Fische, wobei namentlich die zweite Phase der Thätigkeit dieses Sinnes von Wichtigkeit ist. Es ist
nun die Frage, geschieht dies mittelst der Nase, mittelst der Schmeckorgane im Munde, oder mittelst
äusserer Schmeckorgane. Wenn ich sage „dies ist die Frage“, so muss ich hinzufügen, dass es weitaus
den meisten Autoren nicht fraglich ist, dass vielmehr alle die Funktion der Nase als Organ des
chemischen Sinnes als unumstösslich betrachten. Ich muss dem gegenüber betonen, dass der Beweis
völlig fehlt, und dass die Wahrscheinlichkeitsgründe, die man für jene Annahme anführen kann, vor
allem die Homologie mit der Nase der übrigen Wirbeltiere, als strenge Beweisgründe nicht betrachtet
werden dürfen. Einen Versuch zur experimentellen Erledigung der Frage hat J. S te in e r gemacht.
Er fand nach Abtragung des Vorderhirns die spontane Nahrungsaufnahme bei Scyllien aufgehoben und
schliesst daraus, dass das Vorderhirn des Haifisches dessen Riechzentrum ist. S te in e r sagt geradezu,
er sei der Ansicht, dass, wenigstens am Tage, der Geruch den Verstand des Haifisches ausmacht. Ich
kann es durch S te in e r ’s Versuche noch nicht als erwiesen betrachten, dass der Nervus ölfactorius
und die Nasenschloimhaut des Scyllium die Organe sind, mittelst deren diese Haie die Nahrung wahrnehmen.
Folgende 2 Versuche würden hiefür überzeugend sein: 1) Es müsste nach Durchschneidung
des Vorderhirns beobachtet werden, ob jenes reflexartig auftretende verstärkte Atmen oder Schnüffeln
bei Vorlegung von Nahrung regelmässig ausbleibt. 2) Es müsste versucht werden, ob man nicht die
Nasenschleimhaut mit ihrem Sinnesepithel zerstören oder die Nase verstopfen könnte, so dass der
Nervus olfcictorius ausser Thätigkeit gesetzt würde, ohne Entfernung eines Hirnteiles. Die Beschädigung
des Gehirns bringt einen komplizierenden, in seiner Tragweite gar nicht zu übersehenden Faktor in
die Frage herein. Man müsste dann beobachten, ob Haie, deren Nase in genannter Weise ausser
Thätigkeit gesetzt ist, nicht früher oder später Nahrung aufnehmen, wobei ihr Verhalten gegen dieselbe
zu beobachten wäre.
Ich selbst konnte diese Versuche wegen der Kürze meines Aufenthaltes in Neapel nicht ausführen.
Es gehört dazu eine Geschicklichkeit und Operationstechnik, wie sie S te in e r besitzt und
die man sich nicht in einigen Tagen aneignet.
Die Beobachtungen, die ich an Haifischen gemacht habe, sprechen weder für noch gegen die
Lokalisation des chemischen Sinnes in der Nase. Dagegen möchte ich erwähnen, dass derjenige Grund,
den man für feines „Riechvermögen“ gerade der Scyllien angeführt hat, die scheinbare Tagblindheit,
nicht in einer so direkten Beziehung zur Ausbildung des chemischen Sinnes stehen kann, wie behauptet
wird. Denn bei dem keineswegs tagblinden Pristiums ist, wie ich feststellen konnte, die
Nasenkapsel und der entsprechende Hirnteil, der sog. Lobus olfactorius, nicht geringer entwickelt als
bei Scyllium, die Nasenkapsel ist sogar eher grösser. Übrigens ist ja auch, wie erwähnt, die Tagblindheit
der Scyllien nicht so ernst zu nehmen.
Die Annahme, dass die Äusserung des chemischen Sinnes, welche Scyllium bei der Nahrungssuche
bemerken lässt, auf Thätigkeit der gesamten Haut beruht, halte ich für nicht wahrscheinlich,
trotz der hochgradigen chemischen Reizbarkeit der Hautsinnesorgane. Die Reizbarkeit ist zwar eine so
grosse, dass man annehmen dürfen wird, sie werde auch vom freilebenden Tiere verwertet, indem
es mittelst derselben gewisse chemische Eigenschaften des.Wassers (Verunreinigungen) unter Umständen
bemerken wird. Mit Erkennung der Nahrung aber hat das Geschmacksvermögen der Haut wohl nichts
zu thun, kein Versuch spricht dafür, viele dagegen. Obgleich selbst die Haut des hinteren Körperendes
geringe chemische Reize deutlich percipiert, ist es mir nie gelungen, durch einen von den Nahrungsstoffen
ausgehenden (anziehenden) Geschmacksreiz eine Wirkung auf den Haifisch zu beobachten.
