erreichte, hatte K w in g I r a n g , der damals weiter oben am Fluss
wohnte, ein malaiisches Haus zu meinem Empfange in Stand setzen
lassen. Ich verbrachte die Nacht vor unserer Begegnung in unruhiger
Erwartung, wusste ich doch aus den Berichten der anderen Stämme,
dass das weitere Schicksal unserer Expedition von der Entscheidung des
grossen Häuptlings des Mahakamgebietes abhing. K w in g I r a n g , der
abends zuvor, nachdem wir uns bereits zur Ruhe begeben hatten, eingetroffen
war, schien ebenfalls auf-^unsere Begegnung gespannt zu
sein; wenigstens war ich noch nicht angekleidet, als er melden liess,
dass er mich begrüssen wolle. Sogleich wurden zwei Klappstühlchen
einander gegenübergestellt und bald darauf sah ich an dem nebenstehenden
Hause eine Reihe Männer hinab- und an unserer Baumtreppe
wieder hinaufsteigen. Der erste, dessen Haupt über dem Boden
erschien, trug eine schwarze Mütze mit breitem Goldrande, unter
der ein ältliches, mageres Gesicht mit eingefallenen Wangen, gerader
Nase und kleinen Augen mit ruhigem, festem Blick zum Vorschein
kam. Dem goldenen Abzeichen nach, das nur er trug, musste der
Mann K w in g I r a n g sein, auch bestätigte mir die Sicherheit seines
Auftretens im Gegensatz zu der Steifheit seines o Gefolog es,' dass der
grosse Häuptling in der Tat vor mir stand. Ich ging ihm einige
Schritte entOg eOg en,' reichte ihm die Hand und forderte ihn auf, sich
mir Og egOenüber auf D e m m e n i s Stuhl zu setzen, was dem verschlossenen
Eingoe borenen einen Ausruf der Verwunderunog entlockte. Augoenscheinlich
war ihm so etwas bei seinen Zusammenkünften mit dem
Sultan von Kutei und dem Radja von Sörawak noch nicht vorgekommen,
denn die Behandlung eines Stuhles war ihm so neu, dass
er im Augenblick, wo er. sich setzen wollte, umgefallen, wäre, w;enn
ich ihn nicht rechtzeitig aufgefangen hätte. Der Unfall brachte ihn
aber durchaus nicht aus der Fassung. Einige Minuten lang sassen
wir einander schweigend gegenüber und lernten uns mit den Augen
kennen. Was mich betraf, so war ich mit dem empfangenen Eindruck
zufrieden und, wie er mir später gestand, ging es ihm ebenso.
K w in g I r ä n g s Körper zeigte noch deutlichere Spuren des Alters
als sein Gesicht; er schien ein Mann von 55 Jahren zu sein, mit
feinem Körperbau, kräftigen Muskeln und geringer Neigung zur Wohlbeleibtheit.
Seine Kleidung zeugte von Sorgfalt; ein Tuch aus blauem
Kattun bedeckte in zahlreichen Windungen die Lenden und ein Schwert
mit schönem Hörngriff hing ihm an einem Rotanggürtel zur Seite. An
Schmucksachen trug er nur einige Halsketten und silberne Ringe von
5 cm Durchmesser, die an seinen weit ausgereckten Ohrläppchen
hingen und unter den offen herabfallenden Haaren hervorkamen. Von
einer Tätowierung bemerkte ich keine Spur.
Das freie Auftreten, die sichere Haltung und der gutmütige Ge-
sichfsausdruck K w in g I r a n g s flössten mir sogleich Vertrauen und die
Hoffnung ein, dass wir einander verstehen würden. Die Vorteile, mit
den Niederländern auf gutem Fuss zu stehen, leuchteten dem klugen
Manne ein und so verständigten wir uns bald über meine weiteren
Pläne. Nachdem der sachliche Teil erledigt war, begannen wir eine
lebhafte Unterhaltung über allerhand Dinge. Ich zeigte dem Häuptling
Bilder und Gewehre, von denen ihn besonders letztere interessierten.
Ueber unserer ersten Begegnung schien ein besonderer Glückstern zu
walten. Während ich nämlich K w i n g I r a n g die Einrichtung eines
Winchester Repetiergewehres sehen liess, ging plötzlich ein Schuss
los, der keinen geringen Schrécken verursachte. Aber glücklicher
Weise schlug0- die KuOg el nur ein Loch in das Dach und,' da keiner
verletzt war, blieben alle auf ihren Plätzen. Ich, hatte wiederum Gelegenheit,
die grosse Besonnenheit meines neuen Freundes zu bewundern,
der die beruhigenden Worte seines Geleites kaum nötig hatte.
Ein rechtes Gespräch wollte jedoch nicht mehr in Gang kommen und
so verabschiedeten sich unsere Besucher bald darauf.
K w in g I r a n g ist vor zwei Jahren, bald nachdem ich Borneo verlassen
hatte, gestorben.
Der Tod dieses klugen, friedliebenden Mannes, der mit weitem
Blick im Interesse seiner Untertanen aüch mit ihm fremden Völkern
Beziehungen anzuknüpfen sich nicht scheute, bedeutet für das Maha-
kamgebiet einen grossen Verlust.
Die Mahakam Kajan waren zwar gern bereit, unser Gepäck bis
zum Mahakam zu tragen, sahen es aber als Aufgabe ihrer Mendalam
Verwandten an, alles Gut, das sich noch beim Kontrolleur befand,
bis zu A m o n L i r u n g z u befördern. Die- Mendalam Träger waren
jedoch nach ihrer Ankunft im Pnihinghause nicht mehr dazu zu bewegen,
auch noch den Rest der Sachen abzuholen, was ich ihnen in Anbetracht
ihrer hungerigen Mägen nicht verdenken konnte. Gegen hohen
Preis gelang es mir, unseren Ma-Suling Trägern noch etwas Reis zu
verschaffen und den Kajan teilte ich mit, dass sie' unterwegs T i g a n g