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 Trotz  der  vielen  diesen  Punkt  betreffenden  Arbeiten,  welche  vorliegen,  herrscht  unter  den  
 Autoren  keine  Einigkeit  über  den  Sitz  des  Riechorganes  der  Käfer.  Die  einen  verlegen  dasselbe  in  
 die  Fühler,  andere  in  die  Taster,  andere  an  andere  Stellen.  Ich  glaube,  diese Uneinigkeit  hat  ihren  
 guten  objektiven Grund:  Es  giebt eben kein einheitliches Riechorgan für alle Insekten,  welches überall  
 denselben  Sitz  hätte.  Wenn  für  eine  Familie  der  Insekten  der  Sitz  des  Riechvermögens  in  den  
 Fühlern  nachgewiesen  ist,  so  ist  damit  noch  nicht  gesagt,  dass  jene Sinnesthätigkeit  bei  einer zweiten  
 Familie  nicht  in  den  Tastern  lokalisiert  sein  könnte.  Dies  gilt  auch  für  die Geschmacksorgane,  über  
 welche  die  verschiedensten Ansichten  aufgestellt  waren,  indem der eine Autor sie  an  die Zungenspitze,  
 der  andere  an  die  Zungenbasis ,  der  dritte  an  den  Epipharynx  verlegte  u.  s.  f.  und  jeder  immer  die  
 Anschauung  des  Vorgängers  befehdete.  Die  richtige  Entscheidung  hat  hier  F o re l  gegeben  (106),  
 indem  er  sagte,  ihm  scheinen  alle  diese Forscher  recht  zu  haben  in Beziehung auf diejenige Insektenfamilie, 
   die  sie  speziell  untersucht hatten.  Alle jene Organe sind wirklich Geschmacksorgane,  unrichtig  
 war  nur  der  Schluss  früherer  Autoren,  dass  bei  allen  Insektenfamilien  die  Geschmacksorgane  immer  
 an  morphologisch  gleichwertigen  Stellen  zu  suchen  sein  müssten.  Wir  haben  vor  allem  zu  berücksichtigen, 
   dass  es  unter  den Wirbellosen  nicht  wie  bei  den Wirbeltieren  einen morphologisch und entwicklungsgeschichtlich  
 wohl  charakterisierten Riechnerven und Schmecknerven giebt,  dessen Endorgane  
 ein  für  allemal  diesen  chemischen  Sinnen  dienen.  Es  steht  dies  mit  meiner  oben  und  in  früheren  
 Arbeiten  entwickelten Anschauung  von  den Wechselsinnesorganen  in so vollkommenem Einklang,  dass  
 ich  hier  nicht  näher  darauf  zurückzukommen  brauche.  Auch  wie sich meine Auffassung zu derjenigen  
 G r a b e r ’s  verhält,  habe  ich  schon  oben  zur  Genüge  erörtert. 
 Als  erledigt  und  der  Besprechung  nicht  mehr  bedürfend,  kann  ich  wohl  die  Anschauungen  
 älterer Zeit  betrachten,  wonach  das Riechvermögen  sein Organ  an den Tracheenmündungen,  im Munde  
 und  Schlunde  und  an  einer  Stirnfalte  oder  den Halteren  haben  sollte.  Auch  ich  habe  nie  einen Anhaltspunkt  
 für  jene  Anschauungen  finden  können.  Ernstlich  in  Frage  kommen  nur  die  Fühler  und  
 Taster.  Ich  möchte  mein  Ergebnis  von  vornherein  dahin  zusammenfassen,  dass  b e i  a lle n   mit  
 feinem Geru ch ssin n e   b eg ab ten  Käfern  und  ü b e rh au p t In s e k te n   der Sitz  des  diesem  
 S in n e   d ie n e n d e n   O rg an e s  die  F ü h le r  sin d ,  da ss  a b e r   zw e ife llo s  e in z e ln e n   In s 
 e k t e n f am i l i e n ,  s p e z ie ll  a u c h   e in z e ln e n   K ä f e rn ,  R ie c h v e rm ö g e n   d e r   T a s t e r   
 n ic h t  fe h lt. 
