normal bezeichnet werden kann, und es ist daher nicht wohl möglich, die Bezeichnung eines normalphysiologischen
Vorganges auf ihn zu übertragen. Ich möchte daher die bei diesem Versuche sich
abspielende Sinnesthiitigkeit so wenig „Riechen“ nennen, wie ich einen Faustschlag ins Gesicht darum
„sichtbar“ nenne, weil er, das Auge treffend, Lichtempfindung hervorruft.
Wir haben daran festzuhalten, dass normalerweise schmeckbare Stoffe flüssig oder wenigstens
in dem die Schmeckorgano eventuell bedeckenden Sekrete löslich sein müssen, riechbare Stoffe gasförmig
oder dampfförmig, also flüchtig sein müssen. Das letztere ist darum nötig, weil das Riechorgan
in den meisten Fällen frei in die Luft ragt und die Gegenstände nicht berührt; die chemischwirksamen
Bestandteile derselben müssen daher, um Erregung zu erzeugen, in die Luft übergehen.
Ob es nötig ist, dass sie sich auf den Riechorganen wieder verdichten, wie es auf feuchten Schleimhäuten
wohl geschehen muss, wissen wir nicht. Die trockenen Riechorgane der Insektenfühler sprechen
nicht zu Gunsten dieser Annahmen.
Die näheren Bedingungen der Riechbarkeit eines Stoffes kennen wir nicht. Man weiss, dass
nicht alle flüchtigen Stoffe riechbar, nicht alle flüssigen schmeckbar sind.- A ro n so h n stellt als
Bedingung für Riechbarkeit auf, die Riechstoffe müssten zusammengesetzt sein, die Elemente riechen
nicht. Mit welcher Berechtigung Aronsohn die Riechbarkeit des Chlor, Brom, Jod, Fluor, Ozon,
(Arsen? Phosphor?) leugnen zu dürfen glaubt, teilt er leider nicht mit.
Ganz anders stellt sich G. J ä g e r die Sache vor. Ihm ist sogar das Gold ein Riechstoff:
— Hunderte von Schülern und Zuhörern haben nach J ä g e r ’s Aussage „sogar die jenseits aller Vorstellung
liegende . . .“ „500. Potenz (!) von metallischem Gold“ „nicht nur gerochen, sondern sogar
geschmeckt“® - „Also der Mensch kann recht wohl, er will nur nicht“ (!!) (G. Jäger, homöopathische
Verdünnung, Stuttgart 1889 pg. 36).
Es erhebt sich nun die Frage, welche Gründe es für die Annahme giebt, dass die Bedingungen
der Riechbarkeit einer Substanz auch im Wasser erhalten bleiben können, dass somit Riechstoffe und
Schmeckstoffe auch im Wasser noch etwas verschiedenes darstellen.
Ganz kurz kann ich mich bezüglich der Anschauung fassen, welche sich zuweilen bemerklich
macht, und für welche ich als Beispiel eine Äusserung Aron so hn’s angeführt habe, der Anschauung,
als ob das Riechen vor dem Schmecken die Eigenschaft voraus hätte, dass die Riechstoffe auf die
Entfernung hin wirkten, die Schmeckstoffe nur bei Kontakt. Oberflächlich betrachtet trifft dies für
Lufttiere zu, indem die Luft als Trägerin der Riechstoffe eine allseitige und freiere Beweglichkeit hat,
als Flüssigkeiten, und vor allem deshalb, weil die Gase das Bestreben der Diffusion, der gleichmässigen
Mischung haben, welches den Flüssigkeiten nahezu fehlt. Für die Verhältnisse im Wasser könnte jene
Eigenschaft der Gase und Dämpfe, mithin der Gerüche, nur dann in dem obigen Sinne verwertet
werden, wenn sie die weitere Eigenschaft hätten, das Wasser in ähnlichem Masse widerstandslos zu
durchdringen, wie es der hypothetische Äther durchdringt. Dies ist aber bekanntlich nicht der Fall.
V. G räb e r (118) hat die Frage des Riechens im Wasser von einer ändern Seite in Angriff
genommen, welche ihm ein neues Licht auf den Gegenstand zu werfen schien. G räb e r untersuchte
die E inw irk u n g von (Luft-)Riechstoffen au f aus dem W a s se r g en ommene W a s se rtie
r e , sowie auf so lc h e , d ie im B e g riffe sin d , das W a s s e r zu v e rla s s e n . Ich habe
die Versuche G r a b e r ’s nachgemacht, auf andere Tiere und andere Reizstoffe ausgedehnt und die
Versuchsmethoden zum Teil abgeändert. Die Ergebnisse im Einzelnen sind weiter unten im speziellen
Teile angegeben und weichen von denjenigen G ra b e r’s wenig ab. Ich lege auf diese Versuche w’enig
Wert, und betrachte sie namentlich als keineswegs geeignet, einen Unterschied zwischen Riech- und
Schmeckvermögen, bezw. den beiden Arten der Sinnesorgane aufzudecken. Wo ich die E inw irkung
f lü s s ig e r und d am p ffö rm ig e r R e iz sto ffe b e i W a s s e r tie r e n neben e in a n d e r u n t e r su
c h t h a b e , h ab e ich niemals für die A u fn ahm e ste llen d e r b eiden R e iz a rte n getr
e n n te L o k a lis a tio n gefunden. G e ru ch sem p fin d lich e S te lle n bei W a s s e r tie re n
waren s te ts auch fü r G e s c hm a c k s e in d rü c k e empfänglich.
