auges. Die Rhabdome des Seitenauges stehen demgemäss weit enger gedrängt und die Leistungsfähigkeit
des Seitenauges — was die Specialisirung des Bildes anbelangt — überbietet diejenige
des Frontauges um das Dreifache.
E x n e r verdanken wir ausser seinen Darlegungen über die Dioptrik der Facettenglieder
auch noch die interessante Entdeckung der Pigmentwanderung im Licht- und Dunkelauge. Er
weist darauf hin, dass bei allen Arthropoden, welche mittels Superpositionsbilder im Hellen und
im Dunkeln sehen, sinnfällige Verschiebungen des Iris- und Retinapigments statt finden. Bei der
Belichtung wandert das Irispigment nach hinten (in proximaler Richtung), während umgekehrt
das Retinapigment (oft aus den unterhalb der Retina gelegenen Schichten) bei Crustaceen aufsteigt
und die vorderen Enden der Rhabdome umscheidet. Die Folge ist, dass $in grösser Theil
der einfallenden Strahlen im grellbelichteten Auge absorbirt wird, während sie umgekehrt im
Dunkelauge ungehindert die Retina durchsetzen.
Zur Orientirung des mit den neueren
Ergebnissen über die Physiologie des Facettenauges
nicht vertrauten Lesers gebe
ich die Copie einer schematischen Darstellung
von E x n e r , welche in anschaulicher
Weise die Wirkung der Irispigmentverschiebung
versinnlicht. In dem Holzschnitte
6 ist in dem oberen Theile die
Lichtstellung, in dem unteren die Dunkelstellung
des Irispigmentes versinnlicht.
Wenn nun aus der Richtung a von einem
entfernten Punkte ausgehend Lichtstrahlen
annähernd parallel auf die Cornea auffallen,
so werden sie durch die als Linsen-
cylinder wirkenden Krystallkegel sich in
Fjg 6 dem Punkte b zum Bilde auf der Netzhaut
n—n vereinigen. Wir erhalten also
einen sehr lichtstarken, durch „Superposition“ erzeugten Bildpunkt b. Nimmt nun bei greller
Belichtung das Irispigment durch Wanderung die in der oberen Hälfte der Figur angedeutete
Lichtstellung ein, so ist leicht ersichtlich, dass ein Theil der Strahlen durch das Pigment absorbirt
wird und nicht zum Bildpunkt gelangt. Denkt man sich nun, dass bei greller Belichtung
das in der obigen Figur nicht dargestellte Retinapigment aus den hinter den Rhabdomen gelegenen
Partieen aufsteigt und dem Irispigment in distaler Richtung entgegenwandert, so würde
jedes Facettenglied von den Krystallkegeln an völlig mit Pigment umscheidet sein. Der Effekt
liegt auf der Hand: das Superpositionsbild wird in ein Appositionsbild übergeführt, indem nur
die auf den Krystallkegel senkrecht auffallenden Strahlen zum Rhabdom gelangen, alle aus den
benachbarten Facettengliedern zum Punkte b gebrochenen Strahlen hingegen durch das Pigment
absorbirt werden.
Mit E x n e r ’s Befunden stimmen sehr wohl die unabhängig von ihm angestellten Experimente
von Frl. S z c z aw in s k a (1891 Figuren 1 u. 2 Tafel XVI und 1, 2, 10, 11 Taf. XVII)
an Crustaceenaugen überein. Da ich selbst Gelegenheit hatte, die Präparate der genannten Dame
zu studiren und mich von der exakten Durchführung der Experimente zu überzeugen,1) so kann
ich in jeder Hinsicht den Ausspruch E x n e r ’s bestätigen, dass die Facettenaugen sich in höherem
Grade durch ihre Pigmentwanderungen den verschiedenen äusseren Helligkeiten anpassen, als es
das Wirbelthier auge durch seine Iris vermag. Ich will nicht verfehlen, darauf hinzuweisen,
dass in einer soeben erschienenen Publikation von P a r k e r (1 895 p. 24—26) die Angaben E x-
n e r ’s über die Pigmentwanderungen in der Hauptsache durchaus bestätigt werden. P a r k e r
hat zudem die Experimente E x n e r ’s weitergeführt und an in geeigneter Weise behandelten
Flusskrebsaugen (deren gesammte Facettenlage intakt gelassen wurde) durch direkte Beobachtung
den Nachweis geführt, dass bei belichteten Augen ein aufrechtes Appositionsbild in der
Höhe der Rhabdome entstellt (ibid. p. 35—36).
