ist bei ihr wie bei Hiopatra über den ganzen Körper verbreitet, am Kopfe verstärkt. Die Verkleinerung
der gereizten Körperringel ist wegen der grossen Verhältnisse sehr auffallend und deutlich.
Der Kopf macht häufig, nachdem er sich rasch zurückgezogen hat, lebhafte Pendelbewegungen nach
beiden Seiten. Dass das Hinterende nicht wie bei Lumbricus empfindlicher ist:, als der Kumpf,-ist
leicht zu verstehen, da es gar nicht konstant ist, und jeden Augenblick neu gebildet werden kann,
indem der Wurm die hintersten Körperringel einfach abwirft. Ohne ersichtliche Ursache teilt sich
oft Halla, besonders wenn sie stärker erregt worden war. Wenn man sie künstlich teilt, durch einen
Scherenschnitt, reagiert der kopflose Kumpf ganz wie früher, nur hat Bein neugebildetes Vorderende
ganz die Eigenschaften des früheren Hinterendes, d. b. es zeichnet sich dem Kumpfe gegenüber nioht
durch höhere Empfindlichkeit aus. Ich habe einen kopflosen Rumpf wochenlang am Leben erhalten,
und stets blieb die Reaktionsfähigkeit die gleiche. Bei chemischen und sonstigen Reizungen stösst
Halla einen schwarzen, schleimigen Saft an der gereizten Stelle aus, welcher didÖfi'e umhüllL .+
Die Oberseite und Unterseite sind in gleichem Maasse empfindlich, die seitlichen Körperanhänge
sind gleichfalls alle reizbar, jedoch nicht in hervorragendem Haasse. Jedenfalls sind sie nicht
die einzigen Träger der Empfindlichkeit des Kumpfes, ebensowenig bei Arenicola und Diopatra die
Kiemen, bei Aphrodite die Fussstummef||Die Fühler am Kopfe sind weder bei Halla noch bei Aphrodite
merklich empfindlich. Die Fühler und Taster sind offenbar nicht Organe besonderer Sinne, sondern
stellen einfach Oberflächenvergrösserungen am Kopfe dar. Ihre funktionelle Bedeutung ist
sicher gering.
Schneidet man einer Halb nur den Kopf mit den zwei ersten Ringeln ab, so ist in einer Beziehung
der Erfolg der Operation derselbe, wie wenn das Tier halbiert wäre: Das durch den Schnitt
neugebildete Vorderende hat die Fähigkeit verloren, dem Reiz geschickt zu entfliehen, sich zu verstecken
u. s. f.,. was der eigentliche Kopf selbst stets kann. Diese Fähigkeit ist also an die Gegenwart
des Kopfes gebunden. Dagegen ist, wenn nur dei Kopf mit zwei Segmenten entfernt war, das
neugebildete Vorderende" em p fin d lic h e r als dasjenige, welches durch einen Schnitt weiter unten,
etwa durch das hundertste Segment gebildet werden kann. Diese höhere Empfindlichkeit scheint also
durch einen grösseren Nervenreichtum der dem Kopfe nahestehenden Segmente bedingt zu sein.
Bei Aphrodite aculeata ist der Rücken mit seinem dichten Haarpelz hervorragend unempfindlich,
die Bauchseite ist überall gleichmässig empfindlich.
Die Organe des chemischen Sinnes dürften auch hier mit denen des Tastsinnes zusammenfallen,
wie solche in den Rückencirrhen, Fühlern und Bauchwarzen der verwandten Hermione hystrix
von E. Jo u rd a n beschrieben sind.
Protula intestinum und Serpula uncinata.
Von diesen Tieren können erklärlicher Weise nur die aus der Röhre hervorragenden K iem en fä
d e n auf ihre Empfindlichkeit geprüft werden. Durch reines Seewasser, welches die Kiemenfäden
bespült, wird das Tier nicht erregt, ebenso wenig durch Vanillin und Cumarin in Lösung. Dagegen
treibt Strychnin das Tier sofort in seine Röhre zurück, Chinin ebenso. Die starke Wirkung des in
Seewasser sehr wenig löslichen Strychnins, welche ganz momentan eintritt, berechtigt, von einem empfindlichen
Schmeckvermögen zu sprechen. Auffallend ist das gänzliche Ausbleiben der Reaktion auf
Cumarin, welches viele andere Tiere so stark reizt, oft stärker als Strychnin.
