Schnittserien habe ich von folgenden Embryonen untersucht:
Stadium A: Länge vom Scheitel zur Schwanzwurzel 15 Mm.
„ B: „ „ „ „ „ ' 24 „
C: „ „ „ . „ „ 31 „
Stadium A.
Sowohl im Unter- als Oberkiefer existirt eine continuirliche, dicke Schmelzleiste, welche
überall mit dem Mundhöhlenepithel in Verbindung steht.
Folgende Milchzähne sind angelegt:
1. 2. 1. 2: 3.
J d 1 7 X . Cd T Ed
Alle diese stehen auf dem kappenförmigen Stadium mit Ausnahme der P d 3, welche
noch knospenförmig sind. W ir s te h e n a lso h i e r v o r d e r s e h r b e a c h te n sw e r th e n
T h a ts a c h e , d a s s, w ä h re n d d a s p e r s i s t ir e n d e G e b is s b e i Desmodus d u rc h e ig e n a
r t ig e D if f e r e n z iru n g s c h a r f von d em je n ig e n a l l e r ü b r ig e n C h i r o p t e r a a b w
e ic h t, das M ilc h g e b is s a u f d ie sem E n tw ic k lu n g s s ta d ium u n s e r T h ie r in
v ö llig e U e b e re in s tim m u n g m it d e r ü b e rw ie g e n d e n M e h rz a h l s e in e r O rd n u n g s g
e n o s se n b r in g t.
Bemerkenswerth erscheint eine kurze, aber dicke Epithelleiste, welche unmittelbar lingual-
wärts vom obern knospenförmigen Schmelzkeim des hintern Milchbackenzahns vom Mundhöhlenepithel
abgeht, nach hinten weiter vom Schmelzkeim abrückend (Fig. 91, 92). In Anbetracht
ihrer Lage sowie ihrer Beziehung zum P d 3 kann besagte Epithelleiste nur als eine Abspaltung
von der Schmelzleiste gedeutet werden. Da aber bekanntlich die Zähne sich nicht auf
einem so frühen Stadium von der Schmelzleiste abschnüren, so liegt hier eine eigenartige Bildung
vor, welche vielleicht dem Verhalten der Schmelzleiste bei den niederen Wirbelthierem
gleich zu stellen ist.
Stadium D.
Bezüglich dieses Stadiums sei hier nur erwähnt, dass sämmtliche Zähne des persistirenden
Gebisses als kappen- oder glockenförmige Schmelzkeime bereits angelegt sind, und dass alle Milchzähne
verkalkt sind, wobei jedoch zu bemerken ist, dass der im vorigen Stadium vorhandene
Schmelzkeim des P d 2 hier sowohl oben als unten fehlt ohne erkennbare Spuren hinterlassen
zu haben. Da P d 2 sowohl auf dem folgenden Stadium als auch bei einem von mir untersuchten
Jungen von Desmodus fehlt, während P d 3 bei den * betreffenden Exemplaren vorhanden
ist, so w e ic h t De smo d u s von den ü b r ig e n u n t e r s u c h t e n C h i r o p t e r e n d a d
u rc h ab , d a s s b e i ihm d e r v o r d e r s t e P d zw a r a n g e le g t a b e r n i c h t a u s g e b
ild e t w ird .
auf meine frühere Deutung stützten (1. c. pag. 9 und Note 2), in Wegfall. — Dr. WlNGE hat die Liebenswürdigkeit gehabt
mir ein Exemplar derselben Art zur Untersuchung zu übersenden; auch bei diesem fand sich der fragliche winzige
P d 1 im Oberkiefer. Dagegen beruht W inge’s Angabe (II pag. 57), dass bei diesem Exemplare auch ein oberer P 1
(nach W.’s Bezeichnung P 2) vorkommt, wie er später (III) berichtigt, auf einem Irrthum.
Stadium G.
