
zarte, blasse Kegelchen, welche vor mechanischer Berührung infolge des Überragens der Tastzäpfchen
geschützt sind und dem Geschmackssinne dienen werden.
Versuche an Notonecta-Larven.
Was mich zur Untersuchung der .Rüsselspitze veranlasste, war die Beobachtung, dass die für
gewöhnlich, den Bauch nach oben, an der Wasserfläche hängenden Larven von Notonecta, während
sie durch alle mechanischen und durch stärkere chemische Reize sofort in die Tiefe des Wassers
gejagt wurden, sich gegen Zuckerlösung in besonderer Weise verhielten. Ich liess, wenn das Tier so,
den Schnabel an der Brust angelegt, ruhig lag, aus einer fein zugespitzten Glasröhre starke Zuckerlösung
oder schwache Saccharinlösung über dem Kopfe des Tieres in ganz kleiner Menge zufliessen.
In seltenen Fällen erfolgte Flucht, wie es bei schwachen Säurelösungen und starken Chloralhydrat-
lösungen stets der Fall war. In den ändern Fällen aber wurde der Schnabel vom Körper abgehoben
und senkrecht zu dessen Längsaxe gestellt. Dann fuhr der feine Stachel aus seiner Scheide heraus,
entweder um einige Sekunden ausgestreckt zu bleiben, oder (häufiger) um in raschen Wiederholungen
mehrmals blitzschnell aus- und eingezogen zu werden.
Ich weiss diese Reaktion nicht recht zu deuten; ist es eine Äusserung von Unlust- oder Lust-
Empfindung? Im ersteren Falle wäre die Benützung des Stachels eine Abwehrmassregel gegen einen
empfundenen Reiz. Hiefür könnte sprechen, dass die beschriebene Reaktion zuweilen auf schwache
Chloralhydratlösungen ebenfalls eintritt, welche sonst von Tieren unangenehm empfunden werden.
Freilich pflegt auch Saccharin sonst in unangenehmer Weise zu reizen und geflohen zu werden. Die
Notonectalarven flohen nie vor Saccharin, dagegen scheint Chloralhydrat ihnen auf die Dauer unangenehm
zu werden, denn nach mehrmaligem Ausstrecken des Stachels pflegten die Larven in die Tiefe zu
entfliehen. Da vor schwachen Säuremischungen und mechanischem Reize die Tiere stets entflohen,
halte ich es für wahrscheinlicher, dass das Aufrichten des Rüssels und das Ausstrecken des Stachels
ähnlich zu deuten ist, wie die Greif- und Beissbewegungen der Schwimmkäfer als Reaktion auf Fleischsaft
und Zucker. Wahrscheinlich täuscht der Geschmackseindruck in beiden Fällen dem Tiere eine
Beute vor, welche der Schwimmkäfer ergreifen, der Rückenschwimmer anstechen zu können glaubt.
Vielleicht erfolgen dabei Saugbewegungen, wie bei Schnecken als Reaktion auf Zucker.
Nepa, R a n a tra , N a u c o ris zeigten das hier beschriebene Verhalten nicht, Naucoris vielleicht
nur deshalb nicht, weil sie nicht den Mund nach oben kehrt und deshalb die Reizung der
äusseren Schmeckwerkzeuge nicht gelingt. Sie ist sonst sehr lebhaft und reagiert auf mechanische
Reize prompt. Nepa und Ranatra sind hochgradig stumpfsinnig, reagieren selbst auf die stärksten
Agentien, Chloralhydrat und Essigsäure in starken Lösungen nicht, und zeigen das merkwürdige Phänomen
des ganz langsamen Absterbens in Alkohol (vergl. oben pg. 119.) Hydrometra ist zu lebhaft
und zu scheu, um zu Versuchen zu dienen.
Die G e schm a ck so rg an e d e r In s e k ten .
Nachdem ich bei Dytiscus das Geschmacksorgan ausführlich besprochen habe, habe ich bei
den übrigen Insekten die Schmeckorgane bis jetzt beiseite gelassen, oder nur kurz erwähnt. Sie
sollen nun hier zusammenfassend besprochen werden. Die Kenntnisse, welche wir von früheren Autoren
her besitzen, vermehrt um meine eigenen Beobachtungen, gestatten es, über die Schmeckwerkzeuge
der Insekten bestimmter sich auszusprechen, als über die Riechorgane, wo noch manche wichtige Frage
der Entscheidung harrt.
