Flüssigkeiten zurückzuführen ist, wenn gewisse Dämpfe an der Berührungsfläche zwischen Luft und
Wasser ein wenig in das letztere eindringen.
Eine im bisher Gesagten mehrfach angedeutete Ansicht ist von H u n te r , Et. Geoffroy
St. H ila ir e und in ähnlicher Weise auch von T re v ira n u s ausgesprochenermassen vertreten worden.
Genannte Forscher nahmen an, die im W a sse r e n th a lte n e L u ft se i der T rä g e r d e r Gerüche.
Diese Anschauung lässt sich indessen mit den heutigen Kenntnissen über das Verhalten der
Gase und Dämpfe zum Wasser nicht mehr vereinigen. Namentlich gibt es keinen Anhaltspunkt für
die Annahme, dass im Wasser sich gewissermassen die Atmosphäre fortsetze, dass diese das Wasser
durchdringe, und nun etwa im Stande sei, die Riechstoffe zu verbreiten.
Alle Substanzen, welche von einem im Wasser befindlichen Gegenstände, etwa verwesenden
organischen Körpern, ins Wasser übergehen, verbreiten sich in diesem durchaus nach den Gesetzen
der Bewegung von Flüssigkeiten, nicht denjenigen der Gase und Dämpfe, auch wenn der betreffende
Gegenstand, an die Luft gebracht, gasförmige Emanationen hätte.
Von den Gründen, welche man für die übliche Annahme getrennten Riech- und Schmeck-
vermögens auch bei den Wassertieren anführen kann, möchte ich nur dem einen, jetzt zu besprechenden,
Gewichtigkeit zuerkennen. Man kann fragen: Wenn das Riechen im Wasser nicht möglich ist und
Wassertiere von chemischen Sinnesorganen nur die des Geschmackes besitzen sollen, wie kommt es
dann, dass die Fische, ein ursprünglicher, stets im Wasser lebender Tierstamm, schon das Organ besitzen,
aus welchem sich beim Landwirbeltier das Riechorgan entwickelt? Beweisend für die Annahme
getrennten Riech- und Schmeckvermögens bei Wassertieren ist indessen auch diese Überlegung nicht,
und ich halte ihr gegenüber meine Behauptung aufrecht: es giebt kein Riechen im Wasser. Wie aber
lässt es sich erklären, dass die Fische zweierlei Organe des chemischen Sinnes besitzen? — Höchst
einfach ist die Sache freilich nach der Anschauung mancher Zoologen: Der erste Hirnnerv mit
seinen Endorganen nimmt die Riechstoffe wahr, der Geschmacksnerv die Schmeckstoffe. Was Riech-
und was Schmeckstoffe sind, wie sie sich unterscheiden, und wie die Verbreitungsart beider im Wasser
sein sollte, darüber macht man sich keine Sorgen.
Ich glaube aus meinen bisherigen Erwägungen geht zur Genüge hervor, dass die Sache jedenfalls
nicht so einfach und selbstverständlich ist. Zwar kann ich nicht b ew e is e n , dass es nicht eine
Verbreitungsart von Stoffen im Wasser giebt, welche von derjenigen einfach gelöster Stoffe abweicht.
Ich kann aber mit vollem Rechte behaupten, dass es für letztere Annahme auch nicht den geringsten
Anhalt giebt, dass vielmehr alle angestellten Experimente entschieden dagegen sprechen.
Die Fischnase1) ist zwar zweifellos ein Homologon der Nase der übrigen Wirbeltiere ; muss
sie ihr darum funktionell gleichwertig sein? Allgemein wird sie mit ihr funktionell identificiert und
ohne weiteres ein Riechorgan genannt, während sie doch ganz wesentliche Unterschiede im Bau gegenüber
dem Riechorgane der Landtiere zeigt. Der Fischnase fehlt die Kommunikation mit dem Rachen,
die funktionelle Verknüpfung mit dem Atemapparat, ihr Sinnesepithel weicht oft weit von dem der
Lufttiere ab, nähert sich vielmehr dem Geschmacksepithel. Das sind, meine ich, Gründe genug, welche
dagegen sprechen sollten, die Fischnase mit der Sicherheit eines Dogma’s als Riechwerkzeug anzuführen.
Dass die Thätigkeit des ersten Hirnnerven und seines Endorganes bei Wassertieren vom Riechen
verschieden sein werde, geht meiner Meinung nach auch daraus hervor, dass die Cetaceen bei ihrer
sekundären Anpassung an’s Wasserleben ihr Riechorgan samt dem Riechnerven ganz oder bis auf
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*) Nase hier = Endorgan des Olfactorins abkürzend gebraucht.
nutzlose Rudimente verloren haben, einer Thatsache, die auf andere Weise kaum befriedigend zu erklären
sein dürfte.