 Nicht  alle  Insekten,  und  auch  nicht  alle  Käfer  benötigen  eines  feinen  Riechvermögens,  und  
 bei  ihnen  ist  es  dann auch  wirklich  nicht  hoch entwickelt.  Wie  bei Dunkeltieren sich die Augen rückgebildet  
 oder mangelhaft  entwickelt  haben,  so die Riechorgane bei denjenigen Insekten,  welche infolge  
 ihrer  natürlichen  Lebensbedingungen  nicht  in  die Lage  kommen,  ihren Geruchssinn  viel  zu  verwerten  
 und  zu  üben.  Namentlich das Erkennen eines Gegenstandes  (wie der Beute,  des anderen Geschlechtes,  
 eines  Feindes)  aus  weiter  Ferne  ist  bei  den  einzelnen  Arten  und  Familien  von  sehr  ungleicher  Bedeutung. 
   Einzelne  verwenden  dazu  vorzugsweise  den Gesichtssinn,  andere  aber  den Geruchssinn;  in  
 entsprechendem Masse  ist  dann  die  Feinheit  .dieser  Sinne  entwickelt.  Gerade  auch  unter  den Käfern  
 finden  wir  sehr  grosse Unterschiede  in  dieser Richtung,  was leicht zu begreifen ist,  da wir unter diesen  
 Insekten  die  verschiedensten Arten des Nahrungserwerbes vereinigt sehen,  es giebt unter ihnen Räuber,  
 Blumenbesucher,  Blattfresser,  Aasfresser  u.  s.  w. 
 Ebenso  mannigfaltig  wie  die  Ernährungsweise  und  Lebensweise  der  Käfer  ist  nun  die  Gestaltung  
 ihrer  Fühler  und  der  auf  ihnen  befindlichen  Riechorgane. 
 Am  meisten  histiologisch  untersucht sind die L am e llic o rn ie r.  Auch zu Versuchen hat man  
 sie  vielfach  benützt,  da  erstens  bei  einem  Teile  von  ihnen  Äusserungen  des Riechvermögens  unzweideutig  
 feststehen,  und  zweitens  weil  hier  die  kurzen Fühler mit ihrer verhältnismässig ausserordentlich  
 grossen  Oberfläche  zu  Riechwerkzeugen  besonders  geeignet  scheinen.  In  der  That  darf man  auch  
 sagen,  dass  bei  den  Lamellicorniern  der  Geruch  sein  Organ  sicher  in  den  Fühlern  hat  und  sehr  fein  
 entwickelt  ist.  Hiefür  spricht  die  ganz  charakteristische  Art,  wie  diese  Käfer  die  Fühler  bewegen,  
 wenn  ein  Gegenstand  von  bestimmtem Gerüche,  selbst  wenn  er  dem  Tiere  nicht  sichtbar  ist,  diesem  
 genähert  wird.  Der  vorzugsweise  erregende  Geruch  ist  für jeden  Käfer  wieder  ein  anderer,  je  nach  
 dessen Lebensweise;  so  wird Geotrupes  durch Mist,  Cetonia durch Honig,  Necrophorus durch Aas erregt  
 und  angelockt.  Für  den  letztgenannten Käfer  hat  nun  schon F o re l  angegeben,  dass die Äusserungen  
 des Riechvermögens  nach Resektion  der Fühler  gänzlich  verschwinden.  Ich  kann  dies  nach vielfachen  
 Versuchen  bestätigen,  ebenso  für  Geotmpes  und  Cetonia.  Einem  Necrophorus  ohne  Fühler  kann man  
 faules Fleisch  ganz  unmittelbar  vor  den Kopf hinlegen,  ohne  dass  er  irgendwie  reagiert,  während  der  
 unverletzte  in  derselben  Lage  keinen  Augenblick  zögert,  sich  auf  die  Beute  zu  stürzen.  Sowie  man  
 dagegen  die  Mundteile  berührt,  beginnt  auch  der  fühlerlose  Käfer  eifrigst  zu  fressen.  Ebenso  ist  es  
 bei Cetonia  aurata.  Auch  lassen  sich  fühlerlose Käfer  der  genannten Arten  beim Fressen  viel weniger  
 leicht  durch  auf  sie  einwirkende Gerüche  von  ätherischen Ölen  etc.  stören,  als  die  unverletzten.  Dagegen  
 wirken  stark  reizende Stoffe  (Aether,  Benzol,  Toluol,  Rosmarinöl)  auf obige Käfer wie auch auf  
 fühlerlose Maikäfer  deutlich  reizend,  wenn  die  riechende  Substanz  dem Kopfe  auf  1  cm Abstand nahe  
 gebracht wurde.  Ein  Ausweichen  vor  einem Tropfen  jener  Flüssigkeit  auf  grössere Entfernung  findet  
 nicht  statt,  erst  unmittelbar  vor  demselben  machen  die  der  Fühler  beraubten  Käfer  Halt. 