Ich .finde es zweckmässig, die Organe des Schmeckvermögens zu unterscheiden als ä u s s e re
und in n e re Schmeckorgane. Die letzteren liegen im Inneren des Mundes, die ersteren irgendwo
ausserhalb desselben.
Bei andauernd im Wasser lebenden Tieren fällt die eine Hälfte der Thätigkeit des chemischen
Sinnes, das Riechen, weg. An seine Stelle tritt in vielen Fällen die Thätigkeit eines „äusseren
Schmeckorganes". Dessen Funktionen sind fast ganz dieselben wie die eines Riechorganes, und es
unterscheidet sich von ihm nur dadurch, dass ihm stets flüssige, nicht gasförmige Reizstoffe zugeführt
werden. Das äussere Schmeckorgan tritt bei den Insekten sehr wenig entwickelt auf, nicht zum
kleinsten Teile wohl deshalb, weil ihre Haut den starren Chitinpanzer besitzt, welcher sie einerseits
schützt, andererseits ihr die Ausübung von Sinnesthätigkeiten erschwert. Wir finden daher, wenn
überhaupt ein äusseres Schmeckorgan, dieses stets eng lokalisiert, nie über den ganzen Körper verbreitet,
wie beim Egel. Naturgemäss finden wir es am ehesten bei Wasserinsekten, bei welchen auch
andere Teile als die Mundteile mit Flüssigkeiten in Berührung kommen, vor allem die Fühler.
Von entscheidender Bedeutung für das Vorhandensein oder Fehlen äusserer Schmeckorgane
ist aber, wie ich zu zeigen hoffe, die A rt der N ah ru n g sau fn ahm e , und zwar in folgender Weise:
In n e re S chm e ck o rg an e sc h e in en a lle n In s e k te n zuzukommen, wenn auch
in se h r w e ch s e ln d e r A u sbildung. Sie sin d d ie e in z ig e n bei k auenden In se k te n .
Be i sa u g e n d e n und le c k e n d e n I n s e k te n e x is tie r e n S in n e so rg an e , welche chem
ische P rü fu n g d e r N ah ru n g schon vor der Aufnahme d e rs e lb e n in den Mund ges
ta tte n . D e r le tz te r e n A b te ilu n g s c h lie s s e n sich auch die im W a s s e r le b e n d e n
K a u k e r fe an.
In früherer Zeit geschah es mehrfach, dass ein Autor eine Insektenfamilie mit Rücksicht auf
ihr Geschmacksorgan untersucht hatte, ein solches fand, und nun mit mehr oder weniger Bestimmtheit
den Satz aufstellte, damit sei das Schmeckorgan der Insekten überhaupt gefunden. Wenn nun zwei
Forscher zufällig verschiedene Insektenfamilien vorgenommen hatten, konnten sie zu ganz ungleichen
Schlussfolgerungen kommen (Jo sep h , Will). So lagen nun von den verschiedenen Familien der
Insekten recht verschiedene Angaben über die Organe vor, die wir als Schmeckwerkzeuge aufzufassen
hätten. In seiner oft zitierten wertvollen Abhandlung (106) hat sodann F o r e 1 die Stellung präzisiert,
die wir zu diesen verschiedenen Angaben zu nehmen haben (1. c. pg. 222): „Je crois pour ma part
que tous ces Organes sont gustatifs.“
Dieser Ansicht schliesse ich mich an, und halte die sämtlichen von F o re l, G a z a g n a ire ,
Jo s e p h , K rä p e lin , M e in e rt, P a c k a rd , Will und Anderen beschriebenen Organe an den
Mundteilen für wirkliche Schmeckwerkzeuge.
Es g ie b t k e in e n sp e z if is c h e n G e s chm a ck sn e rv en b e i den I n s e k te n , und
darum ist das S chmeckorgan n ic h t an eine b e s tim m te S te lle g e b u n d en , so n d e rn
je na ch B e d a rf, n a ch d e r Art d e r Nah ru n g und Nahrun g sau fn ahm e kann sich aus
den H a u ts in n e s o rg a n e n der M u n d te ile ein mehr o d e r weniger d iffe re n z ie rte s Geschmack
sorg an h e ra u sb ild e n . Es giebt jedoch Prädilektionsstellen, an welchen sich bei
besonders zahlreichen Familien Schmeckorgane gebildet haben. Ehe ich an die Besprechung der
Schmeckorgane der einzelnen Familien gehe, will ich einen Versuch zur Erklärung der aus der
anatomischen Untersuchung in Übereinstimmung mit dem Experimente sich ergebenden Thatsache