Dabei stossen sie häufig an die ruhenden Haie an und veranlasseü lebhafte Bewegung der gesamten
Wassermasse. Dies allein schon kann die Haie aufmerksam machen; gewöhnlich aber fällt, da diese
im ganzen Behälter zerstreut liegen, eine Sardine in die Nähe eines der Haie, erregt in kurzer Zeit
dessen chemischen Sinn, und dieser Hai beginnt nun suchend umherzustreichen. Damit ist das Signal
selbst für die entfernt liegenden Haie gegeben, sich rasch hintereinander zu erheben und ebenfalls
zu suchen. Trifft es sich zufällig so, dass sehr bald nachdem das Futter hingeworfen ist, ein Hai
auf dasselbe aufmerksam wird, so suchen binnen wenigen Minuten sämtliche Haie. Die inzwischen
verflossene Zeit reicht bestimmt nicht aus, um die schmeckbaren Stoffe durch das 7—8 m lange Bassin
diffundieren zu lassen. Die S c y llien werden also im A q u a rium a u f die G eg enw a rt des
F u tte r s n ic h t d u rch den chemischen Sinn a u fm e rk s am gemacht, so n d e rn ganz
v o rz u g sw e is e d u rch das Umherschwimmen ih r e r M itb ew o h n e r, welche schon
das F u t t e r b em e rk t haben* Der erste Hai freilich, welcher durch sein Umherstreichen die
anderen zum Suchen veranlasst, pflegt durch einen Geschmackseindruck aufgereizt zu sein. Die grossen
Knochenfische des Haifischbehälters nehmen die Nahrung ausschliesslich durch’s Gesicht wahr.
Es ist nun natürlich nicht ohne weiteres möglich, die Gewohnheiten, welche man an Aquariumstieren
beobachtet, auf die freilebenden zu übertragen. Es ist auch schwer anzunehmen, dass diese
letzteren in derselben, eben geschilderten Weise ihr Futter finden sollten, wie die gefangenen Tiere.
Ich will mich der Hypothesen hierüber enthalten, werde aber auf den Gegenstand unten noch kurz
zu sprechen kommen.
Ich bin auf Grund der bisher mitgeteilten Beobachtungen und Überlegungen der Ansicht,
dass der chemische Sinn den Haifischen so wenig wie anderen Wassertieren dazu dient, weither eine
Beute zu wittern und dieser nachzugehen. Auf der anderen Seite habe ich mich aber mit Sicherheit
überzeugt, dass Scyllien- durch den chemischen Sinn darauf aufmerksam gemacht werden, wenn sie
einem zur Nahrung geeigneten Stoffe sich nahe befinden. Dies „nahe“ ist in strengem Sinne zu
nehmen und dürfte nach meinen Beobachtungen den Abstand einiger Centimeter nicht überschreiten.
Die folgende Versuche sollen dies beweisen.
Zunächst ist das Verhalten eines ruhenden Katzen- oder Hundshaies gegen'vorgelegte Nahrung
zu unterscheiden von demjenigen eines umherschwimmenden. Legt man ein Stück Sardinenfleisch
in die Nähe des Kopfes von einem ruhenden Hai (bis 10 cm Abstand) so hat dies zunächst noch
keinen Einfluss auf das Benehmen des Tieres. Nach einiger Zeit jedoch, welche je nach den Umständen
zwischen Sekunden und Minuten wechselt, sieht man, dass der Hai rascher und tiefer atmet, häufig
mit ein wenig erhobenem Kopfe. Zweifellos ist dies Folge eines von dem Fleischstücke veranlassten
Sinneseindruckes, welcher höchst wahrscheinlich in das Gebiet des chemischen Sinnes gehört. Dass das
verstärkte Atmen, welches, wie erwähnt, auch bei Süsswasserfischen der erste Erfolg eines Geschmackseindruckes
ist, nur Ausdruck starker Erregtheit infolge der Sinnesempfindung sei, dürfte kaum anzunehmen
sein, vielmehr scheinen die Fische dadurch das Schmeckbare mit ihren chemischen Sinnesorganen
in ausgiebigere Berührung bringen zu wollen.
Nach einigen Minuten pflegt der Hai, wenn er einigermassen hungrig ist, sich zu erheben
und wegzuschwimmen, wie erwähnt, nicht selten in der der Lage des Futters entgegengesetzten Richtung.
