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 Wenn  dem  einftimmigen  Zeügnifs  vieler  Reifebefchreibungen  zu  trauen  ift ,  fo  mufs  
 einigen  Krabbenarten  felbft  die  aüffere  Luft  fehr  fchädlich  feyn;  denn  fie  melden,  dafs  um  
 die  Infel  Ainan  in  China  Krebfe  gefangen  werden,  die  fo  bald  fie  an  die  Luft  kommen,  2U  
 einem  Stein  erhärten. 
 Sicherer  ift  e s ,  dafs  in  heißen  Sommern  viele  Krebfe  fterben,  wenn  das  Waffer  wegen  
 Dürre  das  Ufer  verläfst;  denn  fie  folgen  nicht  allzeit  dem  Strom  des  Waflersj  fondern  
 bleiben  in  ihren  Löchern,  wo  fie  erfticken  und  umkommen. 
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 _  Ob  (ich  gleich  unmöglich  zuverläfsig  beftinimen  lä ß t,  was  für  ein  hohes  Alter  die 
 Ihr  Alter.  Krebfe  erreichen  können,  fo  ift  es  doch  leicht  zu  fchlielfen,  dafs  fie  mit  unter  diejenigen  
 Thiere  gehören,  welche  das  menfchfiche  Lebensziel  wo  nicht  übertreffen,  doch  erreichen.  
 Wenn  die  Bemerkung  richtig  ift,  welche  doch  als  allgemein  und  entfchieden  angenommen  
 wird,  dafs  das  Lebensalter  eines  Thieres  mit  der  Zeit  feines  Wachsthums  im  Verhältnifs  fte-  
 he,  fo  dafs,  je  langfamer  ein  Thier  wächft,  ein  defto_höheres  Alter  es  auch  erreichen  könne,  
 wenn,  fage  ich,  diefes  gewifs  ift,  fo  mufs  ein  hundertjähriger  Krebs  gar nichts feltenes  feyn.  
 Denn  ein  Krebs  kann  wegen  feines  harten  Panzers  gar  nicht  eher .wachfen,  als  in  der  kurzen  
 Zeit  feines  Mauferns.  Dies  dauret  nur  wenige  Tage,  und  der  Fortgang  feines Wachfens  
 kann  nicht  beträchtlich  feyn;  denn  da  die  neue  Schaale  unter  der  alten  lag,  fo  ift  er  gleich  
 nach  Abwerfung  derfelben  im  Grunde  kleiner,  wie  vbrher,  und  wie  viel  kann  er  alfo  durch  
 die  Ausdehnung  gewinnen? 
 Ein  Krebs,  der  erft  aus  dem  Ey  gekommen,  ift  Höchftens  j  Linien  lang,  üftd  fein  
 Wachsthum  kann  kaum  eine  halbe  Linie  betragen.  Bey  fchon  großem  Krebfen  mag mall  nach  
 jedesmaliger  Haütung  auch  3  Linien  an  Länge  zugeben,  welches  wohl  das  gröfte  Maas  ift,  
 was  man  annehmen  kann,  fo  ift  leicht  zu  berechnen,.  wie  viele  Jahre  erfordert  werden,  ehe  
 ein  Thier  von  3  Linien  Länge,  die  Größe  eines  halben  Schuhes  erreicht.  Eine  Raupe  wächft 
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 zwifchen  den  Häutungen,  denn  die  Haut  läfst  lieh  ausdehnen.  Ein  Schmetterlingsflügel  wächft  
 in  wenigen  Minuten,  denn  er  entwickelt  fleh  nur;  beyde  Fälle  aber  finden  bey  den  Krebfen  
 nicht  ftatt.  Will  man  nmi  noch  annehmen,  welches  doch  bey  allen  Thieren  gefunden  wird,  
 dafs  auch  bey  den  Krebfen  eine  Zeit  des  Stillftandes  fey,  da  fie  nicht  mehr  wachfen,  dafs  
 diefe  Zeit  vier  bis  fünfmal  fo  lang  fey,  als  die  Zeit  des  Wachfens,  fo  kann  wirklich  der  
 Krebs  mit  dem  Elephant  ums  Alter  ftreiten.  Ich  befitze  einen  Seekrebs,  deffen  bloßer  Leib  
 anderthalb  Fuß  lang  ift,  da  doch  das  E y ,  aus  welchem  er  gekommen,  nicht  über  3  Linien  
 im  Durchfchnitt  gehabt  haben  kann,  follte  diefer  nicht  leicht  einige  hundert  Jahre  alt  gewefen  
 feyn ? 
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 Die  Alten  haben  es  durchgängig  geglaubt,  dafs  der  Mond  Einffufs  auf die  Krebfe  habe.  ■ •■ ■ ■  ■ 
 Nicht  verliehe  ich  darunter  die  Zeit  der  Haütung,  und  des  daraus  entftandenen  Sprichworts,  
 dafs  der  Krebs  in  den  Monaten  am  bellen  fchmecke,  die  kein  R 'in   ihrem  Namen  haben,  
 oder:  Menßs  in  qm  non  eft  R  tu  debes  comedere  cancer:  denn  dafs  die  Krebfe  zu  diefer  
 Zeit  am  bellen  fchmecken,  ift  keine  Wirkung  des  Mondes,  fondern  weil  die  Krebfe  zu  diefer  
 Zeit  am  meiden  ihrem  Futter  nachgehen,  auch  lieh  nicht  paaren,  und  defshalben  am  fet-  
 teften  und  fteifchigften  find.  Sondern  die  Alten  behaupteten,  der  Krebs  fey  bey  zunehmendem  
 und  vollem  Mond  fchmackhafter  und  voller,  bey  abnehmendem  hingegen  werde  et  leer  
 und  mager.  jEtian,  Vilnius,  Moretus  und  mehrere  nahmen  dies  als  eine  ausgemachte Wahrheit  
 an,  und  ihnen  haben  es  wieder  andere  nachgefprochen.  So  wie  man  aber  überhaupt  zu  
 unfern  Zeiten  mit  gutem  Grunde  die  Wirkungen  des  Monds  auf  unfrer  Erde  fehr  eingefchränfct  
 hat,  fo  glaube  ich  auch  Gründe  genug  zu  haben,  obige  Meynong  gänzlich  zu  verwerfen,  
 indem  fie  aller  Erfahrung  widerfpricht.  Da,  wo  die  Krebfe  haüfig  find,  und  wo  man  fie  alfo  
 auch  allezeit  haben  und  eßen  kann,  da  weifs  man  auch,  dafs  man  bey. allen  Mondsveränderungen  
 fette  und  magere  Krebfe  in  der  Schüße!  beyfammen  findet,  je  nachdem  fie  reichliches