nach den Gesohlechtern erkennen lässt. Bei dem Männchen wird es in ähnlicher Weise wie das
letzte Paar rückgcbildet, während es bei dem Weibchen einen zweigliedrigen Endopoditen neben
dem kleinen Exopodit. aufweist. In besonderem Maasse bemerkenswerth und unter den Euphausiden
einzig dastehend ist indessen der Umstand, dass auch das drittletzte Fusspaar in den Kreis der
Rückbildungen einbezogen wird. Wie ich nämlich nachwies (p. 149), so fehlt es dem Männchen
vollständig (selbst der Exopodit ist geschwunden), während es bei dom Weibchen wohl entwickelt
zum Tragen der Eier Verwerthung findet.
Wenn auch die Verkümmerung der Mandibulartaster und der hinteren Brustfusspaare
gleichzeitig den Verlust zahlreicher Sinnesborsten, die ihnen bei den übrigen Euphausiden ansitzen,
zur Folge hat, so wird doch ein überreicher Compens hierfür durch die einzig dastehende Entfaltung
des Spiirapparates geboten. Die Augen bilden sich zu den vollkommensten Dunkelaugen
aus, welche wir überhaupt bis jetzt kennen. Das Retinapigment, bei manchen Ncmatoscelis-Arten
noch nachweisbar, schwindet vollkommen und teleskopartig thiirmf sich das Frontauge mit seinen
langen und grossen Facettengliedern über das Seitenauge empor. Die Antennen, welche erst
durch meine Schilderung in ihrer prächtigen Entfaltung bekannt wurden, sind auf den Schaftgliedern
mit langen Fiederborsten ausgestattet, wie sie in ähnlicher Gestaltung auch den langen
Flagella aufsitzen. So repräsentiren denn die Stylochciron-Arten mit ihren zu gewaltigen Ranb-
füssen und in Scheerenliände auslaufcnden dritten Fusspaaren, mit den monströsen, jo ein Leucht-
organ einscliliessenden Dunkelaugcn, mit ihren nicht minder absonderlich entfalteten Antennen
die verkörperten Ideale von räuberisch lebenden Bewohnern der dunkeln Wasserschichten.
Auch der Bau der inneren Organe lässt manc he Züge erkennen, welche die Gattung
Stylochciron zum aberrantesten Vertreter der Euphausiden stempeln. Dies gilt speciell für das
Nervensystem, dessen im Cephalothorax gelegener Bauch tlieil eine Concentration erkennen lässt,
wie sie bisher unter den Schizopoden noch nicht nachgewiesen wurde. Als eine ganz eigenartige
Anpassung an das Tiefenlebpn hebe ich endlich das von mir beschriebene „Stirnherz“ (p. 157)
hervor, welches allein bei Stylochciron unter den gesammten Crustaceen bis jetzt zur Beobachtung
gelangte. Die Kopfarterie schwillt nämlich zwischen den beiden Hirnlappen zu einer Ampulle an,
welche mit kräftigen Muskeln umgürtet zu Pulsationen befähigt wird. Das Auftreten eines Stirnherzens
stellt in Correlation mit der mächtigen Entwicklung der Augen resp. der von Blut-
capillaren durchsetzten Augenganglien. Der Reibungswiderstand, welchen das fein entwickelte
Capillarnetz bedingt, mag Veranlassung gegeben haben, dass ein besonderer pulsirender Apparat
(analog den Kiemenherzen der Cephalopoden oder den Lymphherzen der Wirbelthiere) zur Ausbildung
gelangte.
Wenn es mir nun gelungen sein sollte, die Umbildungen der Eupliausidengrundform durch
die Anpassungen an das Leben in unbelichteten Regionen verständlich gemacht zu haben, so
würde dann auch gleichzeitig der aus biologischen Gründen gewiss verständliche Nachweis erbracht
sein, dass die Oberfläohenformen als die primitiveren den Ausgangspunkt für die Entwicklung
der Tiefengenera Thysanoössa, Nmatoscelis und Stylochciron abgaben. Es ist eine weite Etappe,
welche von Thysanopoda bis zu Stylochciron führt und wenn auch noch manche Bindeglieder fehlen,
so geben doch die bei Thysanoessa und Ncmatoscelis ausgeprägten Umbildungen der Grundform
einen Wink ab, auf welohem Wege die aberrantesten Euphausiden ihre originelle Gestaltung
erlangten.
Die Entwicklungsgeschichte unterstützt unsere Auffassung insofern, als sie lehrt, dass
bei Ncmatoscelis (G. 0. S a r s 1885, Taf. XXI, Fig. 28—25) die älteren Larven ein normal gestaltetes
zweites Brustfusspaar auf weisen, welches erst allmählich in den Raubfuss übergoführt wird
und als weiterhin die den Oberflächenarten zukommende Kugelform des Auges auch für die Larven
charakteristisch ist und erst sekundär dem zweigeteilten Front- und Seitenauge Platz macht.
Es dürfte sich vielleicht empfehlen, durch ein Schema die verwandtschaftlichen Beziehungen
der Euphausidengattungen auszudrücken:
S t a m m f o rm d e r E u p h a u s i d e n
Bcnthcuphausia Thysanopoda
Nyctiphancs
Euphausia
Thysanoessa
Ncmatoscelis
Stylochciron
Weit mannigfaltiger als bei den Ephausiden gestalten sich die biologischen Verhältnisse
bei den Mysideen. Die meisten Arten leben in Schwärmen an den Küsten, indem sic mit Vorliebe
in der Nähe des Grundes schweben. Zu diesen Flachwasserbewohnern gesellen sich zahlreiche
Genera, welche gemeinsam mit Lophogastriden und Eucopiiden einen charakteristischen Bestain Itheil
der Tiefseefauna abgeben. Eine dritte Gruppe endlich steht diesen Grundbewohnern in den
pelagischen Mysideen gegenüber, welche in relativ wenigen Gattungen und Arten die Oberfläche
und die grösseren Tiefen der Oceane bewohnen.1) Wenn wir nicht schon längst erkannt hätten,
dass eine scharfe Grenze zwischen der oberflächlichen Küstenfauna und der den Grund besiedelnden