Die Uebertragung der Spermatopboren an die weibliche Geschlechtsöffnung erfolgt jedenfalls
(wenn auch der Begattnngsakfc nicht beobachtet wurde und wohl auch nur schwer zur
Beobachtung gelangen dürfte) mit Hilfe der ersten Pleopodenpaare. Sie zeigen denn auch im
männlichen Geschlechte jene charakteristischen Innenlappen der Endopoditen, welche für die
gesammten Euphausiden typisch sind. Am ersten Abdominalfusspaar (Fig. 24, 25) ist der borstenlose
Innenlappen kleiner als der zweizeilig beborstete Aussenlappen des Endopoditen; umgekehrt
gestaltet sich das Verhältniss am zweiten Pleopodenpaar (Fig. 26). Dabei treten an den
Innenlappen des ersten Paares drei grössere und ein kleinerer Haken auf. Bei den Weibchen
(Fig. 23) fehlt durchaus die Zweitheilung des Endopoditen und die ersten Pleopodenpaare gleichen
den nachfolgenden.
Besonders auffällig sind jene sexuellen Differenzen, welche ich für das sechste und siebente
Brustfusspaar nachwies. Das sechste Fusspaar ist nämlich bei dem Männchen (Kg. 22, £ §
vollständig rudimentär geworden und zu einem kleinen Stummel, welcher dem Endopodit entspricht
, verkümmert. Nicht ganz so weit geht die Rückbildung am siebenten Paar (p 7), insofern
neben dem Endopoditenstummel noch ein winziger Exopodit nachweisbar ist. Ganz anders
liegen die Verhältnisse bei dem Weibchen. Das sechste Fusspaar (Fig. 17) ist wohl entwickelt
und trägt nicht nur einen Exopoditen, sondern auch einen stattlichen dreigliedrigen Endopoditen,
welcher an Länge jenen des vorausgehenden Paares übertrifft. Beträchtlich kürzer, aber immerhin
noch wohl entwickelt ist der zweigliedrige Endopodit des siebenten Paares (Fig. 19). Die
Differenzen in der Gestaltung der genannten Extremitätenpaare erklären sich leicht, wenn man
erwägt, dass die Eier der Euphausiden nicht in Brutlamellen geborgen werden, sondern von den
Endopoditen der Brustfüsse getragen werden. Ich habe ein Weibchen von Stylocheiron masti-
gophonim erbeutet, welches seine auffällig grossen in eine Kittmasse verpackten Eier mit dem
nach Art eines Spinnenfusses verlängerten Endopoditen des sechsten Paares, unterstützt von jenem
des siebenten Paares, festhielt.
Sonstige sinnfällige sekundäre Geschlechtscharaktere konnte ich nicht nachweisen.
G. 0. S a r s (1885, p. 140) hebt allerdings hervor, dass bei St. carinatum die zum Raubfuss umgewandelte
dritte Extremität bei dem Weibchen etwas länger ist, als bei dem Männchen. Ich
fand bei einem männlichen Exemplar des St. mastigophorum allerdings den Carpus relativ kürzer
als bei den Weibchen, bei anderen indessen von gleicher Länge. Da auch die Greifhand bei
Männchen und Weibchen durchaus gleich gestaltet ist, so muss ich sekundäre Unterschiede am
dritten Brustfusspaare in Abrede stellen.
3. Bemerkungen über den inneren Bau der Gattung Stylocheiron.
Taf. X und Taf. XI, Fig. 9.
Da ich zum Zwecke des Studiums der Facettenaugen und Leuchtorgane mehrere Exemplare
von St. mastigophorum, St. ahhreviatum und St. chelifer in Schnittserien zerlegte, so gestatte
ich mir einige Bemerkungen über die Topographie der inneren Organe zu geben. Es liegt allerdings
nicht in meiner Absicht, eine eingehende histologische Analyse der Weichtheile — so viel
Interessantes dieselbe auch darbietet — vorzuführen, sondern ich will mich begnügen auf die
Anordnung der wichtigsten Organsysteme hinzu weisen. Zudem werde ich späterhin noch Anlass
nehmen, hie und da die kurzen Andeutungen zu erweitern.
a. Das Nervensystem.
