zoen auftraten, gleich spezifische gewesen sein ? Sollte vom Universalsinnesorgane, falls dieses wenigstens
anerkannt wird, ein Sprung direkt zu jenen gemacht sein, ohne dass sich Zwischenglieder
einschoben?
Schon zu der Zeit, als H ä ck e l zum ersten Male von „gemischten Sinnesorganen“ sprach
(1866), gab es keinen Grund, welcher die Annahme derartiger Zwischenformen, wie sie eben H ä ck e l
in den Sinnesorganen der Geryoniden fand, unmöglich oder auch nur unwahrscheinlich gemacht hätten,
und auch jetzt ist es nicht anders. H ä ck e l konnte freilich nur Vermutungen aufstellen, weil-ihm
kein experimentelles Beobachtungsmaterial zur Verfügung stand, auf das er sich hätte stützön können.
Unter dem gleichen Ubelstande leiden noch fast alle jene Abhandlungen, die ich oben als Zeugnis
für die weitgehende Anerkennung, welcher sich der Begriff des Wechselsinncsorganes erfreut, angeführt
habe. Zahlreiche Forscher haben uns schon seit lange mannigfache Kenntnisse in der Anatomie der
Sinneswerkzeuge niederer Tiere verschafft: neue Methoden und neue Objekte haben gerade in den
letzten Jahrzehnten in dieser Hinsicht bedeutend gefördert, und endlich beginnt auch die experimentelle
Physiologie fruchtbringend und wirksam in die Fragen einzugreifen. Freilich zeigte sich
hierbei zunächst eine sonderbare Erscheinung. Die Versuche, die z. B. über den Geruchssinn der
Insekten angestellt worden sind, sind äusserst zahlreich, führten aber dio verschiedenen Forscher zu
ganz ungleichen Resultaten. Ebenso ging es auf Nachbargebieten. Die Versuche litten eben an dem
Fehler, dass sie angestellt waren in der Absicht, die „fünf Sinne“ des Menschen bei allen Tieren
nachzuweisen. Jetzt erst beginnt man den Fehler, der hierin liegt, mehr und mehr einzusehen: man
erkennt, dass die Versuchsergebnisse auf andere Verhältnisse bezüglich der Sinne niederer Tiere hindeuten,
als man sie von der menschlichen Sinnesphysiologie her gewohnt ist. Die Versuchsergebnisse
werden mit einem Male verständlicher, sowie man die Möglichkeit berücksichtigt, dass die Verteilung
der Sinne auf die Sinnesorgane bei niederen Tieren eine andere sein könne als beim Menschen, dass
ein Sinnesorgan mehrerlei Sinnen als Organ dienen könne. Es ist auffallend, dass diese Vorstellung,
die so lange schon von morphologischer Seite vielfach vermutungsweise ausgesprochen war, bei so
vielen Autoren, welche die experimentelle Sinnesphysiologie betrieben, unterdrückt blieb; und doch
war sie es, die allein die Entscheidung bringen konnte.
Von den Forschern, die ich oben citierte, verfügt nur J o u rd a n schon über ein, freilich nur
in der Litteratur gesammeltes Beobachtungsmaterial mit breiterer Grundlage, und gerade er tritt mit
Entschiedenheit für das Vorkommen von wenig differenzierten Sinnesorganen hoch hinauf in der Reihe
der wirbellosen Tiere ein.
Ich habe schon in einigen früheren Publikationen zu dieser Frage Beiträge gegeben, welche
in vorliegender Abhandlung vermehrt werden sollen. Insbesondere meine Versuche an Actinien und
an Beroe scheinen mir geeignet, das Vorkommen von Wechselsinnesorganen sehr wahrscheinlich zu
welche zwar zugeben, Tastsinn und Temperatursinn könnten in den Hautsinnesorganen niederer Tiere wohl vereinigt sein,
dagegen für den chemischen und den Lichtsinn seien besondere spezifische Organe zu suchen. Wie kommt es, dass gerade
Wechselsinnesorgane des mechanischen und thermischen Sinnes so vielfach angenommen werden? Etwa weil die Empfindung
der Wärme und Kälte den Tasteindrücken verwandter wären, als den übrigen Sinneseindrücken (Geschmack)? Keineswegs,
denn die einfache Selbstbeobachtung zeigt, dass dies nicht zutx-ifft. Wärmeempfindung ist von Berührungsempfindung nicht
weniger verschieden, als von Geschmacksempfindung. Hein, einzig und allein die Übereinstimmung in der Lokalisation
jener beiden Sinne beim Menschen ist es, welche diesen eigentümlichen Einfluss auf das Urteil so zahlreicher Forscher
gehabt hat. Dass aber die Übertragung dieser gewissemassen zufälligen gleichen Verteilung von Tast- und Wärmeorganen
beim Menschen auf die Tiere nicht genügend begründet ist, liegt auf der Hand.
machen, indem sie zeigten, dass bei jenen Tieren chemischer, thermischer und mechanischer Sinn an
den gleichen Stellen des Körpers lokalisiert sind.