Auf einen Punkt in den Mitteilungen G rab e r’s muss ich hier, seiner principiellen Wichtigkeit
halber, näher eingehen. G rä b e r b e to n t d ie M ö g lich k e it d e r W irk u n g d e r L u ftrie
c h s to f fe durch eine W a s se rsc h ic h t hindurch. Er sagt wörtlich (118 pg. 387):
„Voran stelle ich zunächst eine Thatsache, die für die richtige Erkenntnis der Perception von
Luftriechstoffen unter Wasser von Wichtigkeit ist. Bei Lymnaea, Paludhia, Planorbis und anderen
Wasserschnecken gelang es mir zu konstatieren, dass sie auf diverse ihnen über dem Wasserspiegel
(an einem dünnen Glasstäbchen) möglichst nahe gebrachte Riechmaterie, (wie z. B. Ol. rosae, ihymi,
Birnäther, Assa foetidci etc.) durch Zurückziehung ihres Weichkörpers im Mittel schon nach einer
halben bis 5 sec reagieren und zum Teil auch dann, wenn zwischen dem R ie c h b a re n und
dem P e rc e p tio n so rg a n e e in e W a s s e rsc h ic h t von 1—2 mm sich b e fin d e t.“ —
Ich habe ähnliche Versuche an zahlreichen Schnecken und Würmern gemacht, muss aber
gleich hinzufügen, dass ich eine momentane Einwirkung durch eine 2 mm tiefe Wasserschicht selbst
bei den stärkst wirkenden Stoffen nie wahrnahm. Sicher ist jedoch, dass nicht nur im Wasser leicht
lösliche Stoffe (Alkohol),*) sondern auch wenig lösliche Stoffe (Chloroform, ätherische Öle) durch eine
Wasserschicht (von gegen 1 mm Dicke) hindurch fast momentan reizend wirken können.
Die oben citierten Sätze aus der Abhandlung G ra b e r’s glaube ich so verstehen zu müssen,
dass G rä b e r durch die erwähnten Versuche zu der Ansicht gekommen ist, Luftriechstoffe seien auch
unter Wasser riechbar, und zwar in der Weise, dass das Wasser die Ausbreitung der riechenden
Dämpfe in ähnlicher Weise gestatte, wie die Luft. Ich meine, jene Versuche geben im Gegenteil
Anlass zu betonen, dass die reizenden Stoffe nur eine ganz dün n e W a s se rsc h ic h t durch d
rin g en , von weiterem Vordringen aber abgehalten werden, fast wie von einem festen Körper. Eine
D u rch d rin g u n g des W a s s e rs d u rch Gase und Dämpfe als solche, etwa in der Weise, wie
der hypothetische Äther alle Stoffe durchdringt, ist nicht denkbar, ebensowenig Mischung von Gas und
Wasser, wie sich 2 Gase mischen und gegenseitig verdrängen können. Gase können, soviel wir wissen,
im Wasser nur in zweierlei Gestalt vorhanden sein, entweder grob mechanisch in B la sen zurückgehalten,
oder a b s o rb ie r t (gelöst). Ich glaube aber, bei den genannten Versuchen Graber’s und
den meinigen wirken die riechenden Stoffe gar nicht in Gasform, sondern als Flüssigkeiten. Die verwendeten
Substanzen sind bei Zimmertemperatur flüssig, aber verdampfbar. Von dem mit Äther und
dergleichen befeuchteten Glasstabe strömen die Dämpfe mit Heftigkeit gegen die Wasserfläche, speziell
bei Äther und Benzol so energisch, dass das Wasser in deutlich strömende Bewegung gerät und
leichte schwimmende Teilchen irgend welcher Art von dem Riechstoff abgestossen zu werden scheinen.
’) Von mehreren Experimentatoren, so auch von G r ä b e r (s. o.) wird Asa foetida als flüssiger Riechstoff verwendet:
sollte sie in alkoholischer Tinktur verwendet sein? Mehrfach habe ich gefunden, dass alkoholische Tinkturen zu
Riech- und Schmeckversuchen angewendet wurden, und muss darauf hinweisen, dass in solchen Fällen die Wirkung des
Alkohols diejenige des betreffenden Riech- oder Schmeckstoffes weit überwiegt. Alkoholdämpfe reizen so heftig, dass sie
zu derartigen Versuchen nicht geeignet sind. Ich selbst habe anfangs wiederholt jenen Fehler gemacht.
B ib lio th e c a zoologica. Ueft 18.