Die Milchzähne sind fast vollständig ausgebildet; auch hier fehlt, wie erwähnt, P d 2
vollständig, während P d 3 neben P 8 gut ausgebildet ist (Fig. 96). Von dem persistirenden
Gebiss hat im Unterkiefer J das Stadium mit glockenförmigem Schmelzkeim erreicht Änd bei
C, P I , 3 und M 1 ist bereits eine schwache Verkalkung vorhanden; im Oberkiefer ist der grosse J
stark verkalkt, C und Prämolaren etwas weniger. Die Schmelzleiste ist nur stellenweise durch
Knochengewebe unterbrochen; über den Schmelzkeimen der persistirenden Zähne ist hier und da
noch der Zusammenhang zwischen Schmelzleiste und Mundhöhlenepithel vorhanden. Fast in noch
höherem Grade als bei Phoca (vergleiche oben pag. 68) tr itt lingualwärts von den Prämolaren
und dem Molaren das mehr oder weniger deutlich angeschwollene Ende der Schmelzleiste frei
hervor (Fig. 94, 95). Wie die Abbildung zeigt, erhält man hier von'einem Zahne der zweiten
Dentition ein solches Bild, wie es sonst nur die Milchzähne geben. D u r c h die g rö s s e re
V o l l s t ä n d ig k e i t d e r S c hm e lz le is te u n d das V o rh a n d e n s e in des a n g e s c hw o lle
n e n S c hm e lz le is te n e n d e s n eb en den P r äm o la r e n i s t h i e r ebenso wie b e i
P h o c a o f fe n b a r e in e b e so n d e rs g ro s s e P r a e d is p o s itio n f ü r d a s Z u s ta n d e k om men
e in e r d r i t t e n D e n t i t io n g egeben. Ob dieser für das Auftreten einer solchen Dentition
günstige Umstand a u s s c h lie s s lic h auf die grössere Schmalheit der betreffenden Zähne
bei Phoca und Desmodus zurückzuführen ist, will ich vor der Hand unentschieden lassen. Es ist
nämlich zu bemerken, dass auch bei dem obern J, welcher ja eine für einen J gewaltige Grösse
erreicht, ein deutlich angeschwollenes und stark hervortretendes freies Schmelzleistenende vorhanden
ist (Fig. 97). Dass die Schmelzleiste bei Desmodus sich zu dem einzigen Molaren nicht
ganz so wie sonst bei Molaren anderer Säuger verhält S vergleiche z. B. Erinaceus (siehe oben
Textfig. 2—4, pag. 18) B sondern eher so wie es bei Prämolaren der Fall ist, beruht dagegen
jedenfalls zunächst auf der geringen Breite dieses Zahnes verglichen mit den bei Molaren gewöhnlichen
Dimensionen. Bei einigen Zähnen, wie bei J im Oberkiefer und P 3 im Unterkiefer, steht
die Schmelzleiste in Verbindung nicht nur mit dem Ersatzzahne sondern auch noch mit dem
theilweise erhaltenen äussern Schmelzepithel des Milchzahnes natürlich Dank der hier ausnehmend
geringen Grösse des letztem — und wir erhalten somit Bilder, welche in besonders
lehrreicher Weise das Verhalten der beiden Dentitionen zur Schmelzleiste demonstriren (Fig. 96).
In einer früheren Arbeit (I) habe ich durch vergleichend-anatomische Untersuchungen
den Nachweis geliefert, dass innerhalb der durchaus natürlichen Familie der Stenodermata die
Reduction in der Backenzahnreihe nicht durch den Verlust von Prämolaren, sondern durch
Rudimentärwerden und Schwund von Molaren erfolgt*), während die Prämolaren constant § verbleiben
und keinerlei Verkrümmung aufweisen. Der Reductionsprocess der Molaren lässt sich
Schritt für Schritt verfolgen:
Brachyphylla M * * (normal entwickelte M 3).
Stumira u. a. „ (rudimentäre M 3).
Artibeus u. a. „ *' — (rudimentärer unterer M 3).
Ghiroderma \ „ *’ (normal entwickelte M 2).
Pygod&rma „---------- ---- (reduzirte M 2).
i) Wie es innerhalb dieser Ordnung nur noch bei Pteropi (und bei Ischnoglossa) vorkommt.