sie aber die einzigen Organe des chemischen Sinnes oder überhaupt irgend eines Sinnes sein sollten,
ist offenbar nicht richtig.
Nur selten gelang es mir, Asterias gladalis zum Fressen unter meinen Augen zu bringen.
Wenn man jedoch auf die Seite eines Armes entweder ein Stückchen Fischfleisch oder ein Fliesspapierbällchen
legt, ist das Verhalten in beiden Fällen ein so verschiedenes, dass man an dem Schmeck-
vermögen der berührenden und betastenden Füsschen nicht zweifeln kann. Das Benehmen der Tiere
ist sehr schwer anschaulich zu schildern. Ich kann nur sagen, dass man sofort den Eindruck bekommt,
als ob die Tiere das Fleisch und das Papierbällchen mit Sicherheit unterscheiden und in letzterem
ein wertloses Surrogat erkennen. Freilich könnte dabei auch ein sehr feiner Tastsinn die Unterscheidung
ermöglichen. Da aber die Erfahrung mich gelehrt hat, dass andere Tiere, mit welchen ich
experimentierte, nie lockeres Fleisch von einem solchen weichen Cellulosehäufchen durch den Tastsinn
allein unterscheiden können, möchte ich dies auch bei den Seesternen kaum für möglich halten. Viel wahrscheinlicher
ist es, dass hierbei der chemische Sinn mit in Thätigkeit tritt. Gegen das Papierbällchen
zeigt das Tier entweder völlige Gleichgiltigkeit, oder es wird als mechanisch reizender Körper mittelst
der Füsschen rasch bei Seite geschoben. Das Fleischstückchen dagegen mit seinen löslichen Extraktivstoffen
nimmt die Aufmerksamkeit des Tieres entschieden mehr in Anspruch; die Füsschen betasten
lange und ausführlich das Fleisch, einmal schiebt sich der Arm über dasselbe her, das Stückchen wird
nach dem Munde zu bewegt, dann wieder losgelassen; ein andermal wird das Fleisch zwischen zwei
Arme eingeschlossen, die vorher weit auseinander standen, u. s. f. Mit Fliesspapierbällchen geschieht
das nie.
Um den Einwand zu entkräften, den man möglicherweise machen könnte, die schmeckbaren
Substanzen könnten auch zu den Fühlfüsschen hin diffundiert sein, und so die Unterscheidung durch
den Geschmack doch in diesen Organen vor sich gegangen sein, kann ich anführen, dass an dem Ausfälle
dieser Versuche nichts geändert wurde, wenn die Endglieder der Arme, also die Träger der
Fühlfüsschen, an sämtlichen Armen abgeschnitten waren.
Auch der folgende Versuch spricht meiner Ansicht nach entschieden für Schmeckvermögen
der Saugfüsschen in der Nähe des Mundes. Ein ganz grösser Seestern, dessen Arme je 12 cm lang
waren, befand sich nahe der Wasseroberfläche in langgestreckter Stellung. Ich legte ihm jetzt ein
Stück von einem Hinterleibe eines Pagunts zwischen die obersten beiden Arme. Ohne weiteres wurde
dasselbe sofort ergriffen und in den Mund gezogen. Mit geschmacklosen Papierbällchen wird nie so
verfahren, wie ich mich durch wiederholte Versuche überzeugte. Auch bei diesem Versuche ist nicht
daran zu denken, dass der Geschmacksreiz bis zu den Armenden gedrungen sein sollte.
Von Schlangen-’ und Haarsternen verwendete ich einige junge Exemplare von OpModerma
und einige ausgewachsene von Antedon rosacea (Gomatula mediterranea). Beide reagieren mit viel lebhafteren
und rascheren Bewegungen als die Asteriden. Bei den Ophiodermen konnte ich ihrer Kleinheit
wegen die Empfindlichkeit nicht näher lokalisieren. Bei Antedon zeigten alle Stellen des Körpers
ziemlich die gleiche, übrigens recht hohe Empfindlichkeit. Auf Zucker erhielt ich keine Reaktion.
Von H olothurien habe ich mit einigen Cucumarien neuerdings experimentiert. Diese überaus
trägen Tiere zeigten jedoch vollkommene Gleichgiltigkeit gegen alle von mir angewandten süssen
und bitteren Reizstoffe.
Anatomische Untersuchungen an Echinodermen habe ich nicht gemacht. Wir haben ausführliche
Nachricht über die Sinnesepithelien dieser Tiere besonders durch Hamann’s umfangreiche
Arbeit. Hamann gibt von den Seesternen an, dass bei den Fühlfüsschen (Tastfüsschen) die Nervenschicht
beträchtlich stärker, entwickelt ist als in den Saugfüsschen. Sie enthalten deutliche Sinneszellen.
Diese fehlen jedoch auch den Saugfüsschen nicht. Eigentliche Knospen, wie sie bei Seeigeln
sich finden, besitzen die Seesterne, wie es scheint, nicht.
Eine anatomische Unterscheidung von Organen des mechanischen und des chemischen Sinnes
giebt es nach dem Gesagten bei Seesternen offenbar nicht. Vielmehr scheinen die Hautsinneszellen
Wechselsinnesorgane beider Sinne zu sein. Nur für den Gesichtssinn hat sich ein besonderes Organ
abgegliedert.