Zwecke des Abblendens greller Strahlen nicht von Nöthen sind, so erklärt sich einerseits der
Mangel des Retinapigmentes, andererseits die constante Dunkelstellnng des Irispigmentes bei den
irido-pigmentären Augen der Schizopoden. Wir wüssten thatsächlich keine Augen zu nennen,
welche dem Ideal eines Dunkelauges näher kommen, als diejenigen der pelagischen Tiefsee-Schizopoden.
Nach einem anderen Principe sind die offenbar weniger leistungsfähigen Dunkelaugen der
retinopigmentären Sergestiden, Hyperiiden und der noch genauer zu besprechenden Polyphemiden
construirt. Ein Superpositionsbild ist bei ihnen ausgeschlossen und die auffallenden Strahlen
werden durch die enorm langen Krystallkegel vermittelst totaler Reflexion den Rhabdomen zugeleitet.
Das aufrechte Netzhautbild ist entschieden lichtschwächer als das Superpositionsbild
im Schizopodenauge und auf Rechnung dieses Umstandes mag es auch zu setzen sein, dass die
Sergestiden, Hyperiiden und Polyphemiden im G-rossen und G-anzen sich der Oberfläche näher
halten, als die Tiefsee-Schizopoden.
Wenn nun trotzdem bei den retinopigmentären Formen dieselbe monströse Verlängerung
der nach oben gewendeten Facettenglieder wiederkehrt, wie im Schizopodenauge, so dürfte der
Werth dieser Einrichtung in beiden Fällen auf Rechnung der entstehenden Zerstreuungskreise
zu setzen sein. Dass manche Einrichtungen im Frontange der Tiefsee-Schizopoden erst bei
Berücksichtigung dieses Umstandes verständlich werden, wurde oben ausführlicher dargelegt und
nicht minder wurde nachzuweisen versucht, dass gerade im retinopigmentären Frontauge die
Verhältnisse für Bildung von Zerstreuungskreisen besonders günstig liegen. Zerstreuungskreise
begünstigen, wie E x n e r darlegte, das Erkennen von Bewegungen, und so dürfen wir wohl im
Allgemeinen sagen, dass die Frontangen Organe darstellen, welche vorwiegend zum Erkennen
beweglicher Objekte geeignet sind. Damit soll durchaus nicht gesagt sein, dass den Seitenaugen
dieses Vermögen abgeht; es ist nur nicht so hochgradig ihnen eigen, während sie andererseits
in Bezug auf Wahrnehmung specialisirter Bilder (wenigstens bei den Schizopoden) den Frontaugen
überlegen sind. Dass aber für pelagische Tiefenformen das Erkennen von Bewegungen
von höherem Werthe ist, als das Wahrnehmen specialisirter Bilder, vermag keine Thatsache
drastischer zu illustriren, als der Mangel der Seitenaugen hei der Gattung Arachnovnysis.
T h a t s ä c h l i c h r e p r ä s e n t i r e n den n a u c h säm m tlic h e p e la g is c h e T ie fe n b
ew o h n e r m it F a c e t t e n a u g e n , d e re n D o r s a la b s c h n itt a ls F ro n ta u g e c h a ra k -
t e r i s i r t i s t , r ä u b e r is c h le b e n d e O rg a n ism e n , denen ein Wahrnehmen der sich bewegenden
Beutethiere von hervorragendem Werthe sein muss. Sicherlich werden die ungemein
lichtempfindlichen Frontaugen es dem Träger ermöglichen, Organismen — wenn auch nur in
schattenhaft verschwommenen Umrissen — in jenen Tiefen wahrzunehmen, welche für gewöhnlich
constmirte Augen sich als völlig dunkel erweisen. Alles deutet ja darauf hin, dass in den monströsen
Frontaugen der Gattungen Nematoscclis und Stylocheiron auch der schwächste auffallende
Lichtstrahl nutzbar gemacht wird. Die räuberische Lebensweise stempelt denn auch den genannten
Gattungen, die in grossen Schwärmen die Tiefenregionen bevölkern, ihr Gepräge auf:
gewaltige Raubfüsse, prächtig entfaltete (auch den Sergestiden zukommende) Antennen mit üppig
entwickelten Sinneshaaren und Lenchtorgane, welche die Beutethiere — wie oben (p. 211) ausgeführt
wurde ^ anlocken, bilden den hervorstechendsten Charakterzug dieser originellen Wesen.
Wir finden stets den Magen der pelagischen Tiefenbewohner mit Resten von Copepoden,
Ostrakoden und verwandter Organismen erfüllt und constatiren, .dass die Magenwandungen mit
Einrichtungen ausgestattet sind, welche ein Zerschroten der aufgenommenen Harttheile ermöglichen.
b. Die Augen der Polyphemiden.
Die Vermuthung liegt nahe, dass Crustaceen, welche entweder temporär oder zeitlebens
unter ähnlichen Bedingungen, wie die oben erwähnten Gruppen, eine räuberische Lebensweise
führen, gleichfalls charakteristische Auszeichnungen im Baue der Augen zukommen möchten.
Wenn ich gerade die Polyphemiden herausgreife, so geschieht das aus zwiefachem Grunde.
Einerseits repräsentiren sie Organismen mit nur einem unpaaren Kugelauge und andererseits
möchte ich den Nachweis führen, dass auch Bewohner des Süsswassers!) Umbildungen der Augen
aufweisen, welche eine sinnfällige Convergenz zu der Augeustruktur mariner pelagischer Organismen
darbieten.
