Zudem dürfte kaum eine Crustaceengruppe durch die Bemühungen hervorragender Forscher
besser bekannt sein, als die Daphniden. Ihr Bau ist so eingehend erforscht, dass man
schwerlich erwarten dürfte, neue und unerwartete Aufschlüsse zu erhalten. Wenn es mir trotzdem
gelingen sollte, den Nachweis zu führen, dass ihre Augen Strukturverhältnisse erkennen
lassen, welche allen Beobachtern entgingen, so dürften die im Nachfolgenden wiederzugebenden
Befunde wohl dafür sprechen, dass ich in den allgemeinen Anschauungen über den durch die
Lebensweise bedingten Bau der Augen nicht zu weit vom richtigen Wege abwich.
So weise ich denn zunächst darauf hin, dass unter den pelagischen Crustaceen unserer Süsswasserseen
eine räuberisch lebende Art, welche das Licht meidet und nur bei Nacht an die Oberfläche
aufsteigt, nämlich die Gattung Bythotrephes, wiederum durch verlängerte Facettenglieder im
T)orsalabschnitt ihres unpaaren Stirnauges charakterisirt ist. L ey dig, der Entdecker der Gattung,
deutet dieses Verhalten nur unvollkommen an (1860 Taf. X Fig. 74), während Weism an n in seiner
Abhandlung über die Schmuckfarben der Daphniden (Zeitschr. f. wissensch. Zool. Bd. XXX Suppl.
in allen belebten Schichten ziemlich gleichmässig vertheilt sind. Die zw e i te Gruppe, nämlich die Räderthiere, wie
Anuraea longispina, Conochilus volvox, Anuraea cochlearis, ferner die meisten Daphniden (D. hyalina, Daphnella brachyura,
Bosmina longispina), hält sich vornehmlich in den obersten und am meisten erwärmten Schichten des Wassers bis zu
15m Tiefe auf. Die d r i t t e Gruppe bilden Leptodora hyalina und Bythotrephes longimanus, welche in mittleren Zonen,
zwischen 7 und 18 m leben, also die oberen warmen, wie auch die tieferen kalten Schichten meiden. Zur v i e r t e n Gruppe
gehören endlich Heterocope robusta und Cyclops strenuus, welche die tiefen und k a l t e n Zonen von 15—25 m besonders
bevorzugen. Namentlich gilt diess von Heterocope, welche in den oberen Schichten bis 15 m nur spärlich verbreitet ist,
während Cycl. strenuus eine weitere Verbreitung besitzt, aber nach der Tiefe zu unzweifelhaft viel massenhafter vorkommt.
Während des Winters ändert sich dieses Bild der Vertheilung sehr wesentlich. Zahlreiche Formen, wie Leptodora,
Bythotrephes, Heterocope, mehrere Daphniden und Räderthiere, verschwinden nach Ablage ihrer Dauereier vollständig
aus dem Plankton oder treten an Masse stark zurück, so dass die Zusammensetzung desselben sehr viel einförmiger
wird. Die limnetische Thierwelt setzt sich dann wesentlich nur aus Diaptomus gracilis, Cyclops strenuus, Cyclops Leuckarti,
den Nauplien dieser Copepoden und Bosmina longispina zusammen und alle diese Thiere erscheinen nun gleichmässig in
der ganzen belebten Zone vertheilt.
Berücksichtigt man die verschiedenen Temperaturverhältnisse während des Sommers und des Winters, so geht
aus diesen Beobachtungen hervor, dass die Thiere des Planktons so lange eine zonare Vertheilung zeigen, als das Wasser
thermisch geschichtet i s t; wenn dagegen, wie im Winter, die thermische Schichtung des Wassers aufhört und dasselbe eine
gleichmässige Temperirung von 4 0 C. erfahrt, dann erscheinen auch die Planktonthiere gleichmässig vertheilt und nicht
mehr zonarisch geschichtet. Interessant ist es, dass das Winterplankton vornehmlich aus solchen-Thieren besteht, die
auch im Sommer entweder'in a l l e n Zonen leben (Diaptomus, C. l.euckarti) oder sich mehr im kalten Wasser aufhalten, wie
C. strenuus. Wenn Bosmina longispina, welche sich den Sommer über in warmen Wasserschichten aufhält, dennoch im
Winterplankton zu finden ist, also eine Ausnahme hiervon macht, so rührt diess daher, dass diese Daphnide, wie bereits
W e ism a n n hervorgehoben hat, sich während langer Zeiträume im Bodensee nur noch p a r t h e n o g e n e t i s c h fortpflanzt
und keine befruchteten Wintereier mehr bildet.
