2IÖ Hochwasser im Bulit.
dass nur noch das Segeltuch aus den Böten geholt zu werden brauchte,
um uns ein schützendes Obdach vor dem Sturzregen zu verschaffen;
bei hungrigen und ermüdeten Menschen ruft der Regen auch in den
Tropen eine sehr unangenehme Stimmung hervor. Für uns Europäer
gab es aber so viel Interessantes zu hören, dass nach dem Wechsel
der nassen Kleider die letzten Unannehmlichkeiten bald vergessen
waren.
Mehr als drei Wochen hatten die Wächter allein, mitten in diesem
nur von den nomadisierenden Stämmen der Bukat und Bungan Dajak
durchzogenen Urwäldern, zugebracht; sie hatten sich aber nie geäng-
stigt. Bereits wenige Tage nach ihrer Ankunft hatte sich das Gerücht
von ihrer Anwesenheit mit so vielen guten Esswaren auch in diesen
weiten Wäldern verbreitet. Erst waren ein paar Bunganmänner auf
Kundschaft gekommen und,. nachdem man sie freundlich empfangen
hatte, folgten bald auch Frauen und Kinder, die alle ein Geschenk
an Reis und Tabak erhielten, das für sie einen ganz besonderen
Glücksfall bedeutete. So gestaltete sich den drei Männern die Einsamkeit
noch erträglich und die Ungeduld wurde ihnen nicht zu quälend.
Da in den letzten Jahren alles niedrigere Gehölz der nächsten Umgebung
von vorüberreisenden Gesellschaften zum Bau von Lagern gefällt
worden war und unser zahlreiches Geleite es zu mühsam fand,
Holz von weiter her zu beschaffen, übernachteten sie in sehr primitiven
Hütten auf den Geröllbänken unten im Fluss. Auf einen trockenen
Abend folgte aber eine nasse Nacht. Wir schliefen noch nicht
lange, als wir von einer allgemeinen Unruhe am Flussufer geweckt
wurden. Der Regen vom Nachmittag musste auch in einem Teil des
Stromgebietes des oberen Bulit gefallen sein; denn das Flüsschen
stieg innerhalb einer halben Stunde um zwei Meter und seine Wassermassen
überfielen plötzlich die Schläfer auf der Bank.
Die Gesellschaft musste so schnell nach oben flüchten, dass einige
ihr Hab und Gut nicht mehr in Sicherheit bringen konnten und Zusehen
mussten, wie ihre Tragkörbe mit dem so kostbaren Inhalt von
dem Strome fortgerissen wurden. Während des folgenden Tages stieg
und fiel das Wasser abwechselnd. An eine Fahrt auf dem Bulit war
nicht zu denken, daher widmeten wir uns ganz dem Ordnen des Gepäckes,
das uns, seines Umfanges wegen, trotz der ansehnlichen Trägerzahl
für den Landtransport viel Schwierigkeiten verhiess. Daher
kam A k am I g a u mit dem Vorschlag, nicht wie auf der letzten Reise
Veränderte Reisepläne. 2 1 7
südlich vom Berge Lökudjang zum Pönaneh zu ziehen, sondern durch
das Tal des oberen Bungan und seines Nebenflusses, des Bötjai, nördlich
vom Lökudjang, den Howong, einen Nebenfluss des Mahakam,
zu erreichen. Der Weg über den Pünaneh führte nämlich über die
zahlreichen Bergrücken, welche die südlichen Quellflüsse des Bungan
trennen, ausserdem waren die Pnihing, die früher am oberen Pönaneh
wohnten und uns auf der Reise 1896 die erste Hilfe im Mahakam-
gebiet geleistet hatten, inzwischen an einen weiter unter am Fluss
gelegenen Ort gezogen, so dass wir diesmal einen viel weiteren Weg
selbständig zurückzulegen gehabt hätten als: damals.
Um an den Howong zu gelangen, konnten wir erst dem Bungan
und dann dem Bötjai bis zur Wasserscheide folgen, hatten diese dann
auf bequemem Pfade zu überschreiten und zum Howong hinunterzusteigen.
Dort wohnte seit langer Zeit ein Pnihingstamm, der uns beim
Transport helfen und nötigenfalls auch mit Reis versehen konnte.
In Anbetracht dass auch G e o r g M ü l l e r im Jahre 1825 diesem Weg,
allerdings in umgekehrter Richtung,, gefolgt war und dass er überdies
für mich neu war, ging ich gern auf A k am I g a u s Vorschlag ein, und
wir beschlossen, nur bis zum pangkalan (Halteplatz beim Beginn
des Weges zum...) Howong den Bulit aufwärts zu fahren und nicht,
wie in den Jahren 1894— 1896, erst vom pangkalan Mahakam aus den
Landzug zu beginnen.
Gegen Abend fiel das Wasser ständig und wir hofften, unsere Fahrt
am anderen Morgen auf dem nur 15 m breiten ■ Flüsschen bei einer
für unsere Böte genügenden Tiefe des Wassers fortzusetzen.
Alles auf einmal zu transportieren war jedoch unmöglich, daher
sollten, der Sergeant D u n i und ein Schutzsoldat B a ja n mit einigen
kranken und auf der Reise verwundeten Kajan beim Reis Zurückbleiben
und später vom pangkalan Howong aus abgeholt werden.
Am ersten Tage begegneten wir Bungan Dajak, die auf der Reise
nach Putus Sibau begriffen waren. Sie zeigten 0 o sich anfan0g s scheu,'
obgleich ich bereits auf der früheren Reise mit ihnen verkehrt hatte.
Augenscheinlich fürchteten sie unseren Zorn, weil sie den Malaien A d am
ermordet hatten. Ich wusste aber, dass dieser A d am , ein aus Sörawak
entflohener Bandit, diese schwachen Stämme entsetzlich betrogen hatte,
dass er sich sogar als Repräsentant der Regierung aufgespielt und
sich als solcher vieler vom Mahakam stammender Güter bemächtigt
hatte; ausserdem hatte er im Jahre 1896 alles getan, damit unsere