Nicht einmal das ist nachgewiesen, dass der sog. Nervus olfactorms der Fische und Wasseramphibien
dem chemischen Sinne zur Vermittelung diente, man weiss vielmehr gar nichts positives
über seine Funktion. S te in e r’s Versuche an Haifischen, welche das Riech vermögen derselben nach-
weisen sollten, halte ich für nicht beweisend: weder beweisen sie Riechvermögen der Haifischnase,
noch- überhaupt chemische Sinnesthätigkeit derselben. Das einzige, was uns einen Anhalt zum Verständnis
der Funktion der Fischnase giebt, ist deren Homologie mit der Nase, bezw. dem Riechorgan
der Landwirbeltiere. Hierauf gestützt, wird man wohl sagen dürfen, dass es mit einiger Wahrscheinlichkeit
anzunehmen sei, die beiden Organe hätten wenigstens die chemische Sinnesthätigkeit gemeinsam.
Aus der anatomischen Verschiedenheit der beiden Sinnesorgane ist andererseits zu schliessen, dass
höchst wahrscheinlich die Funktion in beiden Fällen nicht genau dieselbe sei. Die Schwierigkeit ist
nun die, festzustellcn, wie das sog. Riechorgan und das Geschmacksorgan der Fische sich in die Funktionen
des chemischen Sinnes teilen, wenn bestritten wird, dass das erstere wirklich „riecht.“ Für
mich ist die Annahme ausgeschlossen, dass der erste Hirnnerv der Fische die an der Luft riechbaren,
flüchtigen Stoffe wahrnehme. Dass er der Wahrnehmung ganz der gleichen Stoffe, welche den gewöhnlichen
Reiz des Schmeckorganes bilden, zu dienen habe, ist sehr unwahrscheinlich; wozu dann
zwei anatomisch getrennte und ungleiche Organe? Ich v e rm u te d a h e r, dass im sog. Riechorgan
d e r F is c h e und W a s se ram p h ib ien irg en d e in e noch u n b e k a n n te T e ilfu n k tion
des ch emischen S in n e s ih r V e rm itte lu n g so rg an h a b e , eine Funktion, die jedenfalls
nicht Riechen genannt werden kann, die aber auch von der gewöhnlichen Thätigkeit des Schmeckens
irgendwie abweichen muss, zwar nicht durch den spezifischen Charakter der Empfindung, aber durch
die Bedingungen, unter welchen das Organ in Thätigkeit tritt.
Dass der chemische Sinn in einer solchen uns bis jetzt unbegreiflichen Weise funktionieren
könne, wird dadurch um vieles plausibler, dass man bedenkt, wie auch für die Seitenorgano der Fische
und Amphibien die Annahme einer unbekannten Teilfunktion des mechanischen Sinnes ganz unumgänglich
ist. Die Seitenorgane zeigen, dass im Wasser die Funktionsbedingungen der Sinne von den
in der Luft obwaltenden Verhältnissen weit genug abweichen, um besondere Sinnesorgane auftreten
zu lassen, die den Landtieren fehlen. Die vom Fischolfactorius versehene Funktion ist gleich derjenigen
des Systems der Seitenorgane offenbar so ganz an den Aufenthalt im Wasser gebunden, dass
das Endorgan und der Nerv selbst die Funktion wechseln mussten, als aus den Fischen und Wasseramphibien
Landtiere wurden. Dem entsprechend sehen wir schon bei den niedersten Landwirbeltieren
die Verbindung zwischen Nasen- und Mundhöhle auftreten und damit die geeigneten Bedingungen für
ein Riechorgan sich hersteilen. Hätte das Riechorgan der Landtiere einfach dieselben morphologischen
Eigenschaften beibehalten, wie sie das homologe Organ der Fische besass, so wäre mittelst dieser tiefen
engen Grube die Funktion des Riechens jedenfalls nur in unvollkommener Weise erfüllt worden.
Einen wichtigen Anhaltspunkt für die Annahme, dass die Funktion der Fischnasen dem
Schmecken näher steht als dem Riechen, sehe ich in der Entdeckung von J. Blaue (27, 28), welcher
in der „Riechschleimhaut“ vieler Fische und Amphibien wohlentwickelte Epithelknospen fand, die den
Geschmacksknospen aller Wirbeltiere sehr ähnlich sind. Genannter Autor zieht aus seiner interessanten
Entdeckung allerdings nicht den Schluss, dass damit ein Fingerzeig für die Erklärung der Thätigkeit
des Olfartorius gewonnen sein könne. B lau e findet daher auch keine Schwierigkeit darin, wenn er
sagt (27, pg. 298): »Wir haben anzunehmen, dass die Geruchsknospen und das Riechepithel der im