des Gaumenzapfens wird bei Dyüscus von einigen, bei seinen kleineren Verwandten von nur einem
hohlen Grubenkegel (Fig. 6 a, Fig. 14) eingenommen, der ein ganz ähnliches Bild bietet, wie die
grossen Grubenkegel an der Beugeseite der Lippentaster (Fig. 7), an den Seiten dickes, an der Spitze
unmessbar dünnes Chitin besitzt. Seitwärts von der Spitze des Zapfens (und des inneren Kiefer-,
tasters) bemerkt man zahlreiche grosse massive Grubenkegel (Fig. 6 b, Fig. 15, 16), zwischen denen
kleinere zerstreut liegen. In die Gruben aller dieser Grubenkegel münden zahlreiche Drüsengänge, oft
in auffallender Weise parallel zu vieren nebeneinander (Fig. 16). Auch zwischen den einzelnen Gruben
finden sich ihre Mündungen.
Versuch der Deutung des anatomischen Befundes auf Grund der Experimente.
Die Deutung eines Teiles der im Vorhergehenden beschriebenen Sinneswerkzeuge an Fühlern,
Tastern und im Munde macht keine Schwierigkeit. Als Organe des Tastsinnes erweisen sich schon
durch die Betrachtung die massiven G ru b e n k e g e l, grosse u n d k le in e , sowie die wenigen
H a a re , die sich an den genannten Orten finden. Dass diese Organe den chemischen Sinnen nicht
dienen, darin bin ich allgemeiner Zustimmung sicher.
Schwieriger ist die Entscheidung betreffs der T a s tz ä p fc h e n an den Tasterspitzen. Die
Beobachtung des lebenden Käfers zeigt aufs deutlichste, dass derselbe die Tasterspitzen als ein sehr
feines Tastwerkzeug mannigfach verwendet. Offenbar darf man in diesen Organen den wichtigsten
Tastapparat der Dytisciden sehen. Mit den Fühlern tasten die Dytisciden ja gar nicht. Unentschieden
muss ich lassen, ob die Tastzäpfchen auch dem Geschmackssinne dienen, die Experimente haben hier
keine Entscheidung gegeben. Nach meiner subjektiven Auffassung scheint mir Geschmacksfunktion
diesen Organen nicht zuzufallen, vielmehr eher den hohlen Grubenkegeln der Taster. Geschmacksorgane
sind a u s s e rh a lb des Mundes s ic h e r v o rh an d en , das ergiebt sich schon aus dem
Verhalten der Käfer, deren Taster von einer schmeckbaren Flüssigkeit bespült werden. Noch entscheidender
war mir das Benehmen eines Dyüscus, dem die Oberlippe mit samt ihren Geschmacksorganen
genommen war. Auch dieser zeigte noch Schmeckvermögen, liess sich durch Zucker und
Fleischsaft erregen, durch Chinin abstossen und biss in Papier mit Fleischgeschmack.
Eine gewisse Empfindlichkeit gegen chemische Reize besitzen auch die Fühler, sicher für
starke Reize, unsicher für die schwach wirkenden Stoffe, wie Zucker und Fleischsaft. Die Resektion
der Fühler hebt darum auch das äussere Schmeckvermögen nicht auf, wie auch umgekehrt dies nicht
vollständig verschwindet, wenn die Taster entfernt, die Fühler aber erhalten sind. Waren dagegen
Fühler und Taster weggeschnitten, so fehlte das äussere Geschmacksorgan ganz, damit auch das äussere
Schmeckvermögen, wodurch zugleich bewiesen war, dass nicht etwa zwischen den Kiefern eindringende
Flüssigkeitsteilchen das Geschmackorgan am Gaumen erregten und hiedurch überhaupt das Schmeckvermögen
der äusseren Teile (Taster, Fühler) vorgetäuscht wäre. Dies alles ist an zahlreichen Exemplaren
oftmals erprobt worden.
So wie einerseits Dyüscus ohne Gaumenorgane noch Schmeckvermögen hat, also ein äusseres
Geschmacksorgan besitzen muss, so ist andererseits auch nach Entfernung der äusseren Kopfanhänge,
der Fühler und Taster, das Schmeckvermögen in der Mundhöhle voll und ganz erhalten. Ein
so durch Wegnahme der Fühler und Taster verstümmelter Käfer ist zwar nur schwer zum Fressen
zu bewegen, hat er aber einmal angebissen, so macht er Geschmacksunterschiede gerade wie ein gesunder,
er verzehrt reines Fleisch, versohmäht ,bitter gemachtes eto.; er erkennt auch die Täuschung
durch geschmacklose Stoffe (Filtrierpapier) rasch-.
