Hyd ro p h ilid en .
Von diesen hier nicht häufigen Wasserkäfern stand mir nur Hydrophilus (Hydrobius, Hydrous)
caraboides lebend zuVersuchen zu Gebote, zur anatomischen Untersuchung auch Hydrophilus piceus
und eine grosse javanische Spezies. Zwischen den dreien bestanden nur geringe Unterschiede.
Was diese Wasserkäfer von den Schwimmkäfern (JDytisciden) auf den ersten Blick unterscheidet,
ist der vollständige > Nichtgebrauch der Fühler im Wasser. Man sieht dieselben gar nicht,
da sie der Brustwand unten angelegt sind und sich hier in der Luftschicht befinden, welche der ganzen
Unterfläche dieser Käfer anhaftet. Dagegen sind die Kiefertaster so lang, dass man sie für'Fühler
halten könnte. Nimmt man aber den Käfer aus dem Wasser, so kommen jetzt plötzlich die blatt-
artig verbreiterten Fühler zum Vorschein, er benützt sie dann geradeso, wie ein Lamellicornier, bewegt
sie lebhaft und streckt sie zuweilen wie witternd aus.:
Die Erhaltung der Taster ist hier eine noch notwendigere Bedingung für die normale Existenz
des Tieres, als bei JDytiscus und seinen Verwandten.. Auch als mechanische Hilfsmittel bei der Nahrungsaufnahme
werden sie hier wie dort verwendet, bei den Hydrophiliden in noch ausgeprägterer
Weise. Nach E. Wasmann (s. das. Citat oben pg. 82) ist Hydrophilus piceus ohne Taster‘ nicht
im stände zu fressen. Dasselbe beobachte ich bei Hydrophilus caraboides. Bei dem gänzlichen Mangel
aller Tastorgane (die Fühler zählen ja hier nicht als solche), , ist der Käfer nach Verlust' der Taster
nicht mehr befähigt die Gegenwart der Nahrung zu erkennen.
Übrigens ist Hydrophilus caraboides gegen Geschmacksreize nicht so empfindlich, wie die Dytis-
ciden, er frass ruhig weiter, wenn seine Taster sich in chininhaltigem Wässer bewegten, wie es der
Fall war, wenn ich von oben her Chiniiilösung auf seine kauenden Mundteile fliessen liess.
Mit dieser Unempfindlichkeit stimmt auch die verhältnismässig geringe Zahl von Sinnesorganen
an den Tastern. Die Endglieder besitzen an meinen Präparaten eine flache Grube, aus welcher wenige
blasse Kegel hervorragen. Ich habe die Vermutung, dass diese grubenartige Einsenkung Kunstprodukt
ist, entstanden durch Einsinken der wahrscheinlich dünnchitinisierten. Tasterendfläche, wie sich solche
auch bei anderen Käfern (Gärdbüs) beobachten lässt.
Die im Gegensätze zu JDytiscus ziemlich zahlreichen Haare sind charakteristisch gestaltet, indem
sie, einem engen, etwas geneigten Porenkanal aufsitzend, sich über ihrer Basis sofort der Tasterspitze
zukrümmen, und so dem Taster beinahe anliegen.
Am Lippentaster finden sich sehr lange Haare, in Gruppen zusammen stehend.
Ziemlich zahlreich finden sich bei Hydrophiliden G ru b en , wie ich- sie bei der Dytisdus-lsaxw
näher beschrieben habe. Bei diesen, Käfern kommen die verschiedensten Formen der Gruben vor,
und namentlich auch solöhe', welche', von innen her in’s Chitin eindringend, die Aussenfläche desselben
nicht erreichen. Sie sind auch hier rätselhaft in ihrer Bedeutung.
Gelegentlich will ich erwähnen , dass ich in sämtlichen Tastern eines nur mit Alkohol behandelten
Hydrophilus caraboides massenhafte kristalloide Körper fand, Welche namentlich die grossen
blasenförmigen Erweiterungen der -Tracheen in bedeutender Zahl umgaben. Ihre
Grösse ist 10—25 p, ihre Gestalt zeigt die nebenstehende Skizze. Ähnliches habe
ich bei keinem Insekt gesehen.
