Ruderern
in Paradieseskostüm besetzt, die mit Rudern, Stöcken und Fländen
so schnell als möOg lich in die Mitte des Stromes zu Og elanOg en suchten,'
wo ihre äusserst ranken Fahrzeuge von den Wellen unseres Dampfers
so lange umhergeschleudert wurden, bis sie Wasser fassten und umschlugen.
Dann plätscherte die. braune Bemannung unter fröhlichem
Gelächter im Flüsse herum, kehrte das Boot wieder um, entfernte
mit einigen geschickten Bewegungen das Wasser und schwang sich
wieder in den Nachen.
Als wir uns gegen Mittag dem Hauptstrome näherten, erlangte die
Wasserfläche eine Breite, wie sie im indischen Archipel nur. die stolzen
Ströme von Borneo aufweisen.
A uf der spiegelblanken Fläche war, bis wir Pontianak, den Hauptort
an Borneos Westküste, erreichten, kein lebendes Wesen zu sehen.
Jetzt belebten sich aber die Ufer. Die Häuser standen dicht bei einander
und vereinigten sich, besonders am linken Ufer, zu einem langen
malaiischen kampong (Dorf). Nach ihrer Bauart zu urteilen, hatten
die Malaien auch hier den Begriff des Festlandes noch nicht zu fassen
vermocht; denn vom erkennbaren Ufer aus erstreckten sich ihre Pfahlbauten
bis weit in den Fluss hinein, wo noch einzelne, auf grossen
treibenden Baumstämmen gebaute Häuser den Uebergang von festen
Wohnhäusern zu Fahrzeugen vervollständigten. Aus der Ferne war
der Anblick der unregelmässig bei einander liegenden Gebäude mit
der grau-braunen atap (Dachbedeckung' von Palmblättern) und den
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schwarzen Holzdächern recht hübsch, und die vielen, den Verkehr vermittelnden
Ruderbötchen gaben dem Ganzen ein besonders lebhaftes
Gepräge. In der Nähe jedoch machten sich die unschönen Farben
der schlecht unterhaltenen Wände und Dächer zu sehr geltend; das
Gleiche war auch beim Palast (dalarn) des malaiischen Sultans der
Fall, von dem ein Europäer etwas anderes als ein Durcheinandei
grösser, unansehnlicher Hütten erwartete.
Wir fuhren jetzt am anderen Ufer einer Reihe buginesischer Behausungen
entlang, hinter welchen die hässlichen Hinterhäuser des sehr
grossen chinesischen p asar (Markt) zum Vorschein kamen. Keines
dieser Gebäude war auf den Grund gebaut; alle standen auf Pfählen
im Morast; selbst die bis 10 m breiten Strassen bestanden aus Planken,
die auf Pfählen ruhten.
Einen freundlicheren Eindruck machte' der europäische Teil der
Ortschaft; er dehnte sich mit seinen netten weissen Häusern und grossen
Gärten zwischen dem üppigen Grün des Ufers aus.
Verglichen mit Batavia ist Pontianak ein kleiner Ort; als wir uns
dem Anlegeplatz näherten, erinnerte ich mich aber, wie einst, nach dreijährigem
Aufenthalt auf meinem nördlicher gelegenen Posten Sambas,
dieser Anblick einen ganz anderen Eindruck auf mich machte. Damals,
an kleine, graue, malaiische oder schmutzige, dunkle, chinesische Häuser
gewöhnt, dachte ich unwillkürlich: „wie ist Pontianak doch gross und
schön!” Die Bewunderung schwand aber, bei näherer Ueberlegung,
auch damals sehn eil ( und ich musste über die Veränderung lachen , die
der Mensch unter dem Einfluss seiner Umgebung unmerklich erleidet.
Erklärlicher ist die Stimmung eines Offiziers, der mir erzählte, dass
ihm Tränen in die Augen träten beim Gedanken, dass er hier einige
Jahre verbringen sollte. Und doch -¿4 hat man hier längere Zeit gelebt -
so nehmen die meisten mit Wehmut Abschied. Der „erste Posten wird
stets besonders lange in treuer Erinnerung bewahrt. Ist man an die
Unstätigkeit einer indischen Laufbahn einmal gewöhnt, so fällt es einem
leichter, angeknüpfte Bande wieder zu lösen, aber die beim Abschied
vom ersten Posten vergossenen Tränen sind wahr, und die herzlichen
Abschiedsworte, die man den das Geleite gebenden Bekannten zuruft,
sind im Augenblicke wirklich empfunden.
Bei Ankunft unseres Postdampfers stand, obgleich niemand erwartet
wurde, „ganz Pontianak” in der Mittagsglut auf dem Stege, umgeben
von zahlreichen Eingeborenen mit und ohne Uniform.