Wenn wir uns nun an der Hand der E x n e r ’sehen Ergebnisse die Bedingungen versinnlichen,
unter denen pelagische Organismen ihre Lebensarbeit verrichten, so dürfen wir von
vornherein erwarten, dass Pigmentverschiebungen nur solchen zukommen, welche an der Oberfläche
leben oder gleichzeitig an der Oberfläche und in der Tiefe verbreitet sind, dass hingegen
bei allen echten Tiefenbewohnern Pigmentverschiebungen in Wegfall gekommen sind resp. dass die
Pigmentvertheilung in der für das Dunkelauge charakteristischen Anordnung durchgeführt ist.
In denkbar vollkommener und wegen ihrer unerwarteten Sinnfälligkeit mir geradezu überraschender
Weise ist dies Verhalten an den Augen von Nematoscelis mantis und der Stylocheiron- Arten
durchgeführt: Das Retinapigment, welches ja überhaupt funktionell für Tiefseeorganismen belanglos
wäre, ist in Wegfall gekommen und das Irispigment zeigt constant die Dunkelstellung.
Ich habe nun in dem vorigen Kapitel darauf hingewiesen, dass gelegentlich diese Tiefseeformen
auch vereinzelt bis an die Oberfläche gelangen und habe auch auf die Bedingungen aufmerksam
gemacht, unter denen dies geschieht. Indem ich bezüglich der letzteren auf meine früheren Ausführungen
verweise (p. 142), bemerke ich, dass ich die Augen des von mir bei Tage an der
Oberfläche (bei den Canarischen I nseln) erbeuteten Exemplares von Stylocheiron mastiyophorum in
Schnitte zerlegte, ohne indessen eine Verschiebung des Irispigmentes wahrzunehmen. Sicherlich
schwebte das Exemplar so lange in intensiv belichteten Regionen, dass Pigmentwanderungen
hätten eintreten müssen, falls sie überhaupt dem Thiere zukämen. Ebenso habe ich die bei Tag
und zwar bei greller Belichtung mit den Tiefennetzen erbeuteten Exemplare mit jenen verglichen,
die ich bei nächtlichen Zügen fing (die Protokolle der Fänge enthalten alle hierauf bezüglichen
Daten), ohne dass Differenzen sich ergeben hätten.
Das Auftreten von Retinapigment in der Umgebung der Rhabdome und längs der Seh-
nervenäste bei den Euphausia-kxt&n, bei Nematoscelis rostrata, Thysanoëssa yreyaria und Brutomysis
Voytii deutet hingegen darauf hin, dass diese Organismen sich gelegentlich in belichteten Regionen
aufhalten.
Wenn nun die hier geäusserten Vorstellungen das Richtige treffen H u n d ich weise ausdrücklich
darauf hin, dass sie mit den in der Einleitung zum vorigen Kapitel p. 139 — 143 mit-
getheilten Ergebnissen über die vertikale Verbreitung pelagischer Organismen in Einklang stehen
— so gelingt es, ein untrügliches Merkmal für die Augen der Tiefsee-Crustaceen in der Ver-
’) Die an Insekten an Arachniden angestellten Experimente von M i c h e l in e S t e f a n o w s k a (La distribntion
histologique du pigment dans les yenx des Arthropodes sous l'influence de la lumière directe et de l’obscurité complète in :
Recueil Zoolog. Suisse T. V 1889) sind wenig zuverlässig und theilweise den Ergebnissen von E x n e r und S z c z a w in s k a
direkt entgegengesetzt.