42 E r f t e r A b f c b n i t t ,
käme daher, weil die Scbeeren und Füße nicht durch den männlichen Saamen entftanden
feyen, fondern nur aus dem Ueberßufs der Säfte, fo wie bey den Baumen diefer Ueberftufs
der Säfte Blätter, 'und bey den Vögeln Federn hervortreibe. Ich mufs geliehen, dafs ich in
diefer Erklärung nichts befriedigendes finde; nicht zu gedenken, dafs fie fich auf einen ganz
unerwiefenen willkührlich angenommenen Satz gründet, dafs die Scheeren und Füffe nicht
fchon im Keim befindlich wären, da doch die eben aus dem Ey gekrochenen Krebfe fchon
alle diefe Theile haben. Andre, worunter auch in der neüern Zeit der fonft berühmte
Hartfoeker gehört, fchreiben diefes Wiedenvachfen der plaftifchen Natur z u , weil fie es dem
Mechanifmo nicht zutraueten, folche Naturwunder hervorzubringen. Sie nahmen daher zwey
Seelen an; die vernünftige, und die plafttfche oder bildende, wachsthümliche Seele, und
diefe letzte beforge die ganze tbierifche Haushaltung, den Umlauf der Säfte, die Ernährung,
das Wachsthum, ja felbft die beftändige Bewegung des Herzens; und fie fey in dem orga-
nifchen Körper gerade das, was im Ganzen die allgemeine Weltfeele fey. Eine folche Art
zu philofophiren ift freylich fehr bequem, und man kann einer folchen Seele getroft alles aufbürden,
was man nicht weiter zu unterfuchen Luft hat. Denn da man fchleehterdings nicht
beweifen kann, wie weit die Kräfte diefer bildenden Seele reichen , fo ift auch in der ganzen
Natur keine Schwierigkeit fo grofs, auf welche man nicht einen fehr gelehrt fcheinenden
Befcheid geben könnte. Allein ewig fern fey es von unferm denkenden Jahrhunderte, zu diefer
alten, baufälligen Efelsbrücke wieder unfere Zuflucht zu nehmen, wodurch allen weitern
Unterfuchongen und Erfahrungen eine nicht zu überfchreitende Gränze gefetzt wird.
Villeicht wird es meinen Lefern lieb feyn, auch hierüber den fcharflinnigen Reawnur
zu hören: Dürfen wir uns unterfangen, fagt e r, zu erklären, wie diefe Reproduktionen
x gefchehen? Freylich können wir höchftens nur einige Muthmaffungen wagen. Doch wer
M wird unfern Muthmaffungen glauben, wenn es darauf ankommt, Begebenheiten zu envei-
33 fen, deren Unmöglichkeit klare Vernunftfchlüffe darzuthun fcheinen. Man könnte wohl
33 fagen, es gienge zu dem abgefchnittenen Theile vieler Nahrungsfaft; und fo v ie l, dafs
33 neues Fleifch gezeüget werden könnte. Wo finden wir aber die Urfache, die diefes Fleifch
in Glieder und Gelenke theilet, und darinn Nerven, Maiislein und Sehnen machet? Das
bequemfte und villeicht vernünftigfte wäre, dafs man annähme, die kleinen Füffe, die
wir entliehen fehen, wären jeder in kleinen Eyern eingefchloffen, und, nachdem man einen
Theif des Fuffes abgebrochen, würden eben die Säfte, die zur Nahrung und zum
Wachsthum diefes Theils dieneten, dazu angewendet, dafs fie den kleinen Keim des Fus-
fes, der in dem Ey enthalten fey, entwickeln und hervorbringen hälfen.
„ So bequem indeffen diefer angenommene Satz ift, fo werden fich doch wohl wenige
ihn anzunehmen entfchlieffen. Man müfste neben ihm ferner annehmen, im Fuffe des
Krebfes fey keine Stelle, da nicht ein Ey läge, das einen andern Fufs einfchlieffe; oder,
welches noch wunderbarer ift, einen Theil des Fuffes, der demjenigen von dem Orte an,
wo das Ey lieget, bis zum Ende des Fuffes ähnlich fey; dafs alfo an allen Orten des Fus-
fes ein Ey fey, das einen andern Theil des Fußes, als das Ey drüber oder drunter enthalte.
Die Eyer, z. E. am Urfprunge jeder Scheere werden nur eine Scheere, die Eyer
am Ende der Scheere nur Enden der Scheere in fich halten. Villeicht würde man lieber
glauben wollen, jedes Ey beherberge einen ganzen Fufs. Würde es aber nicht noch fchwe.
rer werden, die Urfache anzugeben, warum aus jedem kleinen Fuffe nur ein dem abgebrochenen
Stück ähnliches hervorkomme? Man würde auch nicht einmal mit einem Ey an
jedem Orte des Fuffes auskommen, fondern deren noch mehr fich einbilden müffen. Und
wer kann fagen, wie viele? Bricht man den neuen Fufs ab, fo wächfet an deffen Stelle
wieder ein anderer. Man müfste alfo zugeben, jeder neüer Fufs fe y , wie der alte, mit
unzähligen Eyern angefüllt, die jedes zur Herftellung des einft weggenommenen Theils
dienen könnten.
33 Villeicht hat der Krebs in jedem Fuffe nur eine gewiffe Anzahl Füffe oder Theile
von Füffen; wie die meiften jungen Thiere unter jedem Zahn noch einen haben. Wenn
man ihnen alfo einen ausreifst, wächfet gleich ein anderer. Verliert fich aber der auch,
fo kommt keiner wieder. Man mögte wohl wiffen, ob die Krebfe auch in jedem Theile
des Fuffes einen beftimmten Vorrath von Theilen des Fuffes hätten, der fich erfchöpfen