Die F ü h le r der Hyd/rophiliden sind entschieden nur für das Luftleben bestimmt; ihr Fehlen»
beeinträchtigt die Ausübung der normalen Funktionen im Wasser durchaus nicht. Die auf ihren sichtbaren
zahlreichen Sinnesorgane sind von Leydig (183) beschrieben. Die Fläche der verdickten
Endglieder ist von dunklen feinen Chitinborsten dicht besetzt, welche eine Skulptur der Aussenfläche,
keine Sinneshaare, darstellen. Sie lassen an vielen Stellen kreisrunde Lücken, deren Durchsichtigkeit
sie von dem umgebenden dunklen Chitin deutlich abhebt. Diese Lücken sind es wohl, die Leydig
G ru b e n nennt. Bei stärkerer Vergrösserung zeigt sich in ihnen ein in einer ganz flachen Vertiefung
stehender blasser kurzer Kegel, wie ihn F. R uland (271) beschrieben und abgebildet hat.
Die Zahl der Kegel ist eine sehr grosse. Man wird in ihnen die spezifischen Organe eines nur an
der Luft funktionierenden Sinnes sehen dürfen, welche den Kegeln auf den Fühlern anderer Käfer
entsprechen, somit Rie ch o rg an e .
Ein Geschmacksorgan am Gaumen habe ich bis jetzt bei Hydrophilus caraboides nicht
finden können. Zusammengehaltcn mit dem leicht zu findenden Schmeckorgane bei Hytiscus ist dieses
negative Resultat sehr auffallend.
L an d k ä fe r.
Entsprechend dem Grundgedanken meiner Arbeit, hauptsächlich die seither wenig untersuchten
Wassertiere experimentell in Angriff zu nehmen, werde ich mich bei den Landkäfern kürzer fassen
können als bei den Wasserkäfern, welche so reichlich Stoff zu Beobachtungen gaben. Auch sind wir
über die Organe des chemischen Sinnes und die Äusserungen dieses Sinnes weit besser unterrichtet,
als dies von den Wasserkäfern zu sagen ist) bei denen jede Kenntnis des Riech- und Schmeckver-
mögens bisher fehlte. Eine ganze Reihe von Forschern hat sich mit mehr oder weniger Glück der
Erforschung dieser Sinnesthätigkeiten bei den genannten und den übrigen Landinsekten zugewandt.
Als die wertvollsten und gelungensten Versuche dürften wohl hier wie auf den benachbarten Gebieten
die Versuche von F o r e l zu bezeichnen sein, auf welche wir noch des öfteren zu sprechen kommen
werden. Es kann nicht Aufgabe einer Arbeit wie der vorliegenden sein, historisch änzuführen, wie
sich die Forscher bemühten, die schwierige Frage nach der Bedeutung der Fühler und Taster (welche
mit der Frage nach dem Sitze von Geruch und Geschmack zusammenfällt) auf verschiedene Weise zu
lösen. Ein kritisches Referat hierüber würde allein schon ein Buch füllen ’). Nicht einmal die Namen
aller jener Forscher kann ich hier aufführen, muss daher in dieser Hinsicht auf mein Literaturverzeichnis
verweisen, in welchem ich möglichste Vollständigkeit angestrebt habe. Neben der schon genannten
von F o re l sind es hauptsächlich Arbeiten von G rä b e r , P e r r is , L e y d ig , K räp e lin ,
H a u s e r, R u la n d , und vom R a th , welche hier besonders in Betracht kommen werden.
Ich beschränke mich demnach im Folgenden darauf, das mitzuteilen, was ich mir nach eigenen
Untersuchungen und nach gewonnenem Überblick über die Litteratur als Ansicht bilden konnte, und
erwähne fremde Arbeiten fast nur, wo ich gegen eine fit ihnen vertretene Ansicht oder Angabe mich
aussprechen muss. Vieles Irrtümliche in früheren Arbeiten, sowohl histiologischen wie experimentellen
Inhaltes, ist längst durch neuere Arbeiten widerlegt.
Der Geschmacksorgane der Käfer gedenke ich weiter unten zusammen mit denjenigen aller
Insekten überhaupt.
*) Ein vorzügliches kritisches Referat, das nach Möglichkeit kurz gefasst ist, und bis 1883 reicht, findet sich bei
K r ä p e l in (161). Seit 1883 ist freilich die Litteratur über den Gegenstand wieder ganz bedeutend angewachsen.
Bibliotheca zoologica. Heft 18. 12