Das N e r v e n s y s t em (Taf. XI, Fig.' 9) imponirt zunächst durch die relativ mächtige
Ausbildung des oberen Schlundganglions, welche freilich im Hinblick auf die monströse Entwicklung
beider Antennenpaare und auf die ansehnliche Grösse der Augen nicht überraschen
kann. Die beiden breit ineinander überfliessenden Hirnlappen (ce.) ragen bei St. mastigophorum bis
zur Basis, bei St. dbbreviatum sogar bis zur Decke des Rostrum vor. An ihrem seitlichen Vorderrande
entsenden sie die stämmigen nervi optici (n. 0.), welche gleich nach ihrem Austritt zudem
viertheiligen in der unteren Augenpartie gelegenen Ganglion opticum anschwellen. Unterhalb
der Hirnlappen sondern sich zwei kleinere bimförmige ganglionäre Centren, von denen die Nerven
für die Antennenpaare (n. at' und n. at") entspringen. Die vorderen zu den inneren Antennen
verstreichenden Nerven sind namentlich bei den Männchen kräftig ausgebildet.
Was das Verhalten von ganglionärer und fibrillärer Hirnmasse anbelangt, so liegt erstere
— wie dies K ö h l e r (1887) für Mysis gezeigt hat — durchaus peripher. Die ganglionäre
Rindenschicht häuft sich kapuzenförmig auf der Dorsalfläche der Hirnlappen an (besonders
mächtig bei St. ahhreviatum) und deckt in dickerer Lage auch die Ventralfläche von dem Austritt
der Antennennerven bis zur Schlundcommissur. Zwischen Hirnlappen und den bimförmigen
Knoten, aus denen die Antennennerven austreten, drängen sich Ganglienzellen (aber nicht in so
breiter Lage wie bei Mysis) tiefer in die Fibrillenmasse ein. Im Allgemeinen ist die Vorderfläche
des Hirnes mit einer dünneren Schichte von Ganglienzellen belegt, als die Hinterfläche.
Die Schlundcommissur umgreift breit und von mässiger Länge den Vorderdarm, um dicht
hinter demselben in ein Bauchmark von sehr bemerkenswerther Struktur überzugehen. Bei
keinem der bisher auf das Nervensystem genauer untersuchten Schizopoden lässt sich eine ähnliche
Concentration der thorakalen Ganglienkette nachweisen wie gerade bei der Gattung Stylocheiron.
Nach den Untersuchungen von G. 0. S a r s zeigt Gnathophausia (1885, Taf. VIII, Fig. 19)
das primitivste Verhalten, insofern der Thorakalabschnitt aus neun Ganglienknoten besteht, von
denen die sechs hinteren durch ziemlich lange Doppelcommissuren getrennt sind. Bei den übrigen
Schizopoden sind zehn Thorakalganglienknoten nachweisbar, welche bei den Gattungen JBoreomysis
und Euphausia durch stark verkürzte, aber immerhin noch in der Mediane durch einen Schlitz
•getrennte Commissuren verbunden werden (1885, Taf. XXXII, Fig. 12, Taf. XII, Fig. 30). Viel
weiter geht nach den früheren Untersuchungen von G. 0. S a r s (1867) die Concentration der
zehn Ganglienpaare bei Mysis relicta Lov.: die Commissuren sind in der Mediane verschmolzen
und die ursprüngliche Duplicität ist geschwunden. Stylocheiron bildet das extreme Endglied der
Reihe, insofern die Ganglienknoten sich derart nähern, dass auch die verbindenden Commissuren
•in Wegfall kommen. Die Ganglienzellen, welche den peripheren Belag der Knoten bilden, fliessen
unmerklich ineinander über und nur schwer gelingt es, die zehn Ganglienpaare aus einander zu
halten. Am concentrirtesten ist das thorakale Bauchmark von St. chelifer Chun und St. ahhreviatum
G. 0. S a r s gebaut, welche Arten überhaupt durch die Verkürzung der Thorakalregion vor
ihren Verwandten sich auszeichnen.
Auf horizontal geführten Flächenschnitten stellt sich das thorakale Bauchmark als eine
oval ausgezogene Ganglienmasse dar, welche in der Region des dritten Brustfusspaares am
breitesten ist. Die central gelegenen „Kerne“ der fibrillären Substanz sind perlschnurförmig
aneinander gereiht und die zehn zwischen den Kerben vordringenden Ganglienzipfel deuten die