verwendet nnd gegen sie namentlich richten sich die Angriffe. Zweifellos ist" es ein grösser Fehler,
wenn G räb e r die verschiedenen Riechstoffe kritiklos als beinahe gleichwertig für seine Versuche
betrachtete, und sogar Ammoniak zum Nachweis von Riechvermögen verwenden wollte. Der HaupjS
fehler scheint mir indessen der zu sein, dass er die Stoffe viel zu lange, bis zu einer Minute, einwirken
liess, und selbst Reaktionen, die nach 50—SO Sekunden eintraten, noch als Riechreaktionen
betrachtete. Eine Bewegung, die erst innerhalb einer Minute eintritt, kann eine rein zufällige sein.
Ansserdem kann eine so langdauernde Einwirkung reizender Dämpfe schon Prozesse im Tierkörper
anregen, die ganz ausserhalb des Gebietes der Sinneswahrnehmungen liegen, jedenfalls aber nicht zum
Gerüche zu zählen sind. Ich habe aus diesem Grunde Reaktionen, die nicht in 5 bis höchstens 10
Sekunden eintraten, nicht als Riech- oder Schmeckreaktionen betrachtet.
Ein weiterer Nachteil bei G ra b e r ’s Versuchen liegt in der grossen Monotonie in der Art
des Experimentierens, wobei auf die Eigenart der Tiere keine Rücksicht genommen wurde. Die Reizstoffe
wurden entweder an Glasstäbchen vorgehalten oder G rä b e r liess sie mittelst seines „Zwei-
kammerprincips“ einwirken.')
Ich habe häufig gefunden, dass die einzelnen Tiere ganz verschiedene Experimentiermethoden
verlangen: Das eine reagiert nur in der Ruhe, ein anderes nur im Laufen oder Fliegen, manchmal
ist es zweckmässig, die Nahrung mit riechenden und schmeckenden Stoffen zu versetzen u. s. f,
In soweit also stimme ich mit den Kritikern der Methode Grabe.r’s überein; bezüglich der
Brauchbarkeit stark riechender Stoffe ist meine Meinung eine abweichende. *)
Ich habe vielfach mit ätherischen Ölen, dann auch mit aromatischen Körpern, Benzol, Toluol,
Xylol, Menthol^Campher, Naphthalin, Cnmarin, Kreosot und anderen Stoffen experimentiert. Man
wird mir entgegenhalten: Diese Stoffe stellen doch Reize für alle sensiblen Nerven dar, sie ätzen
und brennen auf den empfindlichen Schleimhäuten. Als schlagendstes Beispiel pflegt ins Feld geführt
zu werden, sie erzeugen auf der menschlichen Conjnnctiva ein Schmerzgefühl, und das werde man
doch nicht behaupten wollen, dass dies Äusserung von Ricchvermögen der Conjnnctiva s 4 Dieser
letztere, vielfach wiederholte und gläubig nachgesprochene Einwand ist nun überhaupt nicht zutreffend.
Es ist nicht richtig, dass jene Stoffe, die ich namhaft machte, auf der Oonjunctiva Schmerz erzeugen,
wenn sie in Dampfform (natürlich bei Zimmertemperatur verdampfend) einwirken. loh kann einen
mit Xylol, Nelkenöl, Kreosot befeuchteten Pinsel meinem Auge bis fast zur Berührung nähern, ohne
etwas davon zu empfinden.3) Bei Ammoniak und Osmiumsäure, sowie bei schwefliger Sänre ist
es anders.
Allerdings erzeugt mir Bergamottöl (anderen Cedemöl) häufig eine leichte Conjunctivalreizung,
jedoch nur, wenn ich es tagelang auf meinem Arbeitsplatz stehen habe und mich bei Anfertigung
mikroskopischer Präparate darüber beuge. Dieselbe Wirkung hat Osmiumsäure in wenigen Minuten.
Jene ätherischen Öle und aromatischen Körper haben somit eine Reizwirkung auf die Zellen
überhaupt, aber m anderer Weise, als es gewöhnlich aufgefasst wird. Gasförmig einwirkend, vermögen
sie innerhalb längerer Zeit Hyperämie nnd Entzündung zu erzeugen, in Substanz direkt einwirkend
erzeugen sie dieselbe schon in kurzer Frist. Was an Thatsachen über ihre Wirkung vorliegt,
J) Wegen der Einzelheiten muss ich auch die Originalarbeiten (118, 119) verweisen.
, . _ I Ioh "FlU | S1“ “11 bemerken, dass das liier Gesagte auch durchaus auf die Versuche mit Schmeckstoffen
bei Wassertieren zu übertragen ist.
•>l A“Cl1 C°m,!a ™n H temP°raria H d“r e l Annäherung ätherischer Öle nicht gereizt. auf kleinste Entfernung° en
berechtigt keineswegs zu. der Behauptung, Contact mit den Dämpfen dieser Stoffe reize die Tiere
schmerzhaft.
