Unterhalb Putus Sibau waren in den letzten Jahren Niederlassungen
der Kantu Dajak entstanden. Dieser mit den Batang-Lupar verwandte
Stamm aus dem Seengebiet war von diesen aus seinem alten Wohnplatz
nach Südwesten vertrieben worden. Seit der Zeit hatten sich die Kantu
bald hier bald da in sehr kleinen Niederlassungen weiter oben am
Kapuas verteilt. Sie waren viel zugänglicher als die Kajan und interessierten
mich auch durch ihre Kunstfertigkeit in der Herstellung von
Webereien und Perlenarbeiten, so dass ich es lebhaft* bedauerte, mich
mit ihnen aus Zeitmangel nicht mehr.abgeben zu können. Da sie mehr
als die anderen Stämme geneigt waren, ihre seltenen Produkte um
hohen Preis loszuschlagen, gelang es mir, in kurzer Zeit allerlei anzuschaffen,
was mir von ihrer sehr hoch stehenden Webe- und Färbeindustrie
eine Vorstellung geben konnte.
Auch mit den weiter oben wohnenden Taman Dajak kam ich dadurch
in Berührung, dass sie mir ihre Kranken brachten und durch vorteilhaften
Verkauf ihrer eigenartigen Kleidungsstücke von mir zu profitieren
trachteten. Verschiedene Personen boten mir auch ihre aus
bunten Perlen und Muscheln (Nassa callosa) verfertigten Jäckchen und
Röckchen an, die sie früher bei ihren religiösen Festen trugen, jetzt
aber, wegen der Ausbreitung des Islam in ihrem Stamm, nur selten
mehr gebrauchten. Diese in schönen farbigen Mustern ausgeführten
Kleidungsstücke sind in jeder Familie altes Erbgut, dessen Herstellung
viel Zeit und Geld gekostet hat; unter gewöhnlichen Umständen
sind sie auch beinahe nicht zu erlangen. In dieser Erwägung kaufte
ich die schönsten dieser Kleidungsstücke und rettete sie so vor dem
Untergang.
Die meisten kosteten 20 bis 26 Dollar; für ein besonders schönes
Röckchen musste ich sogar 35 Dollar bezahlen. Die Besitzerin dieses
Kleinods, eine Taman Frau am Mendalam namens L i t o n g , war anfangs
durchaus nicht geneigt, mir diesen ihren schönsten Schmuck
abzutreten und ich hatte bereits alle Versuche, sie zu erweichen, aufgegeben,
als ihr Vater, von einem Handelszuge aus Bunut zurückkehrend,
den hohen Preis erfuhr, den ich geboten. So kam er eines
schönen Tages nach Putus Sibau und übergab mir sehr erfreut für
die 35 Dollar das Röckchen. Hätte ich geahnt, dass er ganz gegen
den Wunsch seiner Tochter handelte und dass diese, wie ich später durch
Kajan erfuhr, vor Kummer heisse Tränen vergossen, so hätte ich meine
Sammellust vielleicht bezwungen.
Auch die Taman Dajak, die am Sibau wohnten, der neben unserer
Wohnung in den Kapuas strömte, trugen dazu bei, uns die erzwungene
Ruhe nicht allzu fühlbar werden zu lassen. Wenige Tage nach
meiner Rückkehr nach Putus Sibau holten vier dieser Sibau Dajak
mich in einem Boot in ihre Niederlassung ab, wo einer der Ihren, der
sich beim Holzhacken mit dem Schwerte das Bein verletzt hatte, heftig
blutend darniederlag. Den Verwundeten nach Putus Sibau zu bringen
schien unmöglich; so blieb mir nichts anderes übrig, als mit den nötigsten
Hilfsmitteln und einem unserer Malaien zum Kranken zu reisen.
Nach dreistündiger Fahrt in schwankendem Nachen erreichten wir
das lange Haus, auf dessen grösser Galerie vor der Häuptlingswohnung
eine Menge Männer, Frauen und Kinder um eine Gruppe herumhockte,
die sich mit der Pflege des Kranken beschäftigte. Dieser schien
ein kräftiger junger Mann zu sein; auf dem Rücken zwischen seinen
jammernden Angehörigen liegend zeigte er bereits eine verräterische
graubraune Leichenfarbe, auch hatte er schon das Bewusstsein verloren
und sein Puls war nicht mehr fühlbar. Sein rechter Fuss war an
der Innenseite, unterhalb des Knöchels, verwundet und mit alten Lappen
voll geronnenen Blutes verbunden. Fortwährend tröpfelte noch
Blut aus dem Verbände, was hauptsächlich wohl einem zweiten Verbände
zugeschrieben werden musste,, den man um die Wade angebracht
hatte und der, gleichwie auch die horizontale Lage des Beines,
einen Abfluss des venösen Blutes verhinderte. Während ich den zweiten
Verband abnehmen und das Bein hoch halten liess, erzählte man mir,
wie sich der junge Mann die Wunde beigebracht hatte. Die Abwesenheit
des Pulsschlags bewies, dass die Blutung auch während des Transportes
nach Hause sehr heftig gewesen sein musste. Man hatte, um
die Blutung zu stillen, das gebräuchliche Mittel, O > 0 > 0gekaute Sirihblätter
mit Kalk, auf die Wunde gelegt, welch letzterer adstringierend wirkt
und durch das starke Anpressen mittelst der Blätter zugleich als Tampon
dient. Da der Patient augenscheinlich nicht mehr viel Blut zu verlieren
hatte und seine Herztätigkeit sehr schwach war, musste ich einen neuen
Blutergo uss bei der Untersuchunog zu vermeiden trachten und hielt
daher den Kautschukschlauch am Schenkel bereit. Zum grossen E r staunen
der Taman kam, da ich das Bein hoch halten liess, beim
Wegnehmen der schmutzigen Lappen und Sirihballen kein Tropfen
Blut mehr aus der Wunde; doch war die bis tief hinter den maleolus
internus reichende Wunde durch die falsche Behandlung bereits so