Trotz der augenfälligen Beziehungen zwischen zonarer Schichtung der Thierwelt und der Temperatur des Wassers
glaubt jedoch H o f e r , namentlich mit Rücksicht auf das allnächtliche Aufsteigen auch der am tiefsten lebenden Formen
(Heterocope robusta), den Einfluss des Lichtes auf die zonare Vertheilung des Planktons keineswegs ausschliessen zu dürfen.
Die mitgetheilten Beobachtungen sind durch eine Reihe von Zahlentabellen mit quantitativen Planktonangaben,
sowie durch einige graphische Darstellungen der verticalen Verbreitung erläutert. Ausserdem bringt der Verfasser einige
speciellere Beobachtungen über die T ie fs e e fa u n a des Bodensees, von denen wir hier nur hervorheben wollen, dass sich,
u nm itte lb a r ü b er dem Boden schwebend, bis in alle Tiefen herab ein Cyclops viridis im Bodensee vorfindet, welcher mit
zunehmender Tiefe sein Augenpigment verliert und bei ca. 100 m Tiefe blind ist. H o fe r nennt denselben daher Cyclops
viridis var. caecus. Ebenso erwähnt der Verfasser einen von den Ichthyologen bisher übersehenen, den Fischern aber
bekannten Tiefseesaibling (Salmo sahelinus), welcher n u r am Grunde des Bodensees (auch des Ammersees) vorkommt,
also dieselbe Lebensweise wie der Kilch, Coregonus hiemalis, führt und sich durch seine minimale Grösse, seine einförmig
braungelbe Färbung auf dem Rücken und sein auffallend vergrössertes Auge als besondere Localvarietät auszeichnet.
Taf. VII Fig. 1), insbesondere aber P. E. M ü lle r (1868 Taf. IV Fig. 29) und Glaus (1877 p. 144
Taf. I Fig. 1, Taf. I I Fig. 6) ein zutreffenderes Bild von dem Auge geben. Als ich zum ersten
Male Gelegenheit fand, den Bythotrephes longimmus lebend am Genfer See zu untersuchen, war
ich nicht wenig überrascht, ein Auge vor mir zu haben, das nahezu eine Scheidung in ein Frontauge
und in ein Ventralauge (der letztere Ausdruck scheint mir für das unpaare Auge zutreffender,
als die Bezeichnung „Seitenauge“) aufweist. Da nun überhaupt unter den Polyphemiden
— und zwar sowohl unter den Vertretern des süssen wie des salzigen Wassers — die Tendenz
zur Verlängerung .der Krystallkegel (namentlich der dorsalen) offenkundig ist, so füge ich. zunächst
einige Bemerkungen über das Auge von Bythotrephes bei.
Fig. 8. L än g s sch n itt d u rch d a s Auge vo n Bythotrephes tongimanus L e y d. Die o b e ren R e trak to re n u n d d ie k le in en Antennen
s in d n a c h d em L eb e n eingezeichnet.
F. F ro n tau g e. V. Ventralauge. at'. E rs te An tennen, c. Ch itin h ü lle (Cornea), rer. G eh irn , con. K rys tallkegel. g. opt. Zweitheiliges Augeng
anglion. mu. Obere R e tra k to re n (d ie u n te re n s in d n ic h t e in g ezeichnet), nu. r. R e tin a k e rn e , rh. Rhabdome.
Die Untersuchung auf Längsschnitten ergab die überraschende und von allen bisherigen
Beobachtern übersehene Thätsache, d a s s das Auge von Bythotrephes th a t s ä c h l ic h in zwei
v ö llig getrennte; Augen, nämlich in ein F ro n ta u g e und in ein V e n tra la u g e , zerf
ä l l t (Holzschnitt 8, F und V). Der Vergleich mit dem Phronimidenauge liegt um so näher,
als nicht nur die Krystallkegel beider Augen nach zwei verschiedenen Mittelpunkten convergiren,
sondern als auch das. Polyphemidenauge dem Typus der retinopigmentären angehört.
Da beide Augen dicht an einander liegen , so fliessen ihre Pigmentmassen anscheinend
zusammen und erst die Längsschnitte zeigen, dass wir es mit getrennten Pigmentscheiden zu thun
haben. Das Frontauge (F) ist kegelförmig gestaltet, während das Ventralauge (V) nahezu halbkugelige
Form aufweist. Die Hauptachsen beider Augen stehen rechtwinklig zu einander und