Ich muss allerdings hinzufügen, dass dieser Versuch insofern nicht ganz einwandsfrei ist, als
dabei die kleinen inneren Kiefertaster stehen geblieben sind, welche wahrscheinlich auch geschmacksempfindlich
sind. Indessen ist die Zahl derjenigen Organe an diesen Tastern, welche als Schmeck-
werkzeuge in Betracht kommen können, so gering, dass ihre Gegenwart allein das Erhaltensein des
Schmeekvermögens nach der Resektion der anderen Taster nicht erklärt, und es ist daher Gazagnaire’s
Auffassung von der Schmeckfunktion der Gaumenplatte gewiss eilje zutreffende.
Bemerkenswert scheint mir eine Beobachtung, welche ich an einem Käfer machte, der dieses
seines inneren Schmeckorganes durch Resektion der Oberlippe, (beraubt war. Er überstand die
Operation gut, reagierte auf Fleischsaft in normaler Wise, auf reines Wasser, das zur Kontrole verwendet
wurde, nicht. Wurde dem durch Fleischsaft oder mechanischen Reiz (s^m ÜI erregten Käfer
ein Stück Fleisch gereicht,» biss er lebhaft. an und kaute. Bun trat aber ein merkwürdiges Verhalten
ein: Er benahm sich dem Fleische gegenüber genau so, wie ein unverletzter Käfer gegenüber einem geschmacklosen
Stoffe, oder einem solchen, dessen Gesohms^|; rimch verschwindet (fleischsaftgetränktes
Papier), Er drückte seine Unruhe durch lebhaftes Vibrieren der Taster aus, entfernte den Mund von
der angebissenen Stelle, biss in eine andere, ein, wühlte darin mit den Maxillen und wiederholte dies
an mehreren Stellen, ohne wirklich zu fressen. Später, als sein HungejSnoch mehr gestiegen sein
musste, setzte er seine Versuche: noch länger fort, stets in der beschriebenen Weise die Stelle am
Fletsche wechselnd, was gesunde Käfer nie thun, bis er schliesslich das Stück unbefriedigt fallen liess.
Dieser Versuch scheint mir zu beweisen, 1) dass äussere Geschmacksorgane existieren, 2) dass
das innere Geschmacksorgan von grösser Bedeutung ist und durch die äusseren nicht ersetzt werden
kann. Der Beweis für die Existenz äusserer Scbmeekwerkzeuge ist ein strenger, denn ohne diese
könnte der Käfer nicht nach Entfernung des Gaumenorgans noch auf Fleischsaft reagieren. Der Beweis
für die Existehz eines inneren Geschmacksorganes ist nicht so sicher, weil, wie erwähnt, die Entfernung
aller Taster Und, mit diesen, aller äusseren Schmeckörgane, kaum ausführbar ist.
Das Verhalten des Käfers ohne Oberlippe lässt zweierlei Erklärungen zu: Entweder ist sein
Benehmen: bedingt durch den Verlust des inneren Schmeckorganes, indem er durch das äussere zwar
zum Anbeissen veranlasst wird, dagegen, wenn derBissen in den Mund kommt und hier wegen fehlenden
Schmeckorganes geschmacklos erscheint, der Bissen nicht verschluckt wird. Oder aber, der Verlust
der Oberlippe macht mechanisch das Schlucken unmöglich, der Käfer „glaubt“ aber, die Bichtver-
schluckbarkeit sei Schuld der Speise, nicht seiner Verstümmelung, von der :ef: kein Bewusstsein hat;
deshalb wechselt er die angebissene Stelle mit anderen,, um geniessbarere Speise zu gewinnen.
Beide Auffassungen erklären die Thatsachen.
Bei den bisherigen Besprechungen habe ich die „kelchförmigen Organe“ an Fühlern und
Tastern ganz beiseite gelassen, um sie gesondert zu besprechen. Ich finde in der ganzen Reihe der
Insekten kern Tier, welohes Organe aufweist, die mit diesem in nahe Beziehung gebracht werden
könnten. Dass sie dem Geschmackssinne n ic h t dienen> glaube ich deshalb, weil sie an den Fühlern
so ausserordentlich zahlreich sind, und gerade diese für das Schmeckvermögen augenscheinlich bedeutungslos
sind.
Für diskutierbar halte ich zwei Auffassungen, die sich über die Funktion dieser eigenartigen