Von Interesse dürfte folgende Beobachtung sein, welche ich an einigen Exemplaren der Bernsteinschnecke
(Succinea) machte, und die hier wohl ihren geeignetsten Platz finden wird: Auf Annäherung
von R o sm a rin ö l (ein kleines Tröpfchen an einer Nadel) reagierten die 4 Tentakel prompt
und sicher durch Einstülpung, die Mundgegend durch die gewöhnlichen, unten zu besprechenden Bewegungen.
Die übrigen Körperteile, also auch der Eussrand und dessen hinterstes Ende, zogen sich
vom Öle nicht zurück. Ganz ebenso war die Wirkung von CamplierStückchen, sehr abweichend
jedoch die der 2°/o 0 smiumsäurelösung. D ie s e r e iz t F ü h l e r u n d M u n d te ile schwächer
a ls R o sm a rin ö l, a b e r se h r d e u tlic h r e iz t sie auch a lle an d e ren b lo s s lie g e n d e n
K ö rp e rte ile , d en g an z en F u ss u n d Rücken. Der Geruch der Säure ist lange nicht so
intensiv, wie derjenige des R o sm a rin ö ls und Camphe rs, aber ihre reizende (entzündungserregende)
Wirkung auf alle Gewebe ist viel stärker.
Dieser Versuch ist darum besonders wichtig, weil er zeigt, dass die stark riechenden Stoffe
(Rosmarinöl und Campher) gerade auf diejenigen Teile am stärksten wirken, welche schon anderweitig,
auch durch die wertvolleren .Anziehungsreaktionen, als Riechorgane nachgewiesen sind. Weiter zeigt
der Versuch, dass nicht die entzündungserregende Wirkung es ist, welche die starke Empfindlichkeit
bedingt, sondern die in ihrem Wesen noch ganz unbekannte Eigenschaft der Riechbarkeit. A priori
durfte man nicht annehmen, dass Riechbarkeit eines Stoffes für Menschen mit derselben Eigenschaft
den tierischen Riechorganen gegenüber zusammenfalle, zahlreiche Versuche haben dies jedoch festgestellt,
wenn auch natürlich einige Ausnahmen nicht fehlen.
Ich glaube annehmen zu dürfen, dass ein Teil der Missbilligung, welche Versuche wie die
von G r ä b e r u. A. zum Zwecke der Feststellung des Riechvermögens gefunden haben, darin seinen
Grund hat, dass hierbei isolierte chemische Substanzen verwendet wurden, denen man leichter eine
Reizwirkung abnormer Art zutraut, als etwa dem Dufte einer Pflanze, der Ausdünstung eines Tieres
oder dem Geruch einer Speise. Wären die Abstossungsreaktionen mit Stoffen letztgenannter Art
erzielt worden, so würde vielleicht mancher sie gebilligt haben, der sie jetzt, durch isolierte Chemikalien
erzeugt, für wertlos hält. Ich sehe im Gegenteil einen Vorzug darin, wenn isolierte, chemisch
definierbare Körper verwendet werden, wobei man genau weiss, dass dieser und kein anderer Stoff
es war, welcher wirkte, während man, wenn ein Tier eine bestimmte Pflanze flieht oder aufsucht,
zunächst nicht wissen kann, welcher der in ihr enthaltenen Stoffe der wirksame war. Aus demselben
Grunde.scheint es mir wichtig, die sonstigen Eigenschaften, welche ein Nahrungsstoff ausser seinen
chemischen Eigenschaften besitzt, nach Möglichkeit zn eliminieren, woraus die Methode hervorging,
die ich in einzelnen Fällen, so bei Actinien und Wasserkäfern, mit gutem Erfolg anwandte: Man
reicht dem Tiere statt der Nahrung einen unlöslichen, desshalb geschmack- und geruchlosen Stoff
(Filtrierpapier), der bei den verschiedenen Versuchen mit verschiedenen Flüssigkeiten durchtränkt wird.
Man kann ihn mit dem Safte der eigentlichen Nahrung, aber auch mit jedem beliebigen anderen
Stoffe durchtränken, und hat dann den Vorteil, dass bei den einzelnen Versuchen die statt der Nahrung
untergeschobenen Bissen stets dieselben physikalischen Eigenschaften, die gleiche Consistenz, haben
und nur chemisch verschieden sind.
Von besonderem Interesse ist es, wenn es gelingt, chemisch definierbare Substanzen festzustellen,
welche eine Anziehungsreaktion hei Tieren auslösen, welche ihnen also „angenehm schmecken“.
So ist es P fe f f e r bei Protisten und Spermazellen gelungen, welche, wie oben erwähnt, durch Apfel