
unterworfenen Suchens das Suchen mittelst des Gesichtssinnes tritt, welcher in der ungewohnten
Helligkeit des Aquariumsbehälters wenig zu funktionieren vermag.
Die Hauptbedeutung des chemischen Sinnes für die Wassertiere liegt, wie. ich glaube, in der
zw e iten P h a s e seiner Thätigkeit, auf welche noch ein wenig einzugehen ist. Die dritte Phase bietet
keine Besonderheiten den Lufttieren gegenüber, denn sowie die Nahrung einmal im Munde sich befindet,
sind die Verhältnisse bei Wassertieren die gleichen wie bei Lufttieren. Der Hauptunterschied liegt
in der zweiten Phase, indem die Wassertiere die Eigenschaften des vor ihnen liegenden Stoffes schon
schmecken können, ehe sie ihn ergreifen oder anbeissen. Lufttiere können dies in ähnlicher Weise
auch mittelst des Geruchssinnes (speziell mittelst des Riechtastens [216 pg. 26 und 33] oder des oäorat
au contad [Forel]) erreichen. Der Unterschied ist aber der, dass die Riechorgane (meistens) nicht die
gleichen Eigenschaften zu erkennen gestatten, wie die Schmeckorgane, und dass daher das Tier am
Gerüche der Speise eine angenehme oder unangenehme Eigenschaft derselben noch nicht zu erkennen
vermag, welche ihm erst der Geschmack verrät. Das Wassertier schmeckt aber schon „auf Distanz".
Während im allgemeinen ein Lufttier nicht früher erkennt, ob einer Speise Bitterstoffe und dergl. zugesetzt
sind, als bis es die Speise kostet, d. h. in den Mund nimmt, bemerkt das Wassertier die
fremdartige Zumischung schon früher. Besondere Verhältnisse sind gegeben, wenn, wie bei vielen wirbellosen
Lufttieren, ä u s s e re S chm e ck o rg an e in d e r Umgebung des Mundes e x is tie re n .
Diese gestatten die Wahrnehmung der auf den Geschmack bezüglichen Eigenschaften der Stoffe wenigstens
ehe dieselben in den Mund kommen bei blosser Berührung. Dieselben Organe sind, wie ich glaube,
häufig zugleich zum Riechtasten befähigt, also Wechselsinnesorgane des Geruches und Geschmackes.
Es muss hervorgehoben werden, dass die typische Ausbildung der Schmeckthätigkeit in allen
ihren drei Phasen durchaus nicht bei allen Wassertieren zu finden ist. Bei Tieren, die, wie viele
Würmer, keiner bestimmten Nahrung nachgehen, sondern geradezu Schlamm und Sand verschlucken,
kommen die ersten zwei Phasen der Thätigkeit gar nicht in Betracht. Nur die dritte könnte eine
Rolle spielen, • indem sie dem Tiere zu erkennen gestattet, wenn unter den im Munde befindlichen
Stoffen übelschmeckende oder reizende sich befänden. Ob das wirklich vorkommt, ist unbekannt.
Bei nicht wenigen Tieren fehlt die erste Phase, d. h. die Anregung zum Suchen oder Verfolgen der
Nahrung erfolgt nicht durch den chemischen Sinn. Dies gilt u. A. für die Wasserkäfer, Amphibien,
und wohl die meisten Knochenfische. Alle diese Tiere sehen ihre Beute und werden dadurch zur
Verfolgung veranlasst.
Ich kann nicht daran denken, in gleichem Masse ausführlich auf die übrigen Funktionen des
chemischen Sinnes einzugehen, welche derselbe neben der bisher allein berücksichtigten Nahrungswahl
besorgt. Da das bisher Gesagte fast vollständig auf die anderen Funktionen übertragen werden kann,
will ich mich hier kurz fassen.
Eine nicht zu unterschätzende Bedeutung hat der chemische Sinn in vielen Fällen für das
sexuelle Leben der Tiere, ganz besonders für das Äufsuchen des Weibchens durch das Männchen.
Diese Funktion fehlt zuweilen ganz, so bei Zwittern und, was hiermit häufig zusammenfällt, bei festsitzenden
Tieren, in ändern Fällen ist sie sehr stark entwickelt; dies letztere dürfte vielleicht von
vielen Crustaceen gesagt werden. Am geeigneten Orte komme ich auf diesen Gegenstand zurück.
Auch auf einige weitere Thätigkeiten des chemischen Sinnes, welche wir kennen oder vermuten, komme
ich später zu sprechen, und wende mich nach diesen Erörterungen allgemeiner Natur jetzt zum speziellen
Teile meiner Untersuchungen.
S p e z i e l l e r T e i l
I n s e k t e n .
Von den Insekten wähle ich als ein ausführlich zu behandelndes Beispiel die Wasserkäfer,
und zwar speziell die Dytisciden, an denen ich am meisten histiologische und experimentelle Untersuchungen
angestellt habe. Vieles von dem hier Gesagten ist ohne weiteres auch auf andere Käfer und
überhaupt andere Insekten zu übertragen, bei welchen ich mich dann entsprechend kürzer fassen kann.
Wasserkäfer.
D y tiscu s m a rg in a lis u n d V e rw an d te .
Mehr als andere Wasserinsekten ist gerade dieser Käfer zu unseren Versuchen und Beobachtungen
geeignet. Dytiscus ist ein lebhaftes, leicht erregbares Tier ohne die manchen anderen Formen
eigene stete Unruhe. Er hält sich sehr gut in der Gefangenschaft und ist leicht zum Fressen zu
bewegen.
Meine experimentellen Untersuchungen sind ausschliesslich an einer grossen Zahl von Dytiscus
marginalis, cf und o, gemacht, zum Studium der anatomischen Verhältnisse verwendete ich ausserdem
Acilius sulcatus, und zum Vergleiche zog ich noch die kleineren Formen llyhius, Hyphydrus und
Gölymhetes heran. Acilius eignet sich wegen seines an den meisten in Betracht kommenden Stellen
glashellen, fast farblosen Chitins besonders gut zur mikroskopischen Untersuchung der unzerschnittenen
Fühler und Taster, ein Vorzug, der um so höher anzuschlagen is£, weil die hochgradige Sprödigkeit
des Chitins die Anfertigung von Schnitten sehr erschwert.
Versuche und Beobachtungen am unverletzten Käfer.
Die Dytisciden sind ausschliesslich auf animalische Nahrung angewiesen und sind ebenso gewandte
wie gefrässige Räuber. Dabei sind sie, wenn sie nicht allzusehr ausgehungert sind, ziemlich
wählerisch, sie verlangen entschieden einen Geschmack ihrer Nahrung; geschmacklose Stoffe, wie im
Wasser ausgelaugtes Fleisch oder Brot verschmähen sie hartnäckig, obgleich der Nährwert desselben
für sie kaum geringer sein dürfte, als wenn das Fleisch noch die den Geschmack erzeugenden Extraktivstoffe
enthielte. Sie haben aber auch ihre Antipathien gegen bestimmte Geschmacksarten, welche
sich keineswegs mit den ihnen schädlichen Substanzen decken. Der Instinkt für Unterscheidung nachteiliger
und unschädlicher Stoffe fehlt offenbar hier, wie so oft im Tierreiche, und auch selbst beim
Menschen. Einer Gesellschaft von 8 Dytiscus marginalis hatte ich einige kleine Stücke „fromage de
Brie“ gegeben, weche sie mit grossem Appetit verzehrten. Am anderen Morgen fand ich 6 tot, die
2 überlebenden zeigten noch wochenlang entschiedenes Unwohlsein und ungewöhnliches Verhalten
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