Serpula ist ihrer Kleinheit wegen schwer zu prüfen, gibt aber ähnliche Resultate wie Protula.
Dasybranclius caducus.
Da wir über die Sinnesepithelien der Ca pitelliden vor allem durch die ausgezeichneten
Arbeiten von H. E is ig so genau, wie bei wenigen anderen Familien der Würmer unterrichtet sind,
musste es besonders interessant erscheinen, experimentell an diese Familie heranzugehen. Aus der
sogleich zu erwähnenden Art jedoch, wie sich die in Frage kommenden Sinnesorgane über den Körper
verteilen, liess sich schon entnehmen, dass das Experiment hier von geringem Werte und nicht entscheidender
Bedeutung sein werde. Dies hat sich in der That so ergeben. Ich verzichte daher auf
ausführlichere Mitteilungen meiner Versuche mit diesen Capitelliden, und will nur kurz angeben, was
ich mit einiger Wahrscheinlichkeit annehmen zu dürfen glaube.
Am Kopfe der Capitelliden, wie überhaupt vieler Anneliden und Ncmertincn findet sich ein
paariges Organ, das als Sinnesorgan gilt und als „Wimperorgan“ bezeichnet wird. E is ig deutet es
im Anschluss an V e jd ow sk y , E. Meyer, K le in e n b e rg und A. als R ie c hw e rk z e u g , bezeichnet
indessen mit vollem Rechte diese Deutung als unsicher, so lange der experimentelle Beweis fehlt.
Segmental angeordnet sind die sogenannten S e ite n o rg a n e , Sinnesorgane mit bimförmigen
Sinneszellen, und einem Besätze starrer Haare. Sie sind entweder retraktil, in Spalten zurückziehbar,
oder sie sind anderweitig geschützt, so dass mechanische Berührung sie schwer treffen kann. Sie
werden von E is ig als Homologa der Seitenorgane der Fische und Amphibien gedeutet, sollen dem
Tastsinne (besser mechanischen Sinne) angehören, und. sind auf alle Körpersegmente verteilt.
Endlich die b e ch e rfö rm ig en Organe oder E n d k n o sp en sind nicht segmental angeordnet,
bestehen aus langgestreckten Sinneszellen und Stützzellen, sind den Endknospen der Fische und der
Säugetierzunge sehr ähnlich, sind gegen den Kopf hin zahlreicher, finden sich auch in der Mundhöhle.
Sie werden von E is ig für Schmeckorgane gehalten.
Das Experiment ergibt Vorhandensein von Geschmackssinn am ganzen Körper, mit Steigerung
der Empfindlichkeit gegen den Kopf zu. Mit E is ig ’s Deutung der einzelnen Organe stimme ich überein,
mit Ausnahme derjenigen des Wimperorganes, welches ich bestimmt für kein Riechorgan, kaum
für eine Stelle gesteigerten Schmeckvermögens, halten kann. Ob Seitenorgane oder Endknospen dem
Schmeckvermögen dienen, lässt das Experiment, wie gesagt, unentschieden, da beiderlei Organe, gleichwie
das Schmeckvermögen über den ganzen Körper verbreitet sind. Immerhin passt die Steigerung
der Feinheit des Schmeckens am Vorderende zu der grösseren Häufigkeit der Schmeckbecher in dieser
Region, und dies, zusammengehalten mit der weitgehenden Ähnlichkeit genannter Organe mit den
zweifellosen Schmeckbechern der Egel und anderer Tiere, lässt E is ig ’s Annahme, dass wir es hier
mit Schmeckwerkzeugen zu thun haben, recht plausibel erscheinen. Auch das Vorkommen der Organe
in der Mundhöhle stimmt gut hiezu. Übrigens dürften sie, wie die Endknospen der Egel, Wechselsinnesorgane
sein, also nicht allein dem Geschmackssinne dienen.
Gordius aquaticus
ist insofern für unsere Betrachtungen ein ganz interessantes Tier, als wir hier einmal, wie es scheint,
ein Wesen antreffen, dem d e r chemische Sinn (im g e s c h le c h ts re ife n Z ustan d e ) völlig
fehlt. Es ist dies auch nichts undenkbares; so gut ein Tier des Gesichtssinnes ermangeln kann, so gut
kann auch einmal der Geschmackssinn fehlen. Die ganze Organisation und Lebensweise des Tieres
muss dann natürlich ebenfalls entsprechende Besonderheiten bieten. Das ist auch hier der Fall.
Bibliotheca zoologica. Heft 18. 20