Tibab bereits im Jahre 1894 mit Professor M o l e n g r a a f f bestiegen,
um von hier aus einen Ueberblick über das durchreiste Gebiet und
das Kapuas-Kettengebirge nördlich des Bungan zu erhalten. Zwei
Jahre später hatte ich mit Demmeni dort einige photographische Aufnahmen
gemacht.
. Auch der Kontrolleur B a r t h wollte das interresante Panorama des
Liang Tibab sehen, und so machte er sich denn am 14. September
bei herrlichem Wetter mit uns auf den Weg. Ein Bungan Dajak
führte uns durch den Wald bis an den Fuss des Berges, von wo iu s
wir nach einer kleinen Kletterei bald auf den bekannten Pfad gelangten.
Dieser war inzwischen so stark mit jungen Bäumen und
Sträuchen bewachsen, dass man ihn kaum wieder erkennen konnte.
Der Pfad war übrigens leicht zu verfolgen, denn er führte bereits aut
100 m Höhe über einen längs dem Bulit verlaufenden Kamm. Ein
Verirren war nicht möglich, da der Bergrücken nur wenige Meter
breit war; eher riskierte man einen Absturz von seinen sehr steilen
Wänden. Glücklicher Weise verhinderte die dichte Vegetation ein
Schwindeligwerden und ermöglichte zugleich auch den Gebrauch der
Hände beim Klettern. Der ganze Weg bestand aus Lehmboden und
war durch die vielen Regengüsse sehr schlüpfrig geworden.
Ich habe mich immer wieder darüber gewundert, dass so scharfe,
steil abfallende Rücken, die ganz aus Lehm und sehr verwittertem
Gestein bestehen, den vielen Sturzregen im Gebirgsland von Borneo
Widerstand zu leisten vermögen. Eine der Hauptursachen hierfür ist
zweifellos in der dichten Waldbedeckung zu suchen, da die tief ein-
dringenden Wurzeln die kleinen Erdteilchen vor Wegspülung und
Absturz beschützen und das dicke Blätterdach die Kraft der niederfallenden
Regen bricht.
Trotzdem die Bäume und Sträucher uns den Marsch erleichterten,
dauerte es doch beinahe zwei Stunden, bis ich mit B i e r den Punkt
erreichte, von dem aus der Topograph W e r b a t a seine Beobachtungen
angestellt hatte. Der Rücken war hier nur 1 m breit, bestand aus
ganz losem, nur durch Wurzeln zusammengehaltenem Gestein und
gestattete längs seiner im Winkel von fast 60 ansteigenden Seitenwände
hinunterzuschäueri. Um Aussicht zu gewinnen, mussten wir
erst die seit dem letzten Besuch auf dem Gipfel aufgeschossenen Sträucher
forträumen lassen und begännen unterdessen unsere verschiedenen
Höhenbarometer nach dieser bekannten Höhe zu regulieren. Von den
beiden Anero'iden schien der eine auf der Reise gelitten zu haben,
wenigstens wich er stark von dem Hypsometer ab, mit dem er, wie auch
der andere, noch in Putus Sibau gut übereingestimmt hatte. Die beiden
anderen Barometer gaben, mit Berücksichtigung der Temperatur, die
Höhe von 740 m richtig an.
Kaum hatten wir unsere Arbeit beendet, als auch der Kontrolleur
mit seinen Begleitern eintraf. Der steile und mühevolle Pfad hatte
ihn bis zum Erbrechen angestrengt, aber doch hatte er seinen Zug
nicht aufgeben wollen. Das prachtvolle Panorama des Kapuasgebirges,
das sich weithin ausdehnte, entschädigte ihn übrigens reichlich für die
ausgestandenen Strapazen.
Nach Norden traf der Blick das Ober-Kapuas-Kettengebirge, das,
von dichten, ernsten Wäldern gänzlich überdeckt, mit seinen in Wolken,
gehüllten Gipfeln einen beklemmenden, schwermütigen Eindruck auf
den Beschauer machte. Zu Füssen des Gebirges strömte mit allen
seinen Nebenflüssen der Bungan, auf dem wir uns so lange mühsam
fortbewegt hatten. Aus diesem Tal erhoben sich wie Kulissen die
Ketten hinter einander und stiegen erst schnell, dann immer allmählicher
nach Norden hin auf, bis ihre höchsten Spitzen, der Kaju Tutung
und Körihum, in den Wolken verschwanden. Das eintönige dunkelgrüne
Gewand, welches das ganze Kettengebirge bis auf seine höchsten
Erhebungen hinauf umhüllte, machte in seiner stolzen Einfachheit,
die weder durch Abwechslung der Farbentöne noch durch eigenartige
Felsformationen belebt wurde, einen imposanten Eindruck. Tief unter
uns schlängelten sich die Täler des Bulit und Bungan als schmale
Streifen nach Westen; zwar waren auch sie mit dunklem Grün überdeckt,
aber die steilen Wände der sie einschliessenden Kalkberge hoben
sich leuchtend weiss von der Umgebung ab. Als einziges Zeichen menschlichen
Lebens sahen wir ganz in der Tiefe zwischen zwei Querkämmen
eines hohen Bergrückens eine feine Rauchwolke zwischen den Bäumen
aufsteigen. Die Flüsse selbst blieben unserem Auge gänzlich verborgen.
Südlich des Bungan Tales erhoben sich nur zwei höhere Bergrücken,
der Tanah Kuban, dicht bei den „Gurung Dölapan” , und der Rücken,
von dem der Liang Tibab einen der höheren Gipfel bildet; dieser stieg
weiter nach Süden biä zu einer Höhe von 1 10 0 m an. Zwischen diesen
beiden Bergrücken zog sich in leichten Windungen, nach Süden immer
breiter werdend, das Flusstal des Langau hin. Obgleich Punan und
Buschproduktensucher in diesem Gebiete umherstreiften, liess die un