Gaumensinnesorgane der Lepidopteren und Dipteren homolog denjenigen der Käfer u. s. w., ob sie
aber auch funktionell gleichwertig sind, scheint mir mindestens von den Dipteren {wegen K r ä p e lin ’s
Angabe) zweifelhaft, bei den Schmetterlingen muss ich mich eines Urteils enthalten, da ich nicht
sicher' bin, ob nicht neben den von mir gesehenen Fühlhaaren am Gaumen noch echte Geschmackskegel
sich finden lassen werden.
Endlich bei den R h y n c h ota (Hemiptera) ist mir der Nachweis eines aus zahlreichen
Grubenkegeln gebildeten Schmeckorganes am Dache der Mundhöhle von Nau co ris cimicoides
gelungen. Sie stehen hier, ähnlich wie bei den Dytisciden, jederseits auf einer eckigen Platte, welche
etwas in die Mundhöhle hinein vorragt, also über den übrigen Gaumen erhoben ist (Fig. 87). Bei
anderen Schnabelkerfen habe ich das Organ bis jetzt noch nicht finden können.
Es würde zu weit führen, wollte ich in ähnlicher Weise wie das Gaumenorgan die übrigen
inneren Geschmacksorgane bei den einzelnen Insektenordnungen durchnehmen. . Sie kommen an verschiedenen
Stellen vor, deren hauptsächlichste die Basis der Unterlippe oder der Zunge ist. Besonders
die Hymenopteren sind es, die hier fast regelmässig eine Gruppe von Geschmackskegeln besitzen
(Fig. 88). Letztere weichen im Bau von denjenigen des Gaumens nicht ab.
Als ein besonders schönes und leicht zu untersuchendes Beispiel von inneren Schmeck-
organen kann ich die sehr voluminöse Z unge von Aeschna cyanea nennen, welche ich zum Zweke
der Untersuchung in eine obere und untere Hälfte spaltete. Fig. 89 stellt diese Zunge von oben
gesehen dar. Die grösste Fläche derselben ist mit nicht dichtstehenden langen dünnen Haaren besetzt.
An der Zungenbasis zu beiden Seiten findet sich je eine Gruppe von Geschmackskegeln, welche in
dem glashellen Chitin der Zunge sofort durch die Zone dunkelbraunen Chitins auffallen, welches die
Grube und den zugehörigen Porenkanal umgrenzt, ganz ebenso wie am Gaumén von Aeschna. Zwischen
jenen seitlichen Gruppen von Kegeln stehen noch weitere in Gestalt eines V angeordnet. Der
Grund, warum gerade diese Stellen hier Geschmackskegel besitzen, scheint mir durchsichtig zu sein;
es ist diejenige Stelle, wo die von der Speise ausgehenden flüssigen Säfte sich notwendig sammeln
müssen, da jene Seitenteile der Zungenbasis hier in einem Winkel mit den Wänden der Mundhöhle
zusammenstossen. Dieser Winkel ist in ähnlicher Weise für Anlage eines Geschmackorganes disponiert,
wie der Ort der Papilla foliata der Säugetiere.
An der Zunge von Vespa vu lg a r is stehen die ziemlich zahlreichen Grubeukegel in der
Mitte des Zungengrundes, in einer seichten Vertiefung; sie sind auf Fig. 88 angedeutet, ebenso die
von Will als Geschmackshaare gedeuteten Mitteldinge zwischen Haar und Kegel, welche an der
Spitze der Zunge und der Nebenzungen stehen. Vielleicht sind diese Organe Wechselsinnesorgane
des Geruchs-, Geschmacks- und Tastsinnes.
Äussere Schmeckorgane.
Die äusseren Geschmacksorgane, welche also ausserhalb der eigentlichen Mundhöhle liegen,
bieten eine viel grössere Mannigfaltigkeit in ihrer Gestaltung, und sind an verschiedenen Stellen zu finden.
Zunächst gehören hieher die G ru b en k eg e l d e r D y tis c id e rita s te r, da erstens das Experiment
Schmeck vermögen in den Tastern nachweist und zweitens diese Grubenkegel denjenigen im
Munde sehr ähnlich gebaut sind.
Vielleicht existieren auch an den T a s te rn vieler Landkäfer Organe, welche dem Geschmackssinne
dienen, doch ist dies nicht erwiesen. Bei denjenigen Käfern und ändern Insekten, welche ihre
Taster in den Speisebrei oder die zu leckende Flüssigkeit eintauchen, ist es nicht Unwahrscheinlich,
dass die Kegel am Ende der Taster Wechselsinnesorgane des mechanischen und chemischen (Geruch,
Geschmack) Sinnes seien. Ausser den Käfern können hier manche Orthopteren, Pseudoneuropteren
und Neuropteren in Betracht kommen.
