c. Die Augen der auf dem Crrunde lebenden Tiefseecrustaceen.
Wenn wir nun den Bau der Facettenaugen jener Crustaceen, welche auf dem Grunde
der Tiefsee leben, mit den Augen der pelagischen Tiefenformen vergleichen, so bemerke ich zunächst
im Allgemeinen, dass es nicht meine Absicht ist, an diesem Orte eine eingehende Darstellung
meiner Resultate zu geben, welche ich an einem kostbaren, durch die Liberalität des
Fürsten A lb e r t von Monaco und Alexander A g a s s iz mir zur Verfügung gestellten Materiale
gewann. Ebensowenig liegt es in meiner Absicht, die schon vielfach erörterten Rückbildungen
der Augen von Tiefseekrustern nochmals dem Leser vorzutragen j wer sich für diese Fragen
interessirt, mag die in die Berichte der C h a llen g e r-E x p ed itio n eingeflochtenen Bemerkungen,
die Darlegungen von S. J. Smith (1886 p. 194 — 197) und die Zusammenstellungen von Gerst-
a eck e r (1889 p. 682—688, 1893 p. 928-934) zu Rath ziehen.
Da bis jetzt noch niemals der feinere Bau der Facettenaugen von stieläugigen Tiefsee-Cru-
staceen untersucht wurde, so gestatte ich mir zunächst, nur jene Punkte in den Vordergrund der
Betrachtung zu stellen, welche für die oben angeregten Fragen von allgemeinem Interesse sind.
In erster Linie hebe ich hervor, dass bei der ü b erwiegenden Mehrzahl d e r bis j e t z t
u n te r su c h te n Schizopoden und Dekapoden das R e tin a p igm e n t fe h lt, aber das I r i s pigment
in d e r fü r die D u n k e ls te llu n g c h a ra k te r is tis c h e n Anordnung vorhanden
is t. Wir haben es also mit iridopigmentären Augen zu thun, welche in sinnfälliger Weise Anklänge
an die oben geschilderten strukturellen Eigenthiimlichkeiten der Schizopöden-Augen darbieten.
Ich wüsste denn auch kein Argument anzuführen, welches beredter für die von mir oben
vertretene Auffassung spräche, dass die des Retinapigmentes entbehrenden pelagischen Schizopoden
ächte Tiefenformen repräsentiren.
Immerhin möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass in einigen seltenen Fällen das Retinapigment
allerdings nicht zwischen die Rhabdome vertheilt — auch bei Grundbewohnern noch
nachweisbar ist. Spuren desselben fand ich in den Augen eines Paguriden (Parapagums pilo-
simanus abyssorum A. M. Edw.) zwischen den Opticusfasern und dicht angehäuft liegt es hinter
der gefensterten Membran im Auge des merkwürdigen Pontophüus occidentalis Fax. Endlich traf
ich eine breite ovale Masse schwarzen Pigmentes weit hinter der gefensterten Membran und von
der letzten ganglionären Anschwellung des Sehnerven umgeben im Augenstiel des JBenthesicymus
Tanneri Fax.
Wenn ich den Mangel des Retinapigmentes bei der überwiegenden Zahl von Grundbewohnern
in'erster Linie betone, so verdienen andererseits die bemerkenswerthen Unterschiede
im Bau der Augen von pelagischen und auf dem Grunde lebenden Tiefenformen nicht minder
eingehender Würdigung.
K e in T ie f s e e k r e b s , d e r a u f dem G ru n d e des Oceans se in e L e b e n s a r b e it
v e r r i c h t e t , b e s i t z t a u f d e r D o r s a lf lä c h e des A u g e n s tie le s v e r l ä n g e r te F a c
e t t e n g l i e d e r o d e r g a r ein in F ro n t - u n d S e ite n a u g e g e th e i l t e s F a c e t t e n auge.
Wer die Abbildungen von Crustaceen in den Werken der Tiefsee-Expeditionen durchmustert,
wird sich überzeugen, dass die Augen (wenn sie nicht zu verkümmern beginnen) im
Allgemeinen die Kugelform wahren. Der Umfang des facettirten Kugelabschnittes kann zwar
ungemein wechseln, es kann die facettirte Region bald mehr auf die Dorsalfläche, bald mehr auf
die Ventralfläche beschränkt sein oder gleichmässig nach allen Seiten hin sich ausdehnen, aber
niemals kommt es zur Ausbildung jener sogenannten „unregelmässigen Augen“ mit teleskopartig
erhobener Frontpartie. Die Schnitte lehren denn auch, dass die Facettenglieder (mit Ausnahme
der ja stets etwas kürzeren Randfacetten) von annähernd gleicher Länge sind.