*) Ueber die Biologie der pelagischen Süsswasserfauna in den tiefen Seen der Alpen liefern noch nicht veröffentlichte
Untersuchungen von Dr. H o fer neue und in vieler Hinsicht interessante Aufschlüsse. Da die Ergebnisse dieser
Studien an einer leider wenig zugänglichen Stelle (in den Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees, Lindan 1896)
erscheinen werden, so bin ich Dr. Hofer zu Dank verpflichtet, dass er mir einen Einblick in sein Manuskript gestattete,
dem das nachfolgende Referat entnommen wurde. Ich veröffentliche dasselbe um so lieber, als ich im September d. J.
(1895) Gelegenheit fand, den Untersuchungen Dr. H o fe r’s am Achensee beizuwohnen und mich aus eigener Anschauung
von der exakten Durchführung zu überzeugen.
Hofer untersuchte die Vertheilung der Thierwelt im Bodensee, Königsee, Starnberger-, Walchen- und Achensee
und berichtet namentlich über die horizontale, verticale und zonare Verteilung des Planktons in diesen Seen.
Mit Hülfe der Hensen’schen Planktonmethode stellt er fest, dass die h o r iz o n ta le Verbreitung des Planktons
im Bodensee eine gleichmässige ist, so dass die Abweichungen vom Mittel normalerweise nicht über 25 °/o hinausgehen.
In Betreff der v e rtic a le n V e rb re itu n g findet Hofer auf Grund von zahlreichen Stufen- und Schliessnetzfängen
(im Gegensatz zu der bisher allgemein Verbreiteten Ansicht), dass die limnetische Thierwelt in den tie fe n Seen nicht in
allen Schichten verbreitet vorkommt, sondern dass sich unter einer oberflächlichen b e le b te n , eine a b y s sa le u n b e le b te
Zone befindet. So reicht im Bodensee das Plankton nur bis zu einer Tiefe von 30 m, ebenso auch im Starnberger- und
Königsee nur bis 35 m Tiefe, im Achensee steigt dasselbe jedoch bis zu 70, im Walchensee bis 85 m herunter.
Die Ursache dieser beschränkten vertikalen Verteilung setzt Hofer in Beziehung mit dem Verhalten des Lichtes
im Wasser. Er constatirte, dass die Sichtbarkeitsgrenze während des Sommers im Bodensee, Starnberger- und Königssee
in 5 bis 5^2 m Tiefe, dagegen im Achensee zu gleicher Zeit bei 12 m, im Walchensee bei 14 m Tiefe liegt. Je durchsichtiger
also ein See ist, um so tiefer steigt das Plankton in demselben herab. Nach den Untersuchungen, welche
von F o re l im Bodensee mit Chlorsilberplatten angestellt wurden, hat das Licht im Sommer bei einer Tiefe von 30 m
bereits soviel an Intensität eingebüsst, dass Chlorsilberplatten davon nicht mehr angegriffen wurden. Hofer nimmt deshalb
an, dass die untere Grenze für die Verbreitung des Planktons zusammenfällt mit demjenigen Grad der Dunkelheit, hei
welcher Chlorsilberplatten nicht mehr chemisch auf die jedenfalls nur sehr spärlich vorhandenen blauen oder violetten
Lichtstrahlen reagiren.
In einer kritischen Revision der in der Litteratur vorliegenden älteren Angaben über die verticale Verbreitung
des Planktons weist Hofer nach, dass seine Befunde in keinem Gegensatz mit den früheren Untersuchungen stehen, sondern
dass die wirklich zuverlässigen Beobachtungen von W eism ann, P a v e s i und Asper eigentlich schon zu demselben Schluss
hätten führen müssen.
In dem Kapitel über die zo n are V e rth e ilu n g des Planktons berichtet Ho fer, dass er in Uebereinstimmung
mit P av e si innerhalb der belebten Zone die Gesammtmasse des Planktons keineswegs gleichmässig vertheilt vorgefunden
habe. Vielmehr findet er im Bodensee während der Sommer- und Herbstmonate, dass in den alleroberflächlichsten Schichten
von 1—2 m Tiefe nur ganz geringe Mengen limnetischer Thiere Vorkommen, (in 60 cbm Wasser ca. 0,1 ebem Plankton).
Von hier ab schwillt die Menge nach der Tiefe allmählich an, um im Bodensee zwischen ca. 10 und 15 m ihr Maximam von
ca. 15—20 ebem pro 60 chm Wasser zu erreichen, fällt von da ab wieder langsam bis auf 30 m ab, um unter dieser
Tiefe völlig zu verschwinden. Im Winter ändert sich diese Art der Vertheilung völlig, indem von der freien Oberfläche
ab durch alle belebten Zonen eine ziemlich gleichmässige Verbreitung des Planktons zu beobachten ist.
Bei dieser zonaren Vertheilung verhalten sich die einzelnen das Gesammtplankton zusammensetzenden Thiere
sehr verschieden.
H o f e r unterscheidet v i e r Gruppen. Er fand einmal Formen, wie Diaptomus gracilis und Cyclops
Leuckarti, welche zu keiner Zeit, auch nicht im Sommer, in irgend einer Zone massenhafter Vorkommen, sondern welche