Derselbe liegt in einer Ausliöblung des Kieferknochens medialwärts von der vorderen Hälfte des
Pd 1, also v o r der Anlage des P 1, ist bedeutend grösser als letzterer: grösste Höhe 0,27 Mm.,
grösste Breite 0,26 Mm., und weiter entwickelt: er steht entschieden auf dem käppenförmigen
Stadium. Dass er der zweiten Dentition angehört, ist ausser Frage. Di e s e r Be fu n d b e a
n s p r u c h t d e s s h a l b e i n b e s o n d e r e s I n t e r e s s e , we i l e r a u f e i n p h y l o g e n e t
i s c h ä l t e r e s E n tw i c k l u n g s s t a d i um des Me n s c h e n hi n we i s t , wo noch dr ei
P r äm o l a r e n — bekanntlich die Prämolarenzahl der platyrrhinen Affen — v o r h a n d e n
ware n . Zugleich stützt er die Auffassung, welche die persistirenden Prämolaren des Menschen
dem P 3 und 4 der übrigen Säugethiere homologisirt, und ist besagte Anlage selbst wohl als
ein P 2 aufzufassen.'
Böse (I pag. 460) giebt an, dass „in den meisten Fällen der ganze epitheliale B-est der
,secundären Schmelzkeime' zur Bildung des Schmelzorgans der permanenten Zähne verwandt
wird.“ I c h ha be d a g e g e n a u f a l l e n S t a d i e n , wo d ie E n tw i c k l u n g s s t u f e des
Z a h n e s es ü b e r h a u p t e rw a r t e n l i e s s , nämlich auf den Stadien C, D und E, me d i a l w
ä r t s von den g l o c k e n f ö rmi g e n S c hme l z k e ime n des J 1, J 2 und C (Fig. 167)
n i c h t n u r d a s t i e f e En d e de r S c hme l z l e i s t e a b g e s c h n ü r t s o n d e r n au ch
meh r od e r we n i g e r d e u t l i c h a n g e s c hwo l l e n g e fund e n . Wi r e r k e n n e n
h i e r i n di e Mö g l i c h k e i t d e r E n tw i c k l u n g e i n e r d r i t t e n D e n t i t i o n beim
Menschen.
Auch bei M 1 ist das tiefe Ende der Schmelzleiste, welche zu den Molaren ganz dieselbe
Lage wie bei der Mehrzahl der übrigen Säugethiere einnimmt (vergleiche besonders die Bemerkungen
pag. 19), in mehreren Entwicklungsstadien mehr oder weniger stark angeschwollen
(Fig. 168, 169), wie dies auch B öse beim viermonatlichen Kinde gefunden hat.
Schliesslich kann ich B öse’s Angabe, dass eine sogenannte E p i t h e l s c h e i d e auch beim
Menschen vorkommt, bestätigen.
Allgemeine Ergebnisse und Folgerungen.
Wie bereits in der Einleitung bemerkt wurde, ist der eigentliche Zweck der vorstehenden
Untersuchung denjenigen ontogenetischen Thatsachen nachzuforschen, welche für den Aufbau einer
Morphologie des Zahnsystems verwerthbar sind. Dieser Fragestellung gemäss traten die Untersuchungen
über das Wesen der Dentitionen, ihre Anzahl sowie ihre Beziehungen zu einander
und zur Schmelzleiste, in den Vordergrund, während ich die histogenetischen Einzelheiten nur
da geschildert habe, wo sie mir im Stande zu sein schienen, das morphologische Verständniss
zu- fördern. Da, wo es die Erkenntniss oder die richtige Werthschätzung des ontogenetischen
Befundes erheischte, sind die phylogenetischen Disciplinen: vergleichende Anatomie und Paläontologie
zu Bathe gezogen worden.
Damit bei der Beurtheilung und Verwerthung der gewonnenen Besultate die wesentlichen
und maasgebenden ontogenetischen Vorgänge nicht durch solche, welche auf speciellen, der
betreffenden Thierform eigentümlichen Differenzirungen, auf Beductionserscheinungen oder dergleichen
beruhen, verwischt werden möchten, habe ich eine grössere .Formenreihe (27 verschiedene
Gattungen) in möglichst vielen Entwicklungsstufen ^ von Bepräsentanten mancher Arten
lagen 7 — 11 verschiedene Stadien vor -11|untersucht und zugleich die Thierformen möglichst so
gewählt, dass, von Nagern und Hufthieren abgesehen, alle wesentlicheren Modificationen des Säugethiergebisses
vertreten waren. Ich darf somit hoffen, dass durch dieses Vorgehen Unwesentlichkeiten
eliminirt sowie manche verfrühte Verallgemeinerung, wie solche nur zu oft aus der
Untersuchung vereinzelter Formen abgeleitet worden sind, vermieden werden konnten.
In diesem Kapitel wird es meine Aufgabe sein, die in dem speciellen Theile niedergelegten
Ergebnisse allgemeiner Natur zu einem G-esammtbilde zu verbinden; in Bezug auf diejenigen Besul-
tate, welche nur für die einzelnen Thiergruppen Geltung haben, verweise ich auf die Zusammenfassungen.,
in den betreffenden Kapiteln. Aus dieser Zusammenstellung werden wir auch entnehmen
können, welche Tragweite wir der Ontogenie auf ihrem heutigen Standpunkte für die
morphologische Erkenntniss des Zahnsystems zumessen dürfen. Um Weitläufigkeiten zu vermeiden
und die Uebersichtlichkeit zu erleichtern, wird im allgemeinen in diesem Abschnitte auf die
Kritik nur derjenigen abweichenden Ansichten eingegangen werden, welche nicht schon im vorhergehenden
Theile besprochen worden sind. Bezüglich des jetzigen Standpunktes unserer Kennt-
niss von der ontogenetischen Entstehung der Zähne verweise ich auf die in der Einleitung gegebene
Skizze (pag. 6).
Ganz entschieden können wir jetzt behaupten, dass der sogenannte Zahnwall und die
Bibliotheca zoologica. Heft 17. 17