Man kann nun einwenden, diese und ähnliche Versuche b ew e isen indessen meine Behauptung
nicht, da sie nur die Sinnesempfindlichkeit bestimmter Körperstellen für verschiedene Reizarten zeigen,
nicht aber den Beweis liefern, dass nun auch wirklich eine und dieselbe Gattung von Sinneszellen
hiebei in Thätigkeit trete. Es könnten ja auch in einem solchen Bezirke des Körpers verschiedenerlei
Sinneszellen, mit getrennten spezifischen Energien versehen, durcheinander gemengt stehen.
Sie könnten selbst für den durch’s Mikroskop beobachtenden unter einander gleich erscheinen und doch'
innerlich, vielleicht in ihrer chemischen Struktur, verschieden sein.
Ist nun diese Annahme wahrscheinlicher, oder jene, nach welcher die Sinneszellen unter sich
annähernd gleichartig und alle mit der Fähigkeit begabt sind, durch verschiedenerlei Arten von
Reizen in bestimmte, normale Erregungszustände zu geraten?
Für die erstere Annahme kann, wie ich glaube, nur die Analogie der Sinneswerkzeuge höherer
Tiere angeführt werden, bei welchen eine zweifellos spezifische Disposition sich ausgebildet hat und
bei denen trotzdem oft mehrere Reizmodalitäten erregend wirken können, dabei freilich immer nur
die eine, die spezifische Sinnesempfindung erzeugend. So könnte z. B. in den Tentakeln der Actinien
eine spezifische Disposition der Sinneszellen für eine Reizart, etwa für Geschmacksreize vorgebildet sein,
während die Berührung und die Wärme inadäquate Reizungen darstellten, und gewissermassen nur
zufällig wirksam wären. Oder die einen Sinneszellen könnten Geschmacksorgane, die zweiten
Temperatur-, die dritten Tastorgane sein.
Gegen diesen Analogieschluss von den höchsten auf die niederen Tiere lässt sich nun aber
sogleich ein entgegengesetzter Analogieschluss stellen von den niedersten Wesen, den Protisten und
nervenlosen Metazoen (vom Gasträadentypus) auf die zwar mit Nerven versehenen, aber noch immer
niedrig stehenden Metazoen, wie etwa die als Beispiel angeführten Actinien. Wir sahen, dass schon
einzellige Organismen, also Geschöpfe ohne besondere Sinnesorgane zu mancherlei Sinneswahrnehmungen,
zum Teil sogar in sehr feiner und ausgebildeter Weise befähigt sind. So gut dem Protoplasma
dieser Zellen universale Sinnesthätigkeit eigen ist, so gut, sollte ich meinen, kann dies auch
noch bei Zellen der Fall sein, welche Glieder eines grösseren Verbandes geworden sind, ohne dabei
den Connex mit der Aussenwelt aufzugeben. Solche Zellen sind die Sinneszellen, besonders die in
der Haut, unmittelbar an der Oberfläche gelegenen. ^ Also ein Analogieschluss gegen den anderen!
Doch es giebt bessere Gründe für die Annahme von Universal- und Wechselsinnesorganen.
Wenn man, wie von H a n s te in bezüglich meiner Versuche an Beroe, annimmt, die Reizbarkeit
z. B. des E im e r sehen Sinnesorganes am Mundrande von Beroe durch mechanische, thermische und
chemische Einflüsse sei der Thatsache parallel zu setzen, dass auch das menschliche Auge auf Druck
und Elektrisierung mit Empfindung "reagiert, so wird dabei offenbar vorausgesetzt, e in e der verwendeten
Reizarten (oder eine andere, unbekannte) sei der eigentliche, adäquate Reiz für jenes Organ,
die übrigen wirksam befundenen Reizarten dagegen erregen in abnormer Weise die Sinneszellen
oder die Nerven selbst. Es wird in solchen Fällen mit Vorliebe darauf hingewiesen, dass chemische
Agentien, z. B. Ammoniakdämpfe, die Conjunctiva des menschlichen Auges zu reizen vermögen,
ohne dass diese ein für chemische Sinnesthätigkeit bestimmtes Sinnesorgan darstellen. Man denkt
dann daran, die reizenden Flüssigkeiten oder Dämpfe könnten zwischen die Epithelzellen eindringen, diese
selbst vielleicht schädigen, und zu den Nervenfasern oder deren Endorganen dringen und sie in einer
Weise reizen, die weder für die Nerven noch für die Endapparate als normal bezeichnet werden könne.
Bibliotheca zoologica. Heft 18. 5