Ein Fischfleischstück wird ebensowenig von einem Haie wahrgenommen, wenn es dicht bei seinem
Schwänze liegt, als wenn es, um die Körperlänge entfernt, vor dem Kopfe des Haies liegt. Liegt
das Fleischstück lange Zeit dort, so kann es später noch wahrgenommen werden, aber offenbar durch
langsame Verbreitung der schmeckbaren Stoffe nach dem Kopfe hin. Niemals kommt es vor, dass
ein Hai (von einer Länge von 20 und mehr cm) nach einem neben seinem Schwanzende liegenden
Fleischstücke direkt sich hinwendet.
Am wahrscheinlichsten bleibt es immer, dass die Nase die Haifische beim Nahrungssuchen
mittelst des chemischen Sinnes leitet, erwiesen ist dies jedoch noch nicht.
Amphibien.
Von Amphibien habe ich nur Tritonen zu Versuchen herangezogen, und zwar hatte ich
zufällig Gelegenheit, einige Exemplare des schönen T r ito n viriclescens eingehender zu untersuchen.
Ausserdem habe ich auch unsere einheimischen Arten zum Vergleiche verwendet. Der Erfolg war überall
dev gleiche: In der Mundgegend ist hohe Geschmacksempfindlichkeit nachzuweisen, der Rumpfhaut
sowie dem Schwänze fehlt Schmeckvermögen gänzlich. Chinin und Cumarin werden nur am Kopfe
bemerkt und reizen hier heftig.
Die Versuche G rab e r’s, welche ergaben, dass Tritonen, deren Kopf mit einer wasserdichten
Decke überzogen war, salzhaltiges Wasser immer noch von salzfreiem zu unterscheiden vermochten
und letzteres vorzogen, widersprechen meinen Versuchen nicht. Sie sind nicht als Nachweis von
Schmeckvermögen der Haut, wie G räb e r meinte, anzusehen. Das Salz konnte ganz langsam auf
die Haut einwirken und irgendwelche andere Nerven erregen. Eine Empfindung, die sich erst im
Laufe einer Viertelstunde entwickelt, kann man nicht Schmecken nennen.
Bemerkungen über die Seitenlinie der Fische und Amphibien.
Auf Grund meiner Versuche teile ich die heutzutage herrschend gewordene Ansicht, dass
die S e ite n o rg a n e der F is c h e und Amphibien n ic h t dem chemischen Sinne dienen.
Bei keinem Fische, dessen einzige Hautsinnesorgane nachgewiesenermassen die Seitenorgane oder
Nervenendhügel sind, konnte ich Schmeckvermögen der Haut nach weisen. Wo ich solches fand, gibt
es, nach Angaben früherer Untersucher, immer becherförmige Endknospen. Mit einiger Wahrscheinlichkeit
dürften diese als Schmeckorgane bezeichnet werden. Doch möchte ich keine bestimmte Ansicht
in dieser Beziehung aussprechen, da meine Untersuchungen noch nicht ausgedehnt genug sind.
Dagegen muss ich darauf hinweisen, dass ich, wie aus dem obigen ersichtlich, Schmeckvermögen
der Haut bei verschiedenen Fischen mit Entschiedenheit in Abrede stellen muss, bei welchen zahlreiches
Vorkommen von Endknospen in der Haut angegeben wird. Hier können nur ausgedehnte
Untersuchungen an zahlreichen Fischen, besonders den lebhafteren und reaktionsfähigeren Meerfischen,
und zwar kombiniert aus experimenteller und histiologischer Untersuchung, die Frage spruchreif
machen. Wie es scheint, werden wir darauf hinauskommen, dass eine Art Geschmacksorgane in der
Fischhaut durch Endknospen vertreten sein könne, dass aber nicht alle Endknospen Geschmacksorgane
sind. Ein wirkliches Schmeckvermögen, wie es der Mensch und viele Tiere im Munde besitzen, scheint
bei allen Fischen und Amphibien der äusseren Haut zu fehlen. Jn jedem Falle kann ich mich nicht
auf den Standpunkt von S chw a lb e stellen, welcher sagt: „Nach der Auffindung ganz ähnlicher Gebilde
an der Stelle der Zunge der Säugetiere und der Menschen, welche von allen Physiologen als
schmeckend anerkannt ist, kann wohl über die Bedeutung der „„becherförmigen Organe““ der
Fische auch nicht mehr der leiseste Zweifel herrschen.“