Um das Gesagte durch specielle Beispiele zu erläutern, so weise ich zunächst darauf hin,
dass die oben (p. 186) aufgeführten Gattungen von Tiefsee-Mysideen nach den genauen Abbildungen
von G. 0. S a r s (1870) durchweg Kugelaugen besitzen, die sogar in manchen Fällen eine
Abplattung in dorsoventraler Richtung erkennen lassen. Ebenso sind die eigenartigen, oft monströse
Dimensionen erreichenden Tiefseeformen der Euphausiden durch.Kugelaugen charakterisirt.
Unter den Vertretern der letzteren habe ich die Augen der Gattung Gnathophausia untersucht
und bin überrascht über die relativ geringe Höhe der Facettenglieder in Anbetracht der Breite
des Auges. Gnathophausia steht in dieser Hinsicht weit hinter Euphausia, geschweige denn den mit
Frontaugen ausgestatteten pelagischen Tiefsee-Euphausiden zurück. An Leistungsfähigkeit überbieten
die prächtigen Augen der pelagischen Schizopodenformen weit diejenigen der Grundbewohner:
bei ersteren hoch gewölbte, aus mehreren Schalen aufgebaute Corneafacetten und in weitem Abstande
von den Krystallkegeln angeordnete Rhabdome, welche ein möglichst lichtstarkes Superpositionsbild
empfangen, bei letzteren eine dicke Cornea, die als continuirliche, nicht mehr in Facetten
gegliederte Schicht über das Auge sich hinwegzieht, und in nahem Abstand von den Kry stallkegeln
angeordnete Rhabdome, deren Superpositionsbild jedenfalls bedeutend lichtschwächer ist.
Als ein Erbtheil mancher an der Oberfläche eine nächtliche Lebensweise führender Kruster
tr itt uns bei vielen Dekapoden der Tiefsee ein wo h l e n tw ic k e lte s T ä p e tum entgegen.
Ich vermisse dasselbe bei den Schizopoden (Gnathophausia) und unter den Dekapoden bei Para-
pagurus Smith und Penthesicymus Bä te , finde es bei den Gattungen Tleterocarpus A. M. Edw.
und Nematocarcinus A. M. Edw. mässig, bei den meisten Genera der verschiedenartigsten Dekapodenfamilien
(z. B. Glyphocrangon A. M. Edw., Acanthephyra A. M. Edw., Pontophilus Leach)
geradezu monströs ausgebildet. Auf den Schnitten blitzt es schon dem unbewaffneten Auge
als silberweisses Band, das der membrana fenestrata aufliegt, entgegen; im durchfallenden Lichte
ist es leicht gelblich getönt. Es umhüllt die Rhabdome und ist in eigenen Zellen enthalten,
deren runde Kerne deutlich sichtbar sind. Nur selten fand ich Spuren des von E x n e r entdeckten
Tapetums unterhalb der membrana fenestrata zwischen die Opticusfasern eingebettet und
niemals konnte ich ein von dem Retinatapetum gesondertes Iristapetum nachweisen.
"Wie man aus diesen kurzen Darlegungen ersieht, so weichen die Augen der auf dem
Grunde lebenden Tiefenformen nur wenig von jenen der Oberflächenbewohner ab. Hier wie dort
eine bunte Fülle von bald umfänglichen, bald kleineren Augen, deren Sehfläche in der mannigfaltigsten
Weise umgrenzt ist. Wenn wir von den verschiedenartigen und in jedem Stadium
verwirklichten Arten der Verkümmerung absehen, so ist es wesentlich der Mangel des Retinapigmentes,
welcher einen durchgreifenden Unterschied mit den Augen der Oberflächenarten bedingt.
Und dieser Unterschied ist nicht einmal so auffällig, wie es auf den ersten Blick erscheint:
hat doch E x n e r (1891 p. 124) bereits darauf hingewiesen, dass dem Pcncus m&mbranaceus
das Retinapigment fehlt und dass das Irispigment nur sehr schwach entwickelt ist.1) Wenn wir
*) Zur Erklärung dieser Thatsache mag die Bemerkung dienen, dass Peneus membrctnaceus im Mittelmeere erst
in grösseren Tiefen von etwa 100 Metern auftritt, während P. caramote oberflächlicher (und zwar bis zu den Augen im
Schlamm eingegraben) vorkommt.
B ib lio tlie c a zoologica. Heft 19.