70 Behandlung des Neugeborenen.
vom Kinde unterbunden worden ist. Dieses Schwert, das nie verkauft
werden darf, wird als altes Familienstück pietätvoll bewahrt. Die
Nachgeburt wird in den Wald geworfen und dort in der Regel von
Schweinen und Hunden aufgefressen.
Da die Kajanfrauen alle gut gebaut sind und Rhachitis nicht vorkommt,
verläuft eine Entbindung gewöhnlich normal. Die Geburtshelferinnen
sind auch nicht im Stande, bei anormaler Kindeslage oder
bei Blutungen Hilfe zu leisten | nur das Reiben des Leibes ist gebräuchlich.
Als grosse Merkwürdigkeit wurde mir erzählt, dass eine
Frau aus Pagong einst den prolabierten Uterus einer Wöchnerin mit
gutem Erfolge zurückgestülpt hatte.
Einige bei den Kajan verbreitete Krankheiten, gonorrhoeische Endo-
metritides und Lues, können jedoch dem Verlauf der Geburt eine
ernste Wendung geben. Hilft sich die Natur nicht selbst, so hat jede
Abweichung Tod oder schweres Leiden zur Folge. Berücksichtigt man,
dass die Kajan den bei der Geburt sterbenden Frauen kein ehrenvolles
Begräbniss und glückliches Leben im Jenseits zugestehen, so
ist die Angst, mit welcher diese ihrer Entbindung entgegensehen, begreiflich.
(Näheres f. Kap.).
Tot- und Frühgeburten sind so häufig, dass die Frauen nicht wissen,
wie lange eine normale Schwangerschaft eigentlich dauert. Nach dem
siebenten und achten Monat sah ich besonders viele unausgetragenen
Kinder zur Welt kommen. Abortus ist ebenfalls eine häufige Erscheinung,
aber nur als Folge von Krankheit. Für künstliche Fruchtabtreibung
besitzen die Kajan und, wie es scheint, auch die übrigen Dajak, im
Gegensatz zu den Malaien, absolut kein Mittel.
Wenn die Mutter bei der Geburt stirbt oder schwer erkrankt oder
böse Träume die Eltern erschrecken, setzt der Vater das Kind im
Walde aus; es wird aber häufig von anderen Kajan oder Malaien
aufgenommen und erzogen.
Unmittelbar nachdem das Kind gewaschen ist, werden seine Ohrläppchen
von einer alten Frau mittelst scharf zugespitzter Bambusstäbchen
durchstochen. Die Hölzchen bleiben bis zur Heilung der
Wunde in der Oeffnung, werden dann aber durch einen Zinnring, dessen
Schwere das junge Gewebe ausrecken soll, ersetzt. Je grösser die
Oeffnung wird, desto mehr Ringe werden angebracht, so dass fünf- bis
sechsmonatliche Kinder bereits 200 g Zinn an jedem Ohre tragen.
Um ein Durchreissen der Ohrläppchen zu verhindern, ist den Müttern
Das Kindertragbrett. 7 1
in der ersten Zeit verboten, Fische zu essen, die mit einem Angelhaken
gefangen worden sind.
Weitere Verbildungen werden mit den Neugeborenen nicht vorgenommen.
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Gleich nach der Geburt erhält das Kind ein Armband (l%ku la ll =
geweihtes Armband) aus bua djgle, den hellbraunen und schwarzen
Früchten von Coix-Arten, welche auf die bösen Geister abschreckend
wirken sollen. Beim Abfallen des Nabelstranges wird dieses Armband
durch ein zweites ersetzt und dieses wiederum nach Ablauf eines
Monats bei der ersten Namengebung durch ein drittes. Die abgelegten
Armbänder des Kindes werden von der Mutter bis zur ersten und
zweiten Namengebung an einer Halskette getragen, nach Schluss der
betreffenden Verbotszeiten aber in einem Säckchen aus Kattun an das
Kindertragbrett gebunden (pag. 72). .
Die Kinder werden nicht gewickelt, sondern liegen völlig nackt auf
einer mit Tüchern oder einer kleinen Matratze bedeckten Matte. Ein
langes schmales Tuch, dessen Enden über einem Balken geknüpft
werden, dient als Wiege, indem man das Kind in dem Bausch, welchen
das Tuch bildet, schlafen legt.
Zum Herumtragen der Kinder besitzen die Kajan die sehr praktische
häwät, die am Mendalam aus einem Liegebrett in Form eines
beinahe völlig aufgeschlagenen Buches und eines senkrecht dazu angebrachten
Sitzbrettes besteht. Solange das Kind sehr klein ist, trägt
es die Mutter mittelst zweier um die Schultern gehängter Schnüre
liegend vor sich auf der häwät; ist das Kind grösser, so trägt es die
Mutter sitzend auf dem Rücken. Als weiche Unterlage für das Kind
werden auf den Boden der häwät einige Tücher gelegt.
In Anbetracht, dass das Kind einen grossen Teil des ersten Lebensjahres
auf der häwät verbringt, nehmen die Bahau an, dass auch
dessen Seele (bruwä,) mit dem Tragbrett eng verbunden ist und dieses
ötters als Aufenthaltsort wählt. Um nun eine ständige Verbindung mit
dem Kinde und dessen Seele zu unterhalten, versäumen die Mütter
niemals, ihre Kleinen morgens und abends in innige Berührung mit
der häwät zu bringen. Sie tun dies, indem sie einen Finger des Kindes
in eine Schlinge aus Lianenfasern, welche an der häwät befestigt ist,
stecken, ihn hin- und herbewegen und einige Worte dazu murmeln.
Die Kindesseele wird durch diese Handlung aufgefordert, in ihren
eigentlichen Wohnsitz zurückzukehren; eine längere Abwesenheit oder