Jetzt sucht das Tier mittelst des chemischen und mechanischen Sinnes. Während aber, wie
gesagt, der ruhende Hai schon durch ein 8—10 cm entfernt liegendes Fleischstück erregt wird (eiste
Geschmacks-Phase), bemerkt der Umherschwimmende dasselbe niemals, wenn er in genannter Entfernung
vorüberschwimmt. Die Schnauze auf den Boden gesenkt, streicht er dicht über diesem hin. Dabei
gleitet er häufig an dem Fleischstücke, handbreit von demselben entfernt, achtlos vorüber. Kommt er
ihmjedocfi auf 2—3 cm nahe, so macht er plötzlich die leichte Seiten Wendung, welche nötig ist, um das
Fleisch vollends zu berühren. Die zweite Phase des Schmeckens verlangte also bei meinen Versuchstieren
einen verhältnismässig sehr kleinen Abstand des Reizstoffes vom reizaufnehmenden Sinnesorgane.
Natürlich fehlt auch die dritte Phase des Geschmackes nicht, d. h. bitter gemachtes Fleisch
lässt der Hai wieder los, wenn er es, was nicht häufig vorkommt, ergriffen hat.
Die Diffusion mancher schmeckbaren Stoffe von dem Futter aus ist eine stärkere nach oben
als nach den Seiten. Daher bemerkt ein 5—10 cm über dem Futter hinwegschwimmender Hai dieses
häufig, findet es übrigens fast nie sofort, sondern sucht eine Weile .mit der Schnauze auf dem
Boden umher.
Etwas eigentümliches ist es mit dem Gesichtssinne der Katzen- und Hundshaie. Man sagt,
sie seien am Tage blind. In der That ist die Pupille am Tage fast ganz geschlossen, und ich habe
nie Gelegenheit gehabt, ein Scyllium mit offenen Augen zu sehen. Indessen ist es nicht richtig, wenn
man die Augen als ganz geschlossen bezeichnet. Vielmehr lässt die Iris eine spaltförmige, an einem
Ende zu einem runden Loch erweiterte Pupille frei. Fraglich kann es sein, ob diese Haie bei Tage
ausser der allgemeinen Lichtempfindung, die auch durch die Iris hindurch erfolgen kann, imstande sind,
Bilder zu erhalten. Die Thatsache, dass die Haie, auf der Suche nach dem vorgeworfenen Futter,
oft so nahe an demselben vorbeischwimmen, ohne sich seiner zu bemächtigen, spricht gegen die Annahme,
dass sie den betreffenden Gegenstand sehen. Füi Sehvermögen bei Tage spricht aber eine
allerdings vereinzelte Beobachtung, welche ich an Scyllium canicula machte, indem ein Hai dieser
Gattung, durch mehrere kleine Fischstückchen gierig gemacht, einem neuen Stück, das ich ihm zuwarf,
geradezu entgegensprang. Er krümmte sich stark dorsal, dabei den Kopf nach oben kehrend und
machte eine rasch schnellende Bewegung, durch welche er das Fischfleisch im Fallen dicht unter der
Wasserfläche erschnappte. Die Bewegung geschah mit solcher Gewandtheit und Sicherheit, dass ich
nicht daran zweifle, dass er das zugeworfene Futter gesehen hat. Oft habe ich beobachtet, dass,
wenn Scyllien im Begriff waren, ein Fleischstück zu packen, sie demselben mit dem Kopfe rasch folgten,
wenn ich mittelst eines Glasstabes ihnen das Futter verschob oder wegnehmen wollte.
Man hat es als Beweis für die Blindheit der Scyllien angeführt, dass sie die Glaswände ihrer
Behälter nicht sehen, sondern sich daran stets mit der Schnauze stossen, während dio meisten anderen
Fische sich nicht stossen. Dies beweist gar nichts für die behauptete Blindheit. Erstens stossen sich
auch diejenigen Haie an der Glaswand, welche weit offene Augen haben, wie Pristiurus. Und zweitens
scheint dies Anstossen mir aus dem Bau des Kopfes der Haie gut erklärt. Anstatt des empfindlichen
Mundes vieler Knochenfische mit ihren zahlreichen Organen des mechanischen Sinnes haben die Haie
eine den Mund weit überragende, derb behäutete, knorpelige Schnauze. Diese verträgt einen Stoss
viel leichter, als der Mund etwa eines Karpfens, oder einer Barbe, und im Zusammenhänge damit fehlt
der Haischnauze die feine Sensibilität, welche die Knochenfische die Annäherung des Kopfes und Mundes
an einen festen Körper, die Glaswand, rechtzeitig bemerken und unterbrechen lässt.
In der Meerestiefe, wo die Lichtintensität sehr viel geringer als in den Aquarien ist, werden
höchst wahrscheinlich die Augen der Scyllien weiter offen sein, und dann steht nichts dem im Wege,
dass sie wie andere Fische ihrer Beute mit Hilfe des Gesichtssinnes nachgehen. Dass sie dies mittelst
des chemischen Sinnes nicht sehr vollkommen zu thun vermögen, sahen wir oben.
Noch einige Worte über die Nase der H a ifisch e . Erwiesenermasseu spüren die
Katzen- und Hundshaie ihrer Nahrung viel mehr mittelst des chemischen Sinnes nach als andere