Zweifellos ist das Vorkommen sogar von recht zahlreichen Geschmackskegeln an der U n te rlip
p e (Zunge) bei verschiedenen Ordnungen, besonders bei Insekten mit leckenden Mundteilen. So
kennen wir u. a. durch F o re l und W ill bei Hymenopteren zweifellose Geschmackskegel an der
Spitze der Zunge und Nebenzungen. Auch an den rüsselartig verlängerten Mundteilen der Apiden
fehlen sie nicht, worauf L ey d ig hingewiesen hat. In der Fig. 88, Zunge und Nebenzungen von
Vespa vulgaris, sind auch die Kegel; der Zungenspitze in gewöhnlicher Weise markiert, welche
schon äussere Schmeckorgane genannt werden müssen.
Auch bei kauenden Insekten (Orthopteren) finden sich häufig Geschmackskegel auf der Unterlippe
und an der Basis der Unterlippentaster.
Zu besonderer Ausbildung gelangen die äusseren Geschmacksorgane an den rüsselförmigen
Mundteilen der Lepidopteren, Dipteren und Rhynckoten. Bei diesen drei Ordnungen weichen sie nun
aber beträchtlich von dem sonstigen Typus eines kleinen eingesenkten Grubenkegels ab, wie ich glaube,
wohl deshalb, weil sie hier zugleich als Tastorgane mit zu dienen haben. Auch möchte ich für die oben
besprochenen Zäpfchen an den Schmetterlingsrüsseln die Schmeckfunktion wegen mangelnden experimentellen
Beweises nicht mit voller Bestimmtheit behaupten. Sie könnten reine Tastorgane oder
Wechselsinnesorgane des Tast- und Geruchssinnes sein.
Die Nervenendorgane am Fliegenrüssel, deren Kenntnis wir vor allen K räp e lin (162) verdanken,
dürfen mit viel grösserer Sicherheit als Schmeckwerkzeuge bezeichnet werden, da ihr Bau
wenig von dem der sonstigen Schmeckorgane abweicht. Die Kegel sind hier ganz kurz.
Ich habe schon früher (216 pg. 39) die Vermutung ausgesprochen, dass die Rüssel der Fliegen
auch die Fähigkeit des Riechtastens besitzen, und als die hierbei thätigen Organe möchte ich die sonst
als Geschmacksorgane wirkenden betrachten. Diese wären somit Wechselsinnesorgane des Geruchs
und Geschmacks, während sie ihrer geringen Prominenz wegen zum Tasten kaum kommen dürften.
Bestimmend für diese Auffassung ist mir die an der Stubenfliege oft zu machende Beobachtung, dass
die Fliege, auf einem Gegenstände dahingehend, ihren Rüssel ganz dicht über dem Boden hinbewegt
und diesen häufig mit dem Rüssel berührt. Dabei wird sie unzweifelhaft tasten, oft auch ein kleines
uns nicht sichtbares Partikelchen aufnehmen, wobei der Geschmack in Thätigkeit kommen kann.
Ausserdem habe ich aber den Eindruck, als ob sie sich über den Boden, auf dem sie hingeht, und
über das, was sich auf demselben befindet, ausser durch den Gesichtssinn noch durch den Geruchssinn
orientieren will. Zur Gewissheit wurde mir diese Vermutung durch folgende neuerdings gemachte
Beobachtung: Einigen Exemplaren von Calliphora vomitoria hatte ich die Fühler genommen und
sie in Einzelhaft in Gläser gebracht. Wenn sich in diesen Gläsern linsengrosse Stückchen kristallinisch
erstarrten Honigs befanden, dauerte es nur wenige Minuten, bis man die Fliege am Honig saugend
fand. Nie sah ich die Fliege direkt auf den Honig zueilen. Dagegen kam sie beim Umherlaufen im
Glase in die unmittelbare Nähe des Honigs, oder lief auch wohl über denselben hinweg. Da es grosse,
hochbeinige Tiere waren, konnte ich genau beobachten, dass von einer Berührung des Honigs mit dem
Rüssel, welcher stets hinaufgeschlagen blieb, nicht die Rede war. Sowie aber die Fliege über oder
neben dem Honig sich befand, liess sie sofort ihren Rüssel herab und fand dann sofort den Honig. Dies
geschah auch, wenn der Honig in kaum sichtbarer Menge aufs Glas gestrichen war, geschah auch,
wenn der Honig mit Staub bedeckt war, geschah aber nicht, wenn statt des Honigs ein gleichgrosses
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