 G räb e r  (181)  glaubte  bei  I/ucanus  cervus  nachgewiesen  zu  haben,  dass  Fühler  und  Taster  
 für  den  Geruch ziemlich gleichwertig  sind,  und  zwar  in  der Weise,  dass  er  ätherische Öle  einmal den  
 Fühlern, das anderemal den Tastern nahe brachte,  und  die Zeit feststellte,  binnen welcher sich Reaktion  
 beobachten liess.  Dazu  ist  zu bemerken,  dass  er  die Riechstoffe  wohl  sehr nahe  an  die Fühler  bezw.  
 Taster  gebracht  haben  muss,  um  von  isolierter  Reizung  eines  der  beiden  Teile  sprechen  zu  können.  
 Denn  wenn  der  Riechstoff vom  Kopfe  des  Tieres  1  cm  entfernt  war,  war  die  Entfernung  der  Taster  
 von  den  Fühlern  zu  gering,  um  gegen  jene  Entfernung  noch  in Betracht  zu kommen,  und  es  wurden  
 beide  Teile  gereizt.  War  aber  der  Reizstoff  den  Fühlern  ganz  nahe  gebracht,  so  fielen  sicher  auch  
 noch  die  Taster  in  seinen  Dunstkreis,  und  die  Reizung  war  doch  keine  isolierte.  Übrigens  erhält  
 man  auch  bei  Käfern  ohne  Fühler  und  ohne  Taster  eine  deutliche  Unlustäusserung  und  Rückzug,  
 wenn  ein  so starker Reizstoff  sehr nahe  (2  mm)  an  den  Kopf  gebracht  wird.  Ich glaube,  dass  hiebei  
 die Geschmacksorgane an den Lippen und dem Gaumen gereizt werden.  In dieser  Hinsicht ist nicht  ohne  
 Interesse,  dass bei  Grab e r ’s  Versuchengerade  derjenige  Stoff,  welcher  allein  im Wasser  sich  leicht  
 löst,  die. verdünnte  Buttersäure,  am Munde  entschieden  stärker  wirkt,  als man  nach  ihrer  Indifferenz  
 gegen  die  Fühler  erwarten  sollte.  Gleiches  konnte  ich  bei Alkohol  und  Holzessig bemerken,  und  es  
 ist  nicht  unmöglich,  dass  der  Grund  für  diese Erscheinung  in  der leichteren Löslichkeit  in  der Mundflüssigkeit, 
   gegenüber  den  ätherischen  Ölen,  zu  suchen  sei.  Ich  habe  mit  Lucanus  cervus  nicht  
 experimentiert,  glaube aber  auf Grund  der vorstehenden Erwägungen und  meiner Versuche  an anderen  
 Lamellicorniern  behaupten  [zu  dürfen,  dass  die  Angabe  Grab e r ’s  von  der  Gleichwertigkeit  von  
 Fühlern  und  Tastern  für  das  Riechen  irrtümlich  ist.  Vielmehr  wird  auch  